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Breatheher (S5:Ep4)

von | 2021 | 9. Mai | Die Serie, Staffel 5 - How does it feel?

So,
dann aber mal kurz die Fenster auf im Kopf!
Der Sommer klopft an.
Also Zeit für neues Licht
und Wärme,
und Leichtigkeit
und so.
Die Dinge auch
mal wieder anders betrachten:
Vielleicht ist das ja
gar keine Pandemiemüdigkeit mehr,
die uns alle so fertig macht,
sondern ein ganz langsames,
tiefes und vorsichtiges Luftholen
für die unzähligen Freudenschreie
im Sommer?
Denn: Völlig überraschenderweise
zeigt der Lockdown sicht- und spürbare Effekte.
Und nein, liebe Almans,
das liegt nicht an den wärmeren Temperaturen,
die Regierung hat euch
nicht schon wieder verarscht.
Weil, erstens:
„Warm“ wird es erst heute wirklich,
denn bis jetzt war der Frühling
ja wohl unterdurchschnittlich kalt.
Und, zweitens:
Indien.
Soweit bekannt ist,
müsste da gerade Hochsommer sein.
Das Verfassungsgericht hat also
die Anträge gegen die Ausgangssperren
mit gutem Grund abgelehnt.
Puh, durchatmen, Glück gehabt,
denn was sonst in der rechten Ecke
an neuen Zusammenrottungen
los gewesen wäre,
schreib ich hier lieber gar nicht erst auf.

Und, weil wir grad mal wieder
nach den Rechten schauen:
Der Verfassungsschutz hat nach sechs (!) Jahren
Beobachtung und Aufbauhilfe
jetzt endlich glasklar anerkennen können,
dass „Pegida“ extremistisch ist.
Das „rechts-“ muss man sich allerdings dazudenken.
Für Nazis scheint die Sonne der deutschen Justiz
also auch weiterhin nur ungern,
weswegen die, einer nach dem anderen
und ganz von selbst,
den Parolen der Antifa Folge leisten,
geschichtsbewusst und pünktlich
kurz vorm gestrigen Tag der Befreiung:

Auch Ken Jebsen, dem Boris Reitschuster für alle,
die offenen Antisemitismus
irgendwie ganz schick finden,
wird die Luft hier zu dicke.
Im Oktober erst aus Berlin geflohen,
weil Youtube ihn gekickt hatte,
jetzt dann der letzte Ausweg:
Flucht ins Exil.
Die Bücherregal-Kulisse ist schon abgebaut
und in Kisten verstaut.
Irgendeine, wahrscheinlich von Soros finanzierte,
staatliche Medienaufsicht verlangt
doch wohl allen Ernstes
Quellen für seine Behauptungen
(nicht mit Meinungen verwechseln!),
ansonsten wird seine Seite abgeschaltet.
Jetzt darf man in diesem Land
schon nicht mal mehr
unbehelligt lügen.
Und als Märtyrer der Meinungsfreiheit
kann man schließlich auch im Ausland
um Spenden betteln;
für Attila Hildmann oder Bodo Schiffmann
scheint das ja auch ganz gut zu funktionieren.
Und, was noch viel besser ist,
bei vielen Ausländern
gibt es keinen Paragraph 130 StGb.
Endlich wird Jebsen seinem Ärger
richtig Luft machen können.
Es sei ihm nicht gegönnt.
Warum ist Keine-Luft-mehr-holen-können
eigentlich nicht auch ein Symptom
von Hassgekotze im Endstadium?
Aber auch hier ist die Sonnenseite
wieder viel verlockender:
Vielleicht kriegen #DieDoppeltenZwanziger
somit auch eine Chance mehr,
solche Gestalten nicht mehr
dokumentieren zu müssen.
Mal voyage!

Vielleicht wählt der kotzbrockigste
unter den Möchtegern-Demagogen
ja sogar Madrid als neuen Arbeitsplatz,
da wäre er seit gestern das kleinere Übel:
Dort hat gerade die rechtskonservative Volkspartei PP
die Wahlen in der autonomen Gemeinschaft gewonnen.
Einen Koalitionspartner
hat sie mit der faschistischen Vox
auch bereits gefunden.
Das ist, als ob hier
die AfD mit dem III. Weg koalieren würde.
Schon vor einiger Zeit
hat die jetzt wieder gewählte
Isabel Díaz Ayuso
dieses Ergebnis herbeigeschwurbelt:
„Wenn sie dich als Faschisten bezeichnen,
stehst du auf der richtigen Seite der Geschichte.“

