„All that is, was and will be
universe much too big to see.
Time and space never ending.
Disturbing thoughts, questions pending.
Limitations of human understanding,
Too quick to criticize.
Obligation to survive.
We hunger to be alive,
yeah.
All that is, ever, ever was
will be ever
Twisting, Turning.
Through the never.“
(Metallica: One. 1988)
Nach dem letzten Wochenende
hatte ich mir eigentlich vorgenommen,
zur anstehenden Staffelpause
nur so eine Art
arty/farty Schnellabriss zu machen.
Ganz nach dem Motto:
Die Luft ist raus,
hier noch schnell die letzten Breaking News,
und dann mal:
Schönen Sommer noch,
ich hab auch noch was anderes zu tun.
Ich melde mich, wenn
die Pandemie wieder alle betrifft,
oder der Krieg zu Ende ist,
oder die USA das AR-15 verbietet,
oder die Hyperinflation
mein Sparbuch aufgefressen hat.
Und außerdem:
Leben,
Lieben,
Festivalsommer!
#DieDoppeltenZwanziger
hatten aber erwartungsgemäß
eine ganze Menge dagegen
und sind nun mal blind
für persönliche Umstände.
Denn spätestens am Donnerstag
war klar:
Das Rauszögern der Sommerpause
war nicht umsonst.
Die Entwicklungen
entwickeln sich weiter.
In diesem Jahrzehnt
bleibt einfach kein Stein
auf dem anderen.
Denn am diesem 9. Juni stellt
Wladimir Putin
die Weichen
in eine Zukunft,
die so weit in der Vergangenheit liegt,
dass die Gegenwart
fast schon unbedeutend erscheint.
Pünktlich zum
350. Geburtstag
von Peter dem Ersten,
dem „Großen“,
Pjotr Alexejewitsch Romanow,
Zar und letztlich Kaiser vor Russland
(1682 – 1725),
Erfinder einer „Bartsteuer“,
Eroberer von Asow (1696),
Gewinner des „Zweiten Nordischen Krieges“
(gegen Schweden 1700 – 1721),
Gründer von St. Petersburg,
Ehemann von „Katharina der Großen“
(Eltern von 12 Kindern),
und so weiter und so fort,
hält der deutlich kleinere Putin
(ca. 35 cm Unterschied)
eine seiner (letzten?)
„historischen Reden“.
Es gehe auch jetzt,
wie damals auch,
nicht um eine Eroberung,
sondern um eine Rückeroberung.
Historische Gerechtigkeit,
nicht mehr
und nicht weniger.
Unterdessen
werden am selben Tag
die ersten offiziellen Todesurteile
im Zusammenhang
mit der „Spezialoperation“ verhängt.
Ich zitiere (leicht gekürzt)
den tagesschau-Liveblog:
„Das Oberste Gericht
der separatistischen Donezker Volksrepublik (DVR)
hat drei ausländische Kämpfer
in den Reihen der ukrainischen Streitkräfte
als Söldner
zum Tode verurteilt.
Bei den Angeklagten
handelt es sich um
zwei Briten
und einen Marokkaner.
Die Todesstrafe
werde für
„alle Verbrechen zusammengenommen“ verhängt,
heißt es in der Urteilsbegründung.
Der Prozess hat genau
einen Tag gedauert.
Ihnen werden Handlungen
zur gewaltsamen Machtergreifung vorgeworfen.
Laut Gericht haben die Angeklagten
„ihre Schuld gestanden“.
Einer der Männer
habe zudem
„zugegeben, in Terroranschlägen
geschult worden zu sein“.
Die beiden Briten
waren Mitte April
in Mariupol
von prorussischen Kräften
gefangen genommen worden.
Beide hatten schon vor dem Krieg
in der Ukraine gelebt,
waren dort verheiratet.
Gegen sie kämpfende Ausländer
werden von Russland
generell als Söldner betrachtet,
nicht als Kombattanten.
Deshalb gelten für sie
keine internationalen Gesetze
zum Schutz von Kriegsgefangenen.
Sollte ein Gnadengesuch Erfolg haben,
könnten es lebenslange Haft
oder 25 Jahre Strafkolonie werden.
Wenn nicht:
Erschießung.“
Und das dann ganz standesrechtlich.
So geht Gerechtigkeit
im Krieg der Gegenwart.
