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Follow the leader (S6:Ep13)

von | 2022 | 13. Februar | Die Serie, Staffel 6 - Peace or Love

„Oh, bound by ambition,
burned beneath the light.
Oh, open to a tug of war tonight.“

(Eddie Vedder: Try. 2022)

 

In den Zeiten des völligen
Orientierungsverlustes,
einer, in dieser Form
wahrscheinlich nie dagewesenen
Ziellosigkeit
und gefühlt ein paar Tage vor
dem Dritten Weltkrieg
sehnen sich die Menschen wahrscheinlich wieder mal
nach echter Führung.
Sollen sie kriegen.
Die Debatte um diesen problematischen Begriff
erspare ich uns selbstredend,
denn wozu gibt es schlaue Zitate
von schlauen Menschen?

 

„Wer über Führung spricht,
darf von der Macht nicht schweigen.
Aber was heißt das?
Wie spricht man über die Macht,
ohne sich entweder
ihre Sache zu eigen zu machen
oder sich andererseits und wohlfeil
auf die Seite ihrer Kritik zu begeben?
Wie kann man ihre Notwendigkeit
– und ihre Notwendigkeit wofür? –
anerkennen
und zugleich auf ihre gesellschaftliche Rahmung,
um nicht zu sagen: Zähmung
hinweisen?“

(Dirk Baecker: Die Sache mit der Führung. 2008)

 

Die angesprochene Zähmung
heißt zumindest hierzulande
noch
Demokratie.
Kennt man vielleicht:
Diese Sache
mit den Freien Wahlen,
mit der Gewaltenteilung
und der Kunstfreiheit.
Und genau da lassen sich
#DieDoppeltenZwanziger
natürlich nicht zwei mal bitten,
denn immerhin
gibt es so was sogar
ab und an
in der sachsen-anhaltinischen Provinz.
Ja, Quedlinburg,
du bist gemeint!

Ganz bald,
nämlich am 20. März,
einem Datum zu dem wir
später noch mal kommen,
ist nämlich hier
im Weltkulturerbe:
Bürgermeisterwahl.
Sechs Wochen vorher
sind sämtliche Straßen
über den Krokusexplosionen der Blumenstadt
mit Wahlplakaten geschmückt.
Momentan scheint es demnach
auch nur einen Kandidaten zu geben:
Der Amtsinhaber tritt wieder an,
die CDU will das Heft im Harzkreis
in der Hand behalten.
In den sozialen Netzwerken
und in den Briefkästen
buhlt noch ein weiter Bewerber (SPD)
um die Wählergunst,
alle anderen scheinen sich das Werbeetat zu sparen,
denn die CDU verspricht
einfach gleich mal alles:
Ein neues Industriegebiet (Quarmbeck),
die Revitalisierung eines Kurzentrums (Bad Suderode),
fixes Glasfaserinternet für alle,
den Bau einer topmodernen Pflegeschule,
ein „nationales Premiumprojekt“ (Schloßberg),
die „attraktive Förderung privater Haussanierer“,
ein spitzen Freibad,
den Ausbau einer Förderschule (Gernrode),
die Ausrichtung einer Landesgartenschau,
eine fahrradfreundliche Innenstadt.
Und, notwendiger als alles andere:
„mehr Bänke und Papierkörbe“!
Wer dem Bürgermeister
nicht in diese Zukunft folgen will,
der kann auch gleich
nach Halberstadt ziehen!