Soweit sind wir allerdings noch nicht.
Im Gegenteil,
ein relativ ziemlich frischer Wind
will sich hierzulande einfach nicht legen
und weht den Alteingesessenen
doch fast die zu locker sitzende Maske vom Gesicht.
Die Grünen legen in den Umfragen
momentan sogar noch mehr zu,
und dass obwohl, oder weil
sich die nächste Kanzlerin in spe
gefühlt aus allem raushält.
Entspannt schaut sie dabei zu,
wie sich die Möchtegern-Juniorpartner (CDU)
ein Bein nach dem anderen selber weghauen.
Merz als zukünftigen Minister
für „Irgendwas-mit-Geld-und-Arschloch-sein“
anzuteasern, kommt bei den wenigsten gut an.
Maaßen bald im Bundestag?
Vielleicht noch als rechte Hand
von Björn Höcke,
der lieber weiter in Thüringen
die Demokratie untergräbt?
Finden jetzt auch nicht soo viele cool.
In Sachsen-Anhalt fühlt sich
die Basis der Regierungspartei
bereits vier Wochen vor der Wahl
dazu bemüßigt,
nochmal medienwirksam
auf das Kooperationsverbot
mit den braunen Schlümpfen hinzuweisen.

Die Bundes-CDU allerdings zeigt,
dass sie weiß, wer hier
die wirkliche Konkurrenz ist.
Und zwar so, wie sie es
von ihrer scheidenden Chefin gelernt hat:
Einfach die wichtigen Themen selber besetzen!
Deswegen wird das schallende Karlsruher Urteil
zum Klimaschutzgesetz
(Note: 6. Nochmal.)
auch sofort zum „Weckruf“ verklärt.
Klimaneutralität jetzt also schon bis 2045!
Fünf Jahre eher,
als diese Kinder freitags immer fordern!!
Das bringt der AfD nur noch mehr Stimmen?
Egal!!!
Der Feind steht,
ähm, na ja,
in der Mitte?

Da bleibt ACAB nichts weiter übrig,
als den Spieß umzudrehen
und sich nebenbei gleich noch
von den Linken abzugrenzen,
die könnte man als Koalitionspartner
schließlich noch gebrauchen;
nicht an allen Themen
muss man sich die Hände schmutzig machen.
Und anscheinend gefällt irgendwem
in der PR-Abteilung ihr neuer Spitzname nicht:
Die Anna-Lena verurteilt die Gewalt
am 1. Mai gegen Polizisten in Berlin nämlich aufs schärfste;
gut, Otto Schily hatte es ja auch vom Steinewerfer
zum Innenminister geschafft,
und Anna-Lena hatte wohl zu wenig Gelegenheiten,
den Cops mal die Stirn bieten zu müssen.

Womit wir zum Abschluss der heutigen Rubrik
„lechts und rinks kann man nicht velwechsern“
kommen, denn es gibt ein rundes Geburtstagskind:
Sophie Scholl wäre heute 100 geworden,
frech drauf wie immer, und natürlich geimpft.
Schon schräg, dass sich gerade alle
auf eine Biologie- und Philosophiestudentin einigen können,
deren Bruder Medizin studierte,
und die beide was gegen sinnloses Massensterben hatten.

So,
dann mache ich jetzt
auch mal noch das Fenster zum Hof auf,
ein bisschen provinzielle Kleinstadtluft schnuppern:
Hier machen grüne Kernthemen
nämlich noch echte Schlagzeilen.
Die Linden in der Lindenstraße
erhalten eine einjährige Gnadenfrist.
Die CDU schiebt ein unliebsames Thema
in die Zeit nach den Landtagswahlen,
und der Kampf für die Bäume
kann fortgesetzt werden.
Grüne Erfolge sind nie zu klein,
schließlich war das mal eine Graswurzel-Partei.
Das Schaulaufen nach der Verkündung
der Errichtung des „Care Campus“ in Quedlinburg
übernimmt aber noch der Seniorpartner.
Die Gründung des neuen Pflegeschulzentrums des Kreises
geht immerhin auch auf die Evangelische Stiftung zurück,
deren Schnittmengen mit der CDU nur selbstverständlich sind.
Und auch mit dem Tafelsilber
geht man inzwischen nach Thalenser Vorbild um:
Alles verkaufen, wofür grad keine Mittel da sind:
Die ehemalige Jugendherberge im Neuendorf
und der naheliegende Schreckensturm
haben neue Eigentümer.
Bei den momentan exorbitant gestiegenen Materialkosten
könnte sich eine Sanierung wohl noch hinziehen,
dieses Verfahren ist, wie erwähnt, gut erprobt.
Ansonsten dauert es eben noch viel länger,
wie man gerade endlich am Bahnhof beobachten kann…