Aber auch in den Resten der Gegenwart
ging es in dieser Woche
im Grunde genommen
ständig nur um eins:
Gerechtigkeit.
Oder eher um das,
was jede*r so darunter versteht.
Gerechtigkeit ist ja schließlich
für alle da.
Und gleich zu Wochenbeginn
gab es einen ersten Sieg der Gerechtigkeit
zu bejubeln:
Ab 2024 gibt es nur noch
einheitliche Ladekabel für die Schwarzen Spiegel.
Barrierefreier Stromverbrauch. Top.
Sogar bei den bundesweiten Streitereien
um die Ungerechtigkeit des 9-Euro-Tickets
(z.b. nix für Rollstuhlfahrer)
gibt es faire Lösungen,
wie z.B. auf Hiddensee:
Die „Weiße Flotte“ weigert sich zwar,
sich selbst als Teil des ÖPNV zu sehen,
dafür dürfen aber erst mal
alle Hiddenseer*innen umsonst
auf Festland und zurück.
Touris zahlen weiterhin Aufschlag
Nur ungerecht ist das schon mal nicht.
Unterdessen
gründen ein Haufen
beleidigter Leberwürste,
allen voran
Deniz Yücel,
Eva Menasse,
Dirk von Lotzow,
Jasmin Schreiber
(und zu viele weitere Enttäuschungen)
den PEN-Berlin.
Der sich folgendes auf die Fahne schreibt:
Notwendiger Fortschritt
hin zu einer höher(!) organisierten(!!)
politischen und wirtschaftlichen Ordnung(!!!).
Die Schriftellerei im Dienste
der transnationalen Leitkultur.
Die „Querfront von Springers Gnaden“ (AG)
stellt also
den Neuen Deutschen Kanon.
Die Stände auf der Frankfurter Buchmesse
im Herbst
sind schon verteilt.
Mich wundert nur,
dass Benjamin von Stuckrad-Barre
nicht gleich Mitglied geworden ist.
Steigbügelhalten
ist doch eigentlich sein Ding.
Aber solche Meldungen erscheinen
unter den Kanoneneinschlägen
der „Breaking News“
tatsächlich nur noch
wie kulturelles Unkraut,
das man getrost wachsen lassen kann.
Doch jede Neuigkeit
muss immerhin zu ihrem Recht
kommen dürfen!
Deswegen macht die tagesschau
jetzt auch das genaue Gegenteil
von CNN.
Es gibt ab sofort
nicht etwa weniger News,
sondern noch viel mehr!
Und dafür kann man
sogar noch bezahlen:
Premium-Push-Nachrichten.
Ist die Krisenstimmung
inzwischen wirklich so abgeflaut?
Ist die maximale Abstumpfung
etwa bald erreicht?
Befinden wir uns nur noch
in einem Survival-Autopilot-Modus,
auf dem uns die regelmäßigen Erinnerungen
daran, was gerade wichtig ist,
durch das nie Dagewesene leiten?
Dabei sind Prioritäten bei der Auswahl nach Relevanz
bei dieser permanenten Aktualisierung
noch nicht ganz klar;
die Redaktionen lernen noch.
Ein paar Beweisstücke:
Am Montag
gleich mal die erste Eilmeldung,
diesmal weder wegen Krieg,
noch wegen Politik:
Schießerei in einem Supermarkt.
In Schwalmstadt (Hessen).
Sehr bald wird klar:
Beziehungstat.
Also nicht mal was
für die Hauptnachrichten.
Eigentlich.
Am Dienstag, 16.36 Uhr.
Dieses Mal keine Eilmeldung.
Und man fragt sich umgehend,
warum eine Beziehungstat
in einer Kleinstadt
(kleiner als Quedlinburg)
mehr Aufmerksamkeit erregt
als die endgültige Entscheidung
des russischen Parlaments
sich nicht weiter an Urteile
des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte halten.
Und zwar rückwirkend bis zum 15. März.
Am Mittwoch, wieder als Eilmeldung:
Schwerer Verkehrsunfall
am Berliner Breitscheidplatz.
Eine tote Lehrerin,
viele verletzte Schüler*innen und Passanten.
Und während man sich darüber ärgert,
dass hier wieder nur
ein tragisches Ereignis
zu nationaler Tragweite aufgeblasen wird,
trudeln die nächsten Meldungen ein:
Es war vielleicht doch Absicht.
Also Terror.
Nur gegen wen?
