„Die wahrhafte politische Tragödie
sind Konflikte
aufgrund von Differenzen
zwischen Gut und Gut,
wo das eine Gute versucht,
das andere zu vernichten.
Ihr Ergebnis ist die unüberwindbare
Spaltung der Welt
und das Scheitern der Politik.“
(Zhao Tingyang: Alles unter dem Himmel. 2020.)
So.
Der zweite Coronawinter
hat also begonnen.
Und dieses Mal bereits im Herbst.
Also nichts, was nicht immer noch
ein bisschen kälter sein könnte.
Und erst recht nichts,
bei dem sich nicht alle
wieder gegenseitig mit
den allerheißesten Ideen
übertreffen könnten.
Das geht schon Sonntag Morgen
beim Bäcker los:
Auf der Theke liegt die Welt am Sonntag
und fragt: „Und was wird nun mit Weihnachten?“
Darunter dann:
„15 Tipps, wie sie sicher
über die Feiertage kommen.“
Wer braucht schon individuelle Vernunft
oder staatliche Verordnungen,
wenn er auch die Weisheit
der Springer-Presse haben kann?
Oder wer braucht schon, sagen wir mal,
die Vereinten Nationen?
Wie gut gemeint, aber überflüssig ist ein Verein,
der sich von selbstzufriedenen Kotzbrocken,
wie, sagen wir mal, Elon Musk,
vorhalten lassen muss,
dass dieser locker in der Lage wäre,
den Welthunger mit einer Spende zu besiegen,
das aber nur dann machen würde,
wenn ihm mal jemand erklären könne,
wie man mit sechs Milliarden
(sein Privatvermögen beläuft sich auf das fünfzigfache),
den Welthunger besiegen könne?
Menschen wie er,
haben die einfachste Gleichung anscheinend
doch noch nicht verstanden:
Nur weil etwas nicht das beste sein kann,
kann es doch immer noch trotzdem
auch gut sein.
Aber wer, wie Elon Musk,
gleichzeitig auch der Meinung ist,
dass Steuern doch am besten gleich
in die Marsbesiedelung zu investieren wären,
und wer außerdem der Heilsbringer der Automobilbranche ist,
der ist schlicht und einfach
zu gut für diese Welt.
Und zu gut wollen doch alle gerade sein.
Alles darunter wäre nicht gut genug.
Da werden sogar schlechte Sachen
auf einmal ganz gut.
Sagen wir mal: Lobbyvereine.
Kennen alle.
Sie sind der Sargnagel der Solidarität,
der Schimmelpilz der Parlamente
und die widerlichste Branche,
in die man nach dem Studium abrutschen kann.
Aber: Sie kämpfen alle für den Fortschritt,
für ein Interesse an der Zukunft,
für den Erhalt und die Verbesserung des Erreichten.
Gut gemeinte Zusammenschlüsse
gegen den Verfall.
Schamlose Zwecksolidarität
gegen die Spaltung.
Blasenschlagende Kohäsion
gegen die Entropie.
Einigkeit
und Recht
und keine Freiheit.
Da verwundert es also auch nicht weiter,
dass sogar die Gegenöffentlichkeit,
also die vierte und fünfte Macht
(Presse und Kultur/Kunst),
wo ja immer kräftig
gegen jegliche Lobby gewettert wird,
jetzt auch so einen Verein gegründet hat.
Die Deutsche Kunst präsentiert:
Nach der Kulturindustrie,
nach dem Urheberrecht,
nach der Künstlersozialkasse,
und nach der Kreativwirtschaft,
kommt jetzt, mit den folgenden Beispielen
die nächste Stufe der totalen Monetarisierung
(also Entwertung) von Geistesarbeit erreicht;
und das hier sind nur ein paar davon:
„Kreative Deutschland“ (privat),
„Kreativwirtschaft Sachsen-Anhalt“ (staatlich),
„Forum-Kreativwirtschaft“ (privat),
„KuK – Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft“ (staatlich),
„Koalition Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland („k3d“)“ (privat).
Letzte ist wirklich der allerletzte Schrei
(und ich frage mich,
warum das Akronym eigentlich nicht KKKiD ist),
da sind aber auch wirklich alle dabei:
Die Buchverlage, die Buchhändler,
die Mode, der Journaille,
die Musik, das Gaming,
das Fernsehen, das Radio,
der Film, die Veranstalter,
die Galerien, sogar die Architekten und Designer.