Ups, sorry, Telefon.
Tatsächlich, London mal wieder!
Besser nicht warten lassen:
„Hello there! …
Yes, we know …
Yes, we are jealous! …
Happy now? …
Wie bitte? …
Sie haben schon wieder ganz andere Sorgen? …
Aber wir dachten … Nein?
Boris Johnson hat was gesagt? …
Wann? …
Im Winter? …
Die Leichen sollten sich doch stapeln? …
Nachdem er aus dem Krankenhaus kam? …
Ja, klingt wirklich nach ihm. …
Und jetzt also doch
Militärschiffe im Ärmelkanal? …
Die französischen Fischer
wollen vor ihrer eigenen Küste
doch nicht etwa selber fischen? …
Aber so gleich? …
Ja, nee, verstehe ich nicht. …
Was? … Alkoholtote? …
Ach so, so viele wie seit 20 Jahren nicht. …
Ja, hier vielleicht auch, keine Ahnung,
muss am Bier liegen. …
Ach nein? … Die indische Virusvariante
ist doch besorgniserregend? …
Und schon bei ihnen angekommen? …
Aber ich wollte doch im Sommer … vielleicht …
Bitte? … Ob ich gelesen hätte,
dass der Finanzminister von Quatar verhaftet wurde? …
Ja. … Und? … Ihr Bankenviertel dreht deswegen durch? …
Sorry, das letzte nochmal bitte? …
Hochhaus? Brand? In London? …
Schon wieder? …
Und wieder mit dem gleichen Zeug gedämmt? …
Also nochmal Glück gehabt? …
Ach, was ich noch … Hallo? … Hallo? …“
Einfach aufgelegt,
Gott sei Dank,
London ist ja schon wieder
völlig durch den Wind.
Vielleicht sollte ich dann im Sommer
wohl lieber nach Glasgow fahren.
So viel schlechter soll die Luft
da ja auch nicht sein.

Aber für heute halte ich die Nase
erst mal in die Windstille;
Der Sturm kommt schnell genug zurück.
Denn schon die zweite Woche in Folge
lassen sich die guten Nachrichten einfacher finden:
Endlich bessere Löhne für Pflegekräfte, per Gesetz.
Die USA und die EU wollen endlich
den Patentschutz für Vakzine aussetzen!
Pfizer und Moderna haben mit
8-stelligen Umsätzen, in 3 Monaten,
für‘s Erste genug verdient.
Deutschland hält davon eher nichts,
lustigerweise aber der deutsche Marktführer Biontech,
jedenfalls bis zum Ende der Pandemie,
so viele Imagepflege muss drin sein.
Lockerungen für Genesene und Geimpfte
gibt es auch seit Mitternacht.
Und keine Sorge,
die Impfdiskussion hat noch einiges in petto:
Die Sommerferien werden von der Frage dominiert sein,
welche Kinder, wann, mit was
und warum überhaupt geimpft werden sollen.
Die Kinder in Afrika oder Indien
sind wieder zu Themen geworden,
die dann bald den Lehrplan Geographie,
Stoffeinheit „Dritte Welt“,
um neue Lehrbuchartikel bereichern können.

So, genug Sarkasmus für heute.
Die Inzidenzzahlen sinken,
der Harzkreis hat in dieser Woche
einen Fall von über 200 auf 133 erlebt.
Es sieht wirklich danach aus,
dass in drei Wochen
nur noch die Masken nerven.
Also: raus, raus, raus.
Die Pfingstferien sind lang!
Ausflüge sind erlaubt.
Und werden fleißig beworben,
wie eh und je:
Die wichtigste Werbebotschaft
für die Natur,
das wird auch in Radiointerviews klar,
kommt immer noch zum Schluss:
Der Besuch der uralten Kamelie
im Pillnitzer Schlosspark bei Dresden
lohnt sich in diesem Jahr
nicht nur wegen zehntausender roter Blüten
(an ein und dem selben Baum),
sondern vor allem, weil man dort
mal so richtig Luft holen und
„die Masken abnehmen kann,
ist das nicht schön?“

In Mutterns Garten geht das aber auch prima,
und, alle zusammen genommen,
sind hier auch mindestens 1000 Blüten.
Heute allerdings
sollten schon noch einige dazu kommen…
Einatmen, ausatmen,
einatmen, ausatmen.
Ein paar Wochen noch,
und auf das lange Durchhalten
folgt das noch längere Durchatmen.
Und falls nicht,
dann halten wir eben
noch ein bisschen weiter durch.
Was soll schon passieren?

„I think i’m falling.
I hold my head up high.
These are the days
when we look
in each others‘ eyes.“

(Biffy Clyro: Breatheher. 2002.)

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