Gegen Schulklassen?
Am Abend steht die Oberbürgermeisterin daneben,
als von „Plakaten über die Türkei“ die Rede ist,
die sich im Anschlagsauto befunden haben.
Terror im Namen des Islam?
Oder Terror dagegen?
In der Nacht einigt man sich
beim Wording auf
„Amokfahrt eines paranoid Schizophrenen“;
wie immer,
wenn sich Terror
nicht so leicht für politische Zwecke eignet.
Nicht mal die Sicherheitsapologeten
nutzen die Tat.
Oder wenigstens die Umweltbewegung:
Autofreie Innenstädte jetzt!
Nur mal so als Win-Win-Idee.
Am Donnerstag:
wiederum aber keine Pushnachricht mehr wert:
Die Grünen schärfen ihre Außenpolitik
inzwischen mit dem Schwert der Justizia:
Die Vize-Fraktionschefin, Agnieszka Brugger,
forderte gegenüber dem „Spiegel“,
dass ein neues Gesetz
(Erleichterung von Waffenexporten)
mehr Klarheit und Konsequenz bringen müsse.
Demnach müssten Staaten wie die Ukraine,
die friedlich seien
und „westliche Werte“(!) vertreten würden,
bei Exporten weniger restriktiv behandelt werden.
Zugleich müsse die Bundesregierung
„die sicherheitspolitische Dummheit beenden,
aggressive Autokraten und Menschenrechtsverletzer
mit deutschen Waffen zu belohnen“.
Frieden schaffen mit noch mehr Waffen;
das Lied bleibt hängen.
Unterdessen
im Mutterland
des modernen Justizthrillers (USA)
(hierzulande aber nicht eine einzige Eilmeldung):
Justice Kavanaugh,
die Heulsuse unter den misogynen Biertrinkern,
ist nur knapp einem Attentat entkommen.
Der Attentäter begründet seine Anschlagspläne
mit dem offen rechtskonservativen Gebahren
des Obersten Bundesrichters von Trumps Gnaden.
Der „Wokismus“ tritt aus
dem Schatten der inneren Militanz.
Nur zwei Tage später
beginnen die ersten öffentlichen Anhörungen
des „January 6th Committee“.
Nur lächerliche 17 Monate
nach dem „Sturm auf das Kapitol“
wird jetzt, offiziell und justiziabel
festgestellt,
dass die ganze Nummer
ein echter Staatsstreich werden sollte.
Hauptschuldiger:
der Frisurensohn.
Ob und wann
Trump selbst
aussagen wird,
bleibt weiterhin im Ungewissen.
Dessen Anwälte sind demnächst
aber sowieso anderweitig beschäftigt.
Am 15. Juli soll auch endlich das Betrugsverfahren
gegen ihn und seine Familienfirma
in New York eröffnet werden.
In den USA gibt es
aber auch noch andere Highlights der modernen Rechtssprechung,
sogar sympathische:
Daequan Smith,
Held des Arbeitskampfes gegen Amazon,
wurde vor Gericht gefragt,
für wen er denn spreche,
wenn er sagt:
„We‘re not slaves,
we‘re not robots.“
Seine Antwort:
Für alle.
Da pendelt sich
Justizias Waage
tatsächlich ganz kurz mal ein.
Gerechtigkeit ist und bleibt
also das Wort der Woche;
also genau noch so lange,
bis es nächste Woche
vom nächsten Wort der Woche
abgelöst wird.
Alles ist mal wichtig.
Und erst nach dem Fressen
kommt die Moral;
das wussten die letzten 20er
so gut wie diese.
Nur heute ist es eben etwas differenzierter:
Landwirtschaftsminister Özdemir
fordert den Wegfall
der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel.
Aber nur auf die guten:
Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte,
gesundes Essen
billig für alle!
Schweinefleisch nur noch für die Bonzen!
Jeder isst, was er verdient.
In Sachen Fairness
werden in dieser Woche
sogar beim Profisport neue Regeln eingezogen.
Zumindest geht es aber um Geld,
das mal den umgekehrten Weg,
weg von der Macht, einnimmt.
Ex-UEFA-Präsident Michel Platini
und Ex-FIFA-Präsident Sepp Blatter
sitzen auf der Anklagebank
des Schweizer Bundesstrafgerichts in Bellinzona.