Und was wollen die alle?
Natürlich nur das beste:
„(…) eine politische Anlaufstelle,
die sich für uns zuständig fühlt,
die Leistungen und Potenziale
unserer Branche versteht und fördert.
(…) ein wirtschaftliches Klima (…),
das die Branche unterstützt.“
– Was soll ich sagen?
Sich in Klimafragen auf die Politik verlassen.
Na ja, merkt ihr selber.
„Radios laufen,
Platten laufen,
Filme laufen,
TV‘s laufen.
Autos kaufen,
Häuser kaufen,
Möbel kaufen,
Eisen kaufen.
Wofür?“
(Ton Steine Scherben:
Macht kaputt, was euch kaputt macht. 1969.)
Dann doch lieber
auf die althergebrachte Tour.
Und dabei einfach
schon verhandene Strukturen nutzen,
wie demnächst wieder
im Öffentlichen Dienst.
Und wir können sogar was,
das für die Kreativwirtschaft
schlecht in Frage kommt:
Streiken.
Für die gute Sache.
Und wenn verdi und die GEW
sich nur eine kleine Scheibe
von der GDL abschneiden,
dann ist auch bald wieder
noch mehr Käse auf dem Frühstücksbrot.
Irgendwo wird schon noch Geld aufzutreiben sein.
Immerhin ist der DAX in dieser Woche
auf ein neues Allzeithoch geklettert
(it‘s crazy because it‘s true).
Trotz Pandemie,
trotz Klimakatastrophe,
trotz Inflation,
trotz Niedergang der CDU.
Und trotzdem wieder nichts,
das nicht noch besser gehen würde:
Nächstes Jahr wird die Hyperinflation
(die vor der Weltwirtschaftskrise,
also vor dem Zweiten Weltkrieg)
100 Jahre alt;
wenn das kein Grund zum Feiern wird.
Aber zurück zur Gegenwart,
ganz so schlimm ist es ja noch nicht.
Es ist nur so schlimm:
Im Osterzgebirge sind seit Dienstag
die Intensivstationen voll,
ab morgen gilt in ganz Sachsen ausnahmslos 2-G.
Wie auch in Baden-Württemberg und Österreich,
nur halt mit ein paar Ausnahmen (Skitourismus).
In Berlin muss die Bundeswehr
wieder zur Unterstützung in die Gesundheitsämter,
die Kliniken der Stadt
stehen bereits kurz vor dem Notbetrieb.
Am Donnerstag dann das neue Allzeithoch:
34.000 gemeldete Neuinfektionen,
am Freitag: 37.000.
In München sind die Kinderkliniken voll,
wenn auch „nur“ wegen anderer Krankheiten.
Und immer noch, alles halb so wild:
In Rumänien hat Sars-Cov-2 bereits gewonnen,
das Gesundheitssystem ist zusammengebrochen.
Russlands Militär baut inzwischen Krankenhäuser
(und hat, sagt Kiew,
90.000 Soldaten an der ukrainischen Grenze).
Der absolute Hammer aber
kündigt sich in China an:
Die Regierung hat die gesamte Bevölkerung
dazu aufgerufen,
Lebensmittelvorräte anzulegen.
Und ich wette,
dass man da gerade trotzdem noch
Toilettenpapier im Regal findet.
Megalockdown for the win!
Und hier so?
Hier ist die Pandemie erst mal noch
eher so ein erhöhtes Partyrisiko.
Wirkt zumindest so.
Am Donnerstag lag die Inzidenz
bei den Schulkindern im Harzkreis
bei 440,
nächste Woche
auch bei allen anderen über 200.
Am Freitag also Pressekonferenz in Magdeburg:
Bisschen 3-G mehr,
vielleicht sogar mit Kontrollen,
nichts überstürzen.
Von den Schulkindern müssen nur noch
die PCR-Positiven in Quarantäne,
der Rest wird vorübergehend wieder
durch Masken im Unterricht davon abgehalten,
aus dem Virenkarussell auszusteigen,
oder wie der Magdeburger Amtsarzt sagen durfte:
„ … das heißt, wir wollen die Schülerinnen und Schüler
jetzt mit Macht in der Schule lassen.“
Ich übersetze kurz,
(und habe dann noch zwei Fragen):
„Wir wollen die totale Durchseuchung.“
(Wer ist „wir“?