Oder nach Berlin.
Denn da bleibt auch alles beim Alten,
zumindest was den Lesesessel
im Schloss Bellevue angeht.
Unser Bundesuhu macht‘s noch mal.
Kontinuierlich, berechenbar,
mit deutlicher Mehrheit.
Die Auserwählten der Bundesversammlung
sind sich einig
und klatschen
sich die Hände wund.
Der Kanzler
(zur Erinnerung: Olaf Scholz (sic!))
gratuliert:
„Der richtige Bundespräsident
zur richtigen Zeit.“
Deswegen sagt der auch,
was er eben jetzt sagen muss:
„Ich appelliere an Präsident Putin:
Lösen Sie die Schlinge
um den Hals der Ukraine
und suchen Sie mit uns einen Weg,
der Frieden in Europa bewahrt.“
Die Stärke der Demokratie
sei nicht zu untersschätzen.
Er meint:
Die westliche Demokratie,
genauer:
Washington,
Paris
und natürlich Berlin.
„Wir wollen friedliche Nachbarschaft
im gegenseitigen Respekt.“
Spontaner Applaus des Kanzlers,
schließlich war das
auch sein Lieblingsschlagwort
im letzten Herbst.
Aber auch innenpolitisch
mischt sich Steinmeier
gerne ein:
„Denen, die Wunden aufreißen,
die in der Not der Pandemie
Hass und Lügen verbreiten,
die von ‚Corona-Diktatur‘ fabulieren
und sogar vor Bedrohung und Gewalt
nicht zurückschrecken,
gegen Polizistinnen,
Pflegekräfte
und Bürgermeister,
denen sage ich:
Ich bin hier, ich bleibe.
Ich werde als Bundespräsident
keine Kontroverse scheuen,
Demokratie braucht Kontroverse.
Aber es gibt eine rote Linie,
und die verläuft bei Hass und Gewalt.
Und diese rote Linie
müssen wir halten
in diesem Land.“
Herrlich.
Feindmarkierung,
wie sie sich gehört.
Da erübrigt es sich fast,
dass SPD-Bundesvorsitz Klingbeil
noch pflichtbewusst erwartet,
das Staatsoberhaupt werde sich
dann mehr einmischen.
Einen Tag vor dem ominösen 20. März
ist dann Vereidigung.
Mutti war übrigens auch
bei der Bundesversammlung,
aber was heißt das schon,
wenn da sogar Thees Uhlmann mitmachen darf.
Immerhin hat sie sich
das feierliche Abendbrot geklemmt.
Wer will sich auch schon
von Roland Kaiser
in den Crémant husten lassen.

Die Wortführer des Widerstands
gegen genau diese „Corona-Dikatur“
sitzen sich übrigens momentan noch
den Arsch platt.
Nämlich in den Führerhäusern
irgendwelcher Trucks.
Angefangen hatte alles
in Ottawa (Kanada).
Vor bereits zwei Wochen
wurde die Hauptstadt de facto belagert.
Von sonnenbebrillten Bartträgern
in fetten Karren
und mit Flaggen aller Art.
Ja, es gab sogar Berichte
über welche mit Hakenkreuzen.
Warum?
Na wegen „Corona“ and shit!
Erst jetzt beginnt die Polizei
aufzulösen,
was sie zwei Wochen lang
hingenommen hat.
Sächsische Verhältnisse
hinterm großen Teich.
Aber:
Das hatte ausgereicht.
Innerhalb der nächsten Tage
verabredeten sich weltweit
Trucker und andere Motorfans
zum gemeinsamen im Stau rumstehen.
Schon letzten Montag
sollten laut Telegram
100.000 nach Berlin kommen
und zwar solange,
bis diese verdammte Bundesregierung
endlich zurückgetreten ist!!1eLF!11!!!
Auch in Frankreich formieren sich
„Freiheitskonvois“,
ab Samstag wird auch Paris
wieder mal „belagert“.
Ganze 500 Fahrzeuge
mussten an der Stadtgrenze stoppen.
Aus ganz Frankreich.
Erst mal also noch keine Gefahr
für die Nationalwahl
in acht Wochen.
In den USA machen sich
selbstverständlich auch
Unmengen auf den Weg,
und machen, was sie sonst auch machen:
Cruisen.
Bis jetzt verteilt sich das aber noch,
das Land ist bekanntlich ziemlich groß.
In Den Haag allerdings
sind die Straßen schon verstopft.
Und in Brüssel soll es
nächste Woche passieren.
Was mich momentan am meisten
an diesen Assis aufregt,
ist, dass die sich so was jetzt erst trauen.
Die ganze Zeit feige hinterher spazieren,
und wenn die Schlachten an der Frontlinie
(Gesundheitswesen, Sozialer Dienst,
Pflege und Betreuung/Bildung)
dann gewonnen sind,
dann erst nach vorne preschen
und den Sieg für sich verbuchen wollen.

