„What would you do?
If you saw spaceships, over Glasgow?
Would you fear them?
Every aircraft,
every camera
is a wish
that wasn’t granted.“
(Mogwai: Take me somewhere nice. 2001.)
So.
Alles wieder da.
Vor einer Woche
stand ich noch am Clyde,
bei schönstem Herbstwetter,
abends, mit offener Jacke,
vor dem Hydro an.
Und heute?
Hier?
Der erste echte Novembernebel des Jahres.
Den ganzen Tag
hängt das Grau bis auf die Dächer.
Der Winter kommt
also vielleicht doch noch.
Denn ginge es nach den Apfelbäumen
in den Schrebergärten,
war bis gestern
schon wieder Frühling.
Blüten und Bienen.
Und wer jetzt eine irgendwie
clever seiende Überleitung
zum obligatorischen Klimablock der Episode erwartet,
der erwartet richtig.
Nur habe ich heute keine Lust
und auch zu wenig Zeit,
um clever sein zu wollen.
Auch nicht irgendwie.
Keine Zeit
für ironisches Selbstmitleid,
oder sarkastisch verschleierte Pseudoempörung
über den fast dreijährigen Frustmarathon,
der dieses Jahrzehnt immer noch ist.
Lust hat da keiner mehr drauf.
#DieDoppeltenZwanziger
haben sich deswegen
für’s erste ausgeseufzt
und starren dem Abgrund
von nun an
nur noch stoisch ins Gesicht.
Hilft doch alles nichts.
Nur noch Zen.
Tapferes Aushalten.
Weiter, weiter.
Immer weiter.
Bis alles zu Staub zerfallen ist,
und noch darüber hinaus.
Denn nach Buddha,
beziehungsweise einer seiner Wiedergänger*innen,
leben wir nun mal im „Messerstecherzeitalter“,
was ein ebenso hässliches
wie treffendes Wort ist.
Buddha sagt aber auch,
dass danach
wieder ein anderes,
dann wieder viel
besseres Zeitalter kommt.
Ach, würde ich doch
an Prophezeiungen glauben können,
die auch nur Reflexionen
unserer innersten Hoffnungen sind.
Aber vielleicht hat Buddha ja
aber auch recht,
auch das kann ich immerhin
genauso wenig wissen.
Also kann ich genauso gut
vorerst bei der Hoffnung bleiben.
Ändert immerhin auch bloß nichts.
Demnächst startet übrigens
die passende Serie zum Thema,
in niedlich und lustig:
Die famosen Ghibli Studios
haben sich mit dem StarWars-Franchise verschwestert
und haben sich was ganz süßes ausgedacht:
„Zen – Grogu and Dust Bunnies“.
Baby-Joda gibt Lehrstunden in Resilienz.
Der Eskapismus obsiegt erneut.
Eigentlich habe ich so wenig Lust und Zeit,
dass #DieDoppeltenZwanziger
fast mit ihrem Zeitplan gebrochen hätten,
aber dann ist passiert,
was halt immer passiert:
Alles.
Zum Beispiel heute:
Bombenanschlag in Istanbul.
Zur besten Zeit
auf dem belebtesten Markt der Metropole.
Bis jetzt vier Todesopfer,
dutzende Verletzte.
Und Angst
für mindestens 24 Stunden.
Ich wollte ja aber mit dem Klima beginnen.
Da ist auch das mit der Angst
auch deutlich nachhaltiger.
Momentan findet die 27. Internationale Klimakonferenz
in Ägypten statt;
die Gäste sind natürlich durch die Bank
mit Jets angereist.
Beschlossen werden braucht da nichts mehr,
man einigt sich einfach
noch mal auf das,
was nicht mehr zu erreichen ist.
Genauso wichtig ist nämlich,
dass sich Macron
mit dem neuen UK-Vertreter versteht;
die nächste Bromance des französischen Charmeurs.
Und während der nächste Hurrican
daheim, über Florida zieht,
verspricht Joe Biden,
dass wir das schon schaffen.
No Joe, we do not.
Allein der Globale Süden
bräuchte ab sofort
2,4 Billionen Dollar pro Jahr,
um die unausweichlichen Folgen der Katastrophe
halbwegs erträglich zu machen…
Bei uns daheim
wird deswegen auch lieber
über die Folgen der Klimaproteste diskutiert.
Die einen (CDU) meinen,
dass das alles schon viel zu radikal ist,
und fordern härtere Strafen