Und: Wie weit weg
vom Sozialdarwinismus ist das noch?).
Immerhin geht das ganze dann schneller
als eine Durchimpfung.
Hm.
Gar nicht mal so gut.
Aber gut hin oder her,
gut soll ja jedenfalls auch sein,
dass die Notlage von nationaler Tragweite
in zwei Wochen beendet ist,
oder ausläuft, oder so.
Und das ist ja auch schon mal was.
Kaum vorstellbar,
was da daran nicht gut sein sollte.
Für die einen ist es leider das Ende der Coronadiktatur,
für die nächsten die Rückkehr zur angeblichen Normalität,
für noch andere gleich mal das Ende der Pandemie,
wie wir sie kennen.
Zu gut um wahr zu sein.
Win-Win-Win.
Und nebenbei gleich noch
die Spaltung der Gesellschaft
in aller Form vollendet:
Jedes Land des Bundes
muss ab jetzt selber wissen,
was gut für alle ist.
Jeder entscheidet für sich selbst,
wie korrekt er im Supermarkt die Maske trägt,
oder wie nah er andere an sich heranlässt.
Solidarität Royale?
Oder Party Royale?
Oder doch wieder bloß
Tristesse Royale?
Und falls alles nichts hilft,
dann geht es eben noch viel besser:
Die Ampel hat bestimmt noch
die ein oder andere gute Idee im Lager.
Die ehemalige Regierungspartei
(die älteren werden sich erinnern)
ist bei dem Thema
ja vorläufig nur noch Stichwortgeber,
denn ansonsten rappelt es gewaltig
im konservativen Basiscamp,
und gerade in den CDU geführten Ländern
läuft die Pandemiebekämpfung absolut vorbildlich.
Deswegen: Eine Mitgliederbefragung,
in der CDU (!),
soll die Wende bringen!
Hat es das schon irgendwann mal gegeben?
Und sie haben nur die besten Optionen,
ein Macher besser als der andere.
Merz oder Röttgen?
Bei den Linken ist auch alles in Butter.
Die ehemaligen Lichtgestalten
der vereinten Sozialisten,
die Sahra und der Oskar,
lassen die Partei weiterhin im besten Licht dastehen.
Aber wenn sogar Pseudowelterklärer (Precht)
und Pseudovorbilder (Kimmich)
beim Bedenkenhaben mitspielen,
fragt sich das Rotweinpärchen,
ob nicht mal jemand ihr Glas halten könnte.
Wer zahlt eigentlich für diese Kampagne?
Was hat Prof. Streeck damit zu tun?
Und wer ist nochmal Olaf Scholz?
Ja, es könnte alles immer besser sein,
ist es aber nicht.
Und deshalb gelten momentan
genau noch zwei Lösungsansätze:
Erstens:
Zerschlagen,
was nicht mehr funktioniert!
Zweitens:
Zusammenschweißen,
was längst zerbrochen ist.
Einen Unterschied wird eh keiner bemerken.
Es gibt nur noch Alarmstufe Rot.
Oder „Dunkelrot“,
wenn es nach der hiesigen Clubszene geht.
Was nützt uns der Niedergang,
wenn wir nicht tanzen können?
Im Handbuch der Flickschusterei
sind wir inzwischen wenigstens
ein paar Seiten vorwärts gekommen:
Winter-Boostern für alle!
Zumindest im globalen Norden
ist doch genug Impfe da.
Da werden (sogar in Quedlinburg)
die Impfzentren reaktiviert,
und weiter geht das kostenlose Lebenretten.
Schon ein paar Seiten weiter
sind die USA:
Ab dem vierten Januar gilt Impfpflicht.
Und zwar für alle.
Auch für die privaten Konzerne.
Schließlich ist das auch gut für die Industrie,
im Besonderen die Impfindustrie,
dem am schnellsten gewachsenen Wirtschaftssektor
der letzten zwei Jahre.
In Costa Rica, wie schon in Kuba,
gilt die Impfpflicht bereits
für alle schulpflichtigen Kinder.
