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Twin Mirror (Teil 2 – Rückseite) (S4:Ep10)

von | 2021 | 20. Januar | Die Serie, Staffel 4 - The times they are a changing

Auf meinem schwarzen Spiegel
erscheinen genau null Einträge,
wenn ich den Begriff
„Massenspiegelneurose“
bei Google eingebe.
Und genauso null,
wenn ich nur nach „Spiegelneurose“ suche.
Das einzige, das mir angeboten wird,
sind Spiegelneuronen.
Dazu Wikipedia: Ein Spiegelneuron
(Plural: Spiegelneurone oder Spiegelneuronen)
ist eine Nervenzelle,
die im Gehirn von Primaten
beim „Betrachten“ eines Vorgangs
das gleiche Aktivitätsmuster zeigt
wie bei dessen „eigener“ Ausführung. (…)
(Es) wird diskutiert,
ob Spiegelneuronen an Verhaltensmustern
von Imitation oder möglicherweise
sogar Mitgefühl (Empathie)
bei Primaten beteiligt sind.
Und was jetzt eine Neurose ist,
das ist sicherlich hinreichend bekannt.

Ein Beispiel soll mir helfen,
zu erklären, worauf diese Folge
hier hinauslaufen soll.
Das einzige Todesopfer
auf Seiten der angeblichen
Revolution in den USA
ist eine Frau namens Ashley Babbit.
Früher war sie bei der Air Force,
stationiert im Irak und in Afghanistan.
Sie war beruflich selbständig
(Poolreinigungsfirma in San Diego)
und hatte vor 8 Jahren
Obama und Biden gewählt.
Dann trug sie plötzlich
eine rote MAGA-Kappe.
Vor zwei Wochen starb sie
an einer Schussverletzung
beim „Sturm auf das Kapitol“.
Sie war überzeugt.
Sie hatte sich informiert.
5 Jahre lang.
Sie hatte gelesen,
Videos geschaut,
selber Videos gepostet,
viele Videos.
Jedes mal, wenn sie
auf ihren schwarzen Spiegel schaute,
hatte sie Kommentare erhalten,
Ermunterungen, Lob und Beifall.
Die wenige Kritik hatte sie einfach geblockt.
Ihr schwarzes Spiegelbild
wurde ihr bald lieber
als sie sich selbst.
Ihre Augen wurden abhängig,
ihre Sehnerven gereizt
und ihre Spiegelneuronen
langsam vergiftet.
Jetzt lebt sie
nur noch auf den Bildschirmen,
als einzige Märtyrerin
dieses Witzes von Putschversuch.
So weit, so Spiegelneurose:
Eine pathologische Imitation
und selbstzerstörerische Reaktion
von und auf falsche Empathie.
Wenn die Massen von Trumpisten
morgen aufwachen,
ist ihr liebgewordenes Spiegelbild
endgültig zerbrochen,
und ein neues schaut ihnen entgegen.
Ob das die passende Therapie sein wird,
werden die kommenden Wochen,
Monate,
vermutlich Jahre
zeigen.

Angefangen hat heute alles,
wie immer alles anfängt,
mit Worten.
Und es fing sogar früher an als geplant.
Ganze sechs Minuten vor Mittag
eröffnet der neue US-Präsident
seine Antrittsrede:
„This is America‘s day!“
(Keine Sorge, das Ende der Rede
war nicht mehr so egal.)
Es war eine gute Rede,
klassisch, ausbalanciert,
überlegt und entschieden.
Und, ganz ehrlich,
vermutlich gar nicht
so schwer zu schreiben.
Denn es liegt ja
glasklar auf der Hand,
was gesagt werden muss:
Die Wahrheit.
Die Wahrheit,
dass die Demokratie gewonnen hat.
Die Wahrheit,
dass sie dabei selbst
neu erlernt werden musste.
Die Wahrheit,
dass nur Hoffnung und Optimismus
in eine bessere Zukunft führen.
Und die Wahrheit
über diesen „winter of peril“.
Denn nur gemeinsam,
in einer gemeinsamen Realität,
lassen sich Krisen meistern.
(Hier bricht sich dann
das zweite erwartbare Thema der Rede
endgültig Bahn,
und natürlich übernimmt
Lincolns Geist das Wort,
der auch schon seine ganze Seele
in den Kampf um die Einheit
der Vereinigten Staaten gelegt hatte…)
Falsches kann man berichtigen.
Von Irrtümern kann man ablassen.
Biden ist sich bewusst,
dass sich Krisen nicht wegdiskutieren lassen
und dass Gleichberechtigung mehr
als nur ein Wort in einer Rede,
oder nur eine dumme Fantasie ist.
Aber Gleichberechtigung ist eben nur
durch Einigkeit zu erreichen.
Die besseren Engel unserer selbst
müssen mehr als ein mal beschworen werden,
denn ohne Einigkeit
kann es keinen Frieden geben.
Die Zeit dafür ist jetzt.
(logisch, wann sonst?)
Und niemand soll behaupten,
dass sich die Verhältnisse
nicht ändern lassen
(an dieser Stelle brandet
lauter Applaus für Kamala Harris auf).