Aber egal,
freuen wir uns lieber,
dass das alles bald wirklich
vorbei zu sein scheint.
Dänemark ist seit zwei Wochen
coronafrei.
Sagen sie.
Aber viel anders als hier
ist es da auch bloß nicht.
Normal halt.
Wie in ganz Skandinavien.
Erkältungen ist man weiter nördlich eben gewohnt.
In Norwegen gibt es zwar im dritten Jahr in Folge
Notversetzungen und Notabschlüsse an allen Schulen,
aber das mit den Maßnahmen,
das hat erst mal ein Ende.

Hier vor Ort hat sich der Widerstand
auch schon wieder die Fußsohlen durchspaziert
und ist nur noch eine,
im Sandstein der Hauswände
verblassende Erinnerung.
Am letzten Sonntag
hatten dann eben auch mal
die Nicht-Querdenker hier in Quedlinburg
keine Lust mehr auf die Couch.
Schon am Abend vorher
war wieder alles wie immer,
vor der Reiche wurde sich gekloppt,
aber sämtlichste politischen Stadtgrößen
hatten auf den Markt geladen.
Angemeldet, gut organisiert
und mit ernstzunehmenden Reden
vor circa zehn mal so vielen Menschen
als bei den Spaziergängen dabei waren.
Jetzt waren wir nämlich mal dran,
die angeblich Schweigende Mehrheit.
Mit genügend Abstand,
mit bunten Schals,
einem anschließenden Bericht im Radio
und allem Pipapo.
Ich allerdings musste/wollte weiterschweigen
und lieber Zeugnisse schreiben,
Schule geht halt vor, ne?

Und außerdem:
Ich habe gerade noch mal
so richtig Bock auf Pandemie.
Ich will das Ding
jetzt erst recht
ordentlich zu Ende bringen.
Solidarität overload!
Und wenn ich mich dabei
doch noch anstecken sollte.
Also: Mir nach!
Wer ist noch dabei?
Denn:
Es ist nun mal noch nicht vorbei.
Der Drops hängt noch klebrig
unterm Gaumen
und will zu Ende gelutscht werden.
In Anbetracht der immer weiter
andauernden Impfungerechtigkeit,
werden wir schon noch ein paar Jahre
nicht wirklich zur Ruhe kommen.
Also mindestens was unsere Humanität angeht.
„Die Ungleichheit
bei der Verfügbarkeit von Impfstoffen
ist das größte moralische Versagen
unserer Zeit.“
Das denke ich zwar auch,
aber so hat das der UN-Generalsekretär
vergangene Woche zum x-ten Mal
wiederholen müssen.
Und überhaupt:
Noch stehen wir
immer noch
bei 10.000 globalen Opfern
täglich.
Zu Beginn der Pandemie,
also auf dem Höhepunkt
der Ersten Welle
waren es weniger.
Ohne Impfstoffe
oder Medikamente.

Ansonsten aber
ist die Pandemie
endgültig zur Politisierung freigegeben.
Es ist halt gerade wichtiger,
den Dritten Weltkrieg zu verhindern.
Da hat man sich eben noch gefragt,
ob die AfD wohl
die absehbare Rücknahme der Impfpflicht ausschlachtet,
da grätscht die CDU/CSU dazwischen.
Angeführt von keinem geringeren als Markus Söder
hat man die Türen und Fenster
in der Omikronwand gefunden
und macht es sich in der Opposition gemütlich,
man hat halt nichts besseres zu tun.
Gemeinsam mit Friedrich Merz
und ein paar ausgewählten CDU-Ministerpräsidenten
wird dabei gleich mal am Rechtsstaat gesägt.
Bundeseinheitlich verabschiedete Gesetze?
Braucht man mit starken Führungskräften doch nicht.

Da die AfD
nach dem überfälligen Austritt von Meuthen
gerade, außer Scheißesein,
gar nichts mehr kann,
muss die Ampel,
und vorneweg die SPD,
jetzt auch noch
die Demokratie
im Landesinneren retten.
Allein der Skandal
um den (ehemaligen) Chef der „Werte-Union“,
dem es für lächerliche
30.000 Euro Parteispende
an die AfD
gelungen war,
von denen für die Wahl zum Bundespräsidenten
ernannt zu werden,
ist häßlich genug.
Er kam heute übrigens
auf ganze 140 von gut 1.400 Stimmen.
10% Nazis also.
Schlimm genug.
Wie beruhigend,
dass die deutsche Polizei
jetzt eine Chefin hat,
die kein Problem damit hat,
ganz offen mit der Antifa
zu sympathisieren,
wofür sie natürlich
von CDU und AfD angegriffen wird.
Getroffene Hunde
markieren sich halt
gerne selber.
Ich freu mich schon drauf,
wenn sich der erste aus der rechten Ecke
darüber aufregt,
dass das öffentliche Tragen
von „Judensternen“
verboten werden soll.
Und das jetzt bitte mal
sacken lassen.
Eigentlich ja ein
ziemlich überfälliger Move,
findet ihr nicht?