Und als ob das alles
nicht schon sicher genug wäre,
kommt Pfizer jetzt auch noch
mit einer Pille um die Ecke,
die laut Eigenaussage
90% der schweren Verläufe
verhindert.
Man muss auch mal
mit was zufrieden sein können.
Denn, leider, leider,
ist der Kampf an der viel größeren Front
längst verloren,
und daraus macht auch
niemand mehr ein Geheimnis.
Denn global gesehen,
ist die Luft raus
aus der Party des Anthropozäns,
es ist 5 nach 12.
It‘s gettin‘ hot in here.
Und alle wissen es.
Außer der Zeit.
Die titelt diese Woche nämlich mal wieder
mit einer Debatte:
Links ein alter weißer Mann,
hoffnungsvoll grinsend
(„Ich bin optmistisch,
dass die Welt besser wird“),
rechts Luisa Neubauer,
die das eher unlustig findet
(„Aber alles spricht dagegen“).
Zum Beispiel die G20,
die auf ihrem Minitreffen
original nichts von Bedeutung beschlossen haben.
Auch in Glasgow, beim Klimagipfel,
gibt es seit einer Woche nur cringe Nachrichten
und ansonsten noch mehr blah blah blah.
Während sich Boris Johnson erneut,
anscheinend freiwillig und mit Spaß bei der Sache,
zum Klops macht,
und die Privatjets der Gäste
mehr CO2 verursachen
als 1600 Glasgower in einem Jahr,
hagelt es nur so internationale und nationale Bekenntnisse.
Ein Freudenball der Hoffnung:
Weniger Holzraubbau,
sogar Brasilien macht mit.
Net Zero bis 2050, oder 2070.
30% weniger Methan (Klimafeind Nr.2) bis 2030.
Ausbau der erneuerbaren Energien,
Ökostrom und Elektroautos.
Alles aber nicht verbindlich,
eher so gute Ideen,
über die dann demnächst,
vielleicht irgendwer noch mal redet.
Also steht Greta Thunberg folgerichtig
mit Tausenden vor der Tür
und redet, wie immer Klartext:
Beim „Global North Greenwash Festival“
wissen es wieder alle besser.
Besonders beeindruckend waren die Reden
der beiden kommenden, grünen Bundesminister.
Ach nee, die haben ja gar keine Reden gehalten.
Warum nicht?
Na ja, die haben halt hier
auch was zum Zusammenflicken,
sorry, zum Zerschlagen.
Der gesellschaftliche Sinn des einzigen Details,
das es bis jetzt
aus den ultrageheimen Koalitionsverhandlungen
raus geschafft hat,
will sich aber auch beim zweiten Mal hören
noch nicht erschließen:
Die Deutsche Bahn soll zerschlagen werden!
Auf Vorschlag der Monopolkommission.
Netzbetrieb und Zugverkehr
werden entkoppelt.
Bahne frei – Privaterei!
Wie gut das angeblich funktioniert,
kann man hier vor Ort sehen.
Der Hex, die Schlagader von Thale und Quedlinburg
nach Magdeburg und in den Fernverkehr,
hat seit der Privatisierung schon den dritten Besitzer.
Auf dem Markt weiß schließlich jeder,
dass er es besser kann.
Glaubt man dem Blätterwald,
werden in nicht allzu ferner Zukunft
auch noch die letzten Infrastrukturdienstleistungen
flüssig gemacht.
Die junge welt nennt das ganze beim Namen:
Eine neoliberale Rosskur.
Googelt mal Rosskur,
interessant, wie die auf Englisch heißt…
Gut.
Zu allerallerletzt ist dann wenigstens noch
das gute alte Fernsehen wieder da.
Wettstreit nur auf der Mattscheibe.
Auf dem Unterhaltungsmarkt ist noch Stimmung.
Und auf der Couch ist noch keine Apokalypse.
Hier ist alles gut,
alles gut,
„wetten, dass ..?“
Da kann nur die Konkurrenz
noch besser sein,
am besten die hauseigene.
Das ZDF-Magazin Royale
schießt, wie immer den Vogel ab.
„Der Eierwurf von Halle – das Musical“.
Ganz ehrlich:
Ich habe beides nicht gesehen.
Ich hatte besseres zu tun.
Love is a verb
here in my room.

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