Apropos „behaupten“:
Am Ende des Hauptteils seiner Rede
holt Joe Biden richtig aus,
und verpasst der gesamten „alt-right“,
sämtlichen Schwurbelclowns
und allen Demokratiefeinden
aber mal so einen richtigen
Satz warme Ohren:
„It did not happen. It will never happen.
That‘s democracy. That‘s America.“
Die folgende Aufzählung
der amerikanischen Tugenden ist lang
und lässt mich ganz neidisch werden.
Am Ende dieser Liste steht dann
noch ein mal, folgerichtig
und Gott sei Dank:
Die Wahrheit.
Der „Uncivil War“,
der seit Jahren um
eben diese geführt wird,
muss beendet werden,
die Wahrheit verteidigt
und die Lügen besiegt.
Und wie?
Die Antwort darauf übersetze ich nicht,
sie klingt einfach zu gut und richtig:
„With opening our souls
instead of hardening our hearts“.
Das Ende dieser von Minute
zu Minute ergreifenderen Rede
ist zweigeteilt:
Zuerst wird schweigend
den inzwischen 400.000 Pandemietoten gedacht,
dann erneuert Biden seinen Schwur,
keine Stunde nachdem er ihn geleistet hat.
Er schlägt damit das nächste
große Kapitel in der
amerikanischen Geschichte auf
und erzählt seinen Folks,
wie die Geschichte aussieht,
die sie gemeinsam schreiben werden:
Eine Geschichte der Hoffnung.
„Thank you America!“

Große Worte,
leichter gesagt als getan.
Aber es sind ja gar nicht nur Bidens Worte,
um die es geht,
es geht um alle.
Und stellvertretend für die
steht das neue Kabinett.

Das in kommenden Lehrbüchern
als Beispiel neben dem Begriff
Diversität abgebildet sein wird.
Es ließe sich
auf den ersten Blick
in Kurzform
auch einfach „ganz viel Obama“ nennen:
Eine ehemalige Risikokapitalinvestorin
als Handelsministerin.
Der derzeitige Bürgermeister von Boston,
ein Ex-Gewerkschafter,
wird Arbeitsminister.
Ein hochrangiger Bundesrichter
bei der Justiz.
Ein Vier Sterne General als Chefdiplomat.
Ganz normale USA.
Ab jetzt wird es aber langsam
schon wagemutiger:
Ein Lehrer soll sich um die Bildung kümmern!
Ein gebürtiger Kubaner macht den Heimatschutz.
Ein Kalifornier leitet das Gesundheitswesen.
Dr. Fauci wird erster Gesundheitsberater.
Für die inneren Angelegenheiten der USA
ist demnächst Deb Haaland federführend,
ein großartiges Zeichen,
nicht nur für den Klimaschutz.
Die Puebla aus New Mexico
hat von heute an das Sagen,
wenn es, z.B. um Pipelinebau geht.
Die wenig verbliebenen Indigenen
dürften gerade immer noch
vor Freude tanzen.
Auch über die Besetzung des Energieministeriums
mit einer Ex-Gouverneurin,
die ebenfalls für einen Green New Deal wirbt.
Sogar die Umweltbehörde
wird die Arbeit wieder aufnehmen,
und scheint einen richtigen Wadenbeißer
auf die dünnen Beinchen
der Energiekonzerne hetzen zu können.
Sogar der einzig lebende US-Sozialist,
Bernie Sanders, wird allen Ernstes
Chef des Haushaltsausschusses!
Zur Krönung dann
John Kerry:
Die Greta Thunberg
unter den alten weißen Männern.

Das alles klingt fast
zu gut, um wahr zu sein.
Und im Spiegel der letzten 4 Jahre
wie eine völlig verkehrte Welt.
Diesen Menschen,
und noch so vielen mehr,
fällt jetzt auch die Aufgabe zu,
zuerst die USA
und dann hoffentlich auch alle anderen
aus diesem finsteren Spiegelkabinett
zu befreien.
„Oh-ho, say can you see?“

Abschließend noch eine Frage:
Hat Joe Biden eigentlich
jemals Bart getragen?
Nein?
Gut für ihn.
Und auch gut für die hiesige Lokalpolitik.
Ganz pfiffige Amtsanwärter
haben nämlich inzwischen
schon mal auf Wahlkampf umgestellt.
Mit einer Bart-ab-Challenge,
wegen den FFP2-Masken.
Das sind doch schon mal
unterhaltsame Aussichten.
Denn nach der Wahl des Jahrzehnts
ist vor der Wahl des Jahrzehnts.
Das wird nicht nur ein Superwahljahr,
sondern ein super Superwahljahr.
Ich darf sogar doppelt.
Und das auch noch pünktlich.
Sachsen-Anhalt macht den Hype
nämlich nicht mit
und verschiebt die Landtagswahlen
nicht in den Herbst.
Hier wissen noch genug Leute,
wie man einen Briefumschlag zuklebt
und in den Kasten wirft.
Und wer noch Fragen
zum angeblichen Superobermega-
wahnsinnslockdown hat,
der kann ja mal googlen,
was im Libanon grad Fakt ist.
Oder ihr zieht euch
einfach „Songbird“ rein;
das mit den Dystopien
können die Amis
nämlich auch ganz gut.

Hui, was für ein langer Blick in den Spiegel.
Bart ab vor Euch,
wenn Ihr bis hier durchgehalten habt.
War aber nötig,
wenn schon mal was gutes passiert.

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