Auch in Österreich
behält die Sozialdemokratie
das Ruder noch in der Hand,
wozu sie nicht mal den Kanzler stellen muss,
und sich inzwischen
sogar solche markigen Sprüche leisten kann:
„Lieber rotes Gsindl,
als die Hure der Reichen!“
Gemeint sind sie selbst,
bzw. der Ex-Kanzler,
bzw. dessen Noch-Regierungspartei.
Denn die ÖVP geht
nach den #bmichats
gerade richtig baden.
Wie erwartet, tausende an Protokollen,
die die Korruption und Verrohung
dieser „Volkspartei“ ans Licht zerren.
Kein Wunder deswegen auch,
dass Sebastian Kurz
jetzt für den Fürsten der Finsternis arbeitet,
für Peter Thiel.
Und über den werden wir hier
wahrscheinlich noch des Öfteren schreiben müssen,
denn die gefährlichsten Führer sind die,
die erst mal andere führen lassen.
Nur vielleicht schon mal so viel:
Es gibt wirklich Menschen,
die sich das Blut von Kindern gönnen,
um sich zu verjüngen.
Der hässlichste davon
ist Peter Thiel.

Aber wie komme ich jetzt
von dem zurück
zu den Führern der freien Welt,
die gerade dabei sind,
uns alle an den Rand
des nächsten großen Krieges zu führen?
Wahrscheinlich am besten über
Jens Stoltenberg.
Der Nato-Generalsekretär
hört nämlich bald auf.
Qualifiziert für den Job
hatte er sich vor rund zehn Jahren
durch seine ruhige Hand
als norwegischer Premier,
mit der er sein Land
über den Schock von Utoya
gertragen hatte.
Jetzt entbrennt also
die Nachfolgedebatte.
Und, wen wundert‘s,
es soll eine „Richtungsentscheidung“ werden.
Die Frage also ist,
ob die/der nächste
das Schwert in die Hand nimmt,
oder sich jemand findet,
die/der weiterhin die Ruhe bewahren kann.