Ein Jurist stellt dazu nüchtern fest:
„Die FIFA ist eben so korrupt
wie die ganze Welt,
diesen Beweis hätte es eigentlich
gar nicht mehr gebraucht.“
Wenigstens steht es um die Korruption
überall gleich.
Auch der US-Turnverband
macht grad Purzelbäume vor den Richterbänken:
Mehrere Turnerinnen
(darunter Superstar Simone Biles)
verklagen das FBI
auf eine Milliarde Schadensersatz,
wegen Strafvereitelung im Amt,
wegen der unterlassenen Verhinderung
des weiteren Missbrauchs junger Athletinnen
durch den Verbandsarzt Larry Nassar.
Und sogar den Bodensatz des Profisports,
die Fußball-Hooliganszene,
lässt Justizia in dieser Woche nicht so recht schalten und walten.
Am Rande des Nations League Spiels
Deutschland gegen England
in München,
gab es nicht nur ein ausgewogenes 1:1,
sondern auch drei Verhaftungen
englischer Hools,
denen nicht klar zu sein schien,
dass Hitlergrüße in Deutschland
unter Strafe stehen.
Also wenigstens für Ausländer.
Unterdessen
eskaliert der Weltwirtschaftskrieg
gemächlich vor sich hin.
Es wird seit ein paar Tagen ganz offen
über „Strafzölle“ im EU-Raum diskutiert.
Nicht, dass noch die falsche Seite
von irgendwelchen halbgaren
Sanktionen profitiert.
Die EZB hat auch die Nase voll,
der Leitzins wird
entgegen aller Vernunft angehoben.
Wird schon klappen.
Auch in der Türkei
zeigt man sich entschlossen,
die Vereledung erst mal
nicht noch schlimmer werden zu lassen:
Die Inflation soll
mit irgendwelchen Maßnahmen gestoppt werden.
Wird bestimmt auch klappen.
In den USA ist übrigens
auch das nächste Inflationshoch bekannt geworden,
und sogar der Sprit wird da teurer.
Glück für Bleifüße,
geteiltes Leid ist halbes Leid.
Und Leute,
das gilt akut sogar
für die Klimagerechtigkeit.
Nur eben noch auf die unerwünschte Weise.
Weswegen auch nicht groß darüber geredet wird.
Aber wenn‘s schon alles hitziger wird,
dann doch wenigstens für alle gleich.
Nicht etwa in Indien,
dem Nahen Osten
oder dem Sahel
macht die letzte Hitzewelle
keine Unterschiede zwischen den Menschen,
sondern zur Zeit in Spanien.
45°C im Durchschnitt.
In den USA bereitet man sich hingegen
auf die schlimmste Hurrican-Saison
der Geschichte vor,
wie schon in den letzten paar Jahren.
Aber keine Sorge,
die Politik reagiert noch rechtzeitig,
als ob die Gerechtigkeit
noch eine Rolle spielen würde:
Denn wenigstens die EU
beschließt endgültig das Aus
für Verbrenner.
Also für einige.
Und erst in 13 Jahren.
Gerechterweise müsste ich jetzt
noch einen ganzen Absatz
über die erfolgreich angelaufene Festivalsaison schreiben,
wo jetzt aber auch wirklich noch die letzten
ihre Chance auf eine Infektion bekommen.
Denn die Infektionszahlen sinken
erstmals seit April
nicht mehr.
Die Kurve schlägt wieder
in die andere Richtung aus.
Was Massenveranstaltungen,
übervolle Verkehrsmittel
und völlig regelbefreite Schulen
damit zu tun haben sollen,
und warum niemand
über den Herbst reden will,
liegt freilich auf der Hand.
Egal.
Denn, auch wenn doch noch alles
wieder ausfallen sollte,
ich habe schon einen Alternativplan:
Barbara Salesch kommt zurück!
Anstelle draußen das Leben am Laufen zu halten,
rufen wieder der Sessel
und die Rechtsprechung für Anfänger
auf irgendeinem Schwarzen Spiegel.
Wie schon vor knapp 25 Jahren.
Anyways,
ich gehe jetzt zum 25. Geburtstag der Reiche,
hoffe, dass das drohende Gewitter
Gnade walten lässt
und bestaune Gen-Zettis dabei,
wie sie Metallica
nicht vergessen können.
Und damit machen
#DieDoppeltenZwanziger
endlich, wirklich und wahrhaftig
Sommerpause.

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