Womit wir dann endlich
bei Olaf Scholz angekommen wären,
denn das kann der ja wohl
wie kaum ein anderer.
Vielleicht nicht der schlechteste Skill
im Moment.
Also, erst mal keine Witze mehr,
versprochen…
Olaf ist nämlich in der letzten Woche
mal richtig in die Sichtbarkeit gegangen,
mal ins Wirken gekommen.
Und neben Joe Biden
wirkte er dabei
so spritzig wie noch nie.
Am Montag also Antrittsbesuch in Washington,
inklusive Liveinterview bei CNN,
wenn schon, denn schon.
Spitzen Timing.
Immerhin:
„Es geht darum,
Krieg IN Europa zu verhindern.“
Biden nickt.
Man duzt sich bereits.
Biden aber übernimmt die Führung:
Ohne Frieden kein NordStream 2.
Olaf nickt.
Wir sind ja sowieso nicht
für immer aufs Gas angewiesen.
Wir sind ja jetzt auch grün.
Sorgen müssten sich nämlich
eher die Lieferanten machen,
denn Wasserstoff ist ja eh das neue Ding.
Klares Ding also:
Wird in die Ukraine einmarschiert,
sollen die Russen doch gucken,
wem sie ihr Zeug verscherbeln wollen.
Das gleiche Lied
dann von allen anderen free leaders:
ACAB ist schon wieder in Kiew
und darf als „diese junge Dame“
nice Foto-ops im Militarylook machen.
Zumindest traut sie sich noch,
Israel öffentlich
wegen Apartheid auszuschimpfen.
Und Macron ist auch mittendrin,
beziehungsweise am anderen Ende
des viel zu langen Diplomatentischs im Kreml.
Mitte der Woche spuckt er dann
zur Abwechslung mal ganz neue Töne
beim „Weimarer Dreieck“,
gemeinsam mit Scholz und diesem Typen aus Polen.
„Russland gehört zu Europa.
Es gibt keine Sicherheit für Europa,
wenn es keine Sicherheit für Russland gibt.“
Putin fühlt sich so geschmeichelt,
dass gleich mal ein riesen Militärmanöver
in Belarus abgefahren wird.
Dann, Ende der Woche:
Normandieformat in Berlin.
Wieder ergebnislos.
Also ruft Biden am Donnerstag bei NBC
alle seine Homies auf, die Ukraine zu verlassen
und warnt wie nebenbei ungeniert
vor einem „Weltkrieg.“
Der gesamte Westen
zieht am Samstag Mittag nach.
Die Flughäfen in der Ukraine
füllen sich.
Dann die CIA:
Wahrscheinlich geht es nächste Woche los
mit der Invasion.
Schwere Flächenbombardements und Raketenbeschuss
werden erwartet.
In der Nacht zu heute
telefonieren Biden und Putin
noch mal ein Stündchen.
Wieder ohne Lösung.
Die Eskalation scheint
tatsächlich nur noch unausweichlich.
Aber noch genug Zeit
für ein paar Mindgames:
Variante 1:
Es passiert gar nichts.
Und die USA müssen eben einen anderen Weg finden,
ihr Flüssiggas an Europa zu verkaufen;
der Markt wird das schon regeln.
Variante 2:
Russland marschiert wirklich ein.
Und die Nato lässt die Ukraine fallen.
Nur NordStream2 wird gecancelt.
Dann „verkauft“ Russland
sein Gas eben vornehmlich
über die Ukraine in den Ostblock
und von da nach Europa.
Oder gleich nach China.
Warum, das lasse ich die junge welt erklären:
„So wurden am Rande
des Treffens zwischen Putin und Xi
(zur Eröffnung der Olympischen Winterspiele in Beijing)
neue Geschäftsabschlüsse bekanntgegeben,
die die Lieferung russischer Rohstoffe
nach China umfassen
(Gesamtwert: 117,5 Milliarden US-Dollar
innerhalb von ca. 25 Jahren).“
Der Export russischen Erdgases
wird aktuell um zehn Milliarden Kubikmeter
aufgestockt.
Die akute Frage ist jetzt also:
Wer stellt als erstes ein Ultimatum?
Zum Beispiel so was,
wie: „Bis dann und dann
ein russischer Truppenabzug,
sonst ist Schluss mit Pipeline durch die Ostsee!“
Vermutlich wartet der Westen aber lieber,
man will ja schließlich nicht
als der Böse dastehen.
Die Bronzemedaille reicht erst mal.
Dabei sein ist alles.

Aber auch über das ganz normale Olympia
traue ich mich fast gar nicht zu schreiben.
Dabei war die Eröffnungsfeier
wirklich schön.
Modern.
Friedlich.
Kunterbunt.
Ja, viel zu schön,
um wahr zu sein.
Trotzdem:
Der „Boykott“ ist und bleibt falsch.
Olympia sollte nicht politisiert werden.
Von Wegen!
Die westlichen Führer
hätten erst recht hingehen müssen,
und mal ordentlich auf den Tisch hauen!
Was hätte denn passieren sollen?
Olaf Scholz wird verhaftet,
weil er Menschenrechte wichtig findet?
Aber so bleiben die Winterspiele
eben, was sie auch vor dem Neuen Kalten Krieg schon waren:
Ein Schaulaufen von Supermenschen.
Die beim Eiskunstlauf
immer noch Rekorde brechen,
nur um am nächsten Tag
wegen Dopings überführt zu werden.
Also auch hier
weit und breit keine Idole mehr,
keine Leader, nicht mal Führer.
Außer einem einzigen.
einem ukrainischen Rodler,
der es sich gewagt hat,
öffentlich ein Antikriegszeichen zu tragen.

Also brauchen wir wohl
eine ganz neue Art von Leitfiguren.
Wie wär‘s mit was wichtigem?
Irgendwer, die/der etwas unternimmt
gegen den richtig krassen Scheiß.
Genau, ich rede von Klimadiplomaten.
Nach Greta Thunberg
und John Kerry
haben wir jetzt unsere (fast)
ganz eigene Stimme
im Kampf gegen die ernsteste aller Bedrohungen,
uns selbst.
Jennifer Morgan,
die bisherige Chefin von Greenpeace
ist jetzt die deutsche Sonderbeauftragte
für Internationale Klimapolitik.
Sie ist zwar noch keine deutsche Staatsbürgerin,
spricht dafür aber die Sprache schon besser
als viele ihrer zukünftigen Mitbürger.
„Mein politisches Herz schlägt ganz für Deutschland“,
sagt sie,
gleich rechts neben Anna-Lena Baerbock.

Dann können wir heute,
kurz vorm Schluss
also getrost
mal wieder
ein paar von den
verbrauchten Leadern
im Klo runterspülen.
Ganz so, wie es den letzten Meldungen nach
auch der Frisurensohn mit wichtigen Dokumenten
damals im Weißen Haus gemacht hatte.
Aber erst nach dem x-ten Mal Spülen
wollen die folgenden
endlich den Weg
ins Abwasser der Geschichte finden,
und niemand weiß,
wann und wie sie wieder auftauchen.
Rudy Guiliani, zum Beispiel.
Dessen letzter Versuch,
nicht in Vergessenheit zu geraten,
hat zwei C-Promi-Juroren
bei der US-Version eines TV-Formats
namens „The Masked Singer“
dazu veranlasst,
kommentarlos die Bühne zu verlassen.
Zu dem fällt einem einfach
nichts mehr ein.
Wie auch zu Jeff Bezos.
Für dessen Yacht
jetzt die Koningshavenbrug in Rotterdam
zurückgebaut werden muss.
Okay, einen noch:
Der Ex-Papst entschuldigt sich doch noch,
war alles nicht schön,
vor allem seine Lügen nicht.
Reflexartig wird mal wieder
über das Zölibat diskutiert
(als ob das die Lösung wäre),
und dann ist aber auch mal wieder gut
mit der Hetze gegen pädophile Priester.

#DieDoppeltenZwanziger
stecken also wie gewohnt
im Dreck fest,
und nirgendwo ein Klempner in Sicht,
der das Rohr frei macht.
Müssen die sich
eben wieder am eigenen Schopf
aus dem Schlamassel ziehen.
Aber ein mal greife ich noch
ganz tief rein in die Kloake,
und dann ist wirklich Schluss für heute,
und wir können uns wieder
um uns selber drehen.
Aufgepasst!
Der überregional bekannte Sagenerzähler
sieht sich inzwischen als
den neuen Paracelcus.
Und nein, nicht etwa,
weil es sich
bei diesem Quacksalber
aus dem 16. Jahrhundert
um den deutschen Vater
der Naturheilkunde handelt,
oder um den vermeintlichen
Schutzpatron aller Heilpraktiker,
oder den Namensgeber
der hiesigen Paracelsus-Klinik
(einer Rehaklinik für, u.a. Atemwegserkrankungen),
der sich auch noch
sehr wahrscheinlich selber
mehr oder weniger versehentlich
mit Quecksilber vergiftet hat,
sondern, viel, viel wichtiger,
der ja eigentlich in erster Linie
auch, wait for it,
Sagenerzähler war!
Ich bin jetzt allerdings
schon viel zu müde,
um auch noch
die Treppenwitze in dieser Story
zu zählen,
sorry, not sorry.

Denn zum Glück habe ich geistige Führung
schon vor sehr langer Zeit
ganz woanders gefunden:
In der Musik.
Denn wer nicht hören will,
muss fühlen.
Und wie das Leben so spielt:
Ausgerechnet jetzt
bringt der einmaligste aller einmaligsten Sänger,
Eddie Vedder,
ein Soloalbum raus!
Inklusive eines lupenreinen Lovesongs.
Liebende Herzen
brauchen viel,
aber keine Führung.

„But we’ve got enough.
All of the haves, they have not.
Not got half of what we got.
They’re wanting more,
I’m just wanting you.
Oh, better believe me,
all I’m begging of you.
All of the haves
with all that they do,
all of the haves,
they ain’t got you.
They ain’t got you.
They ain’t got,
they ain’t got.
I got you,
got you.
I got you.“

(Eddie Vedder: The Haves. 2022)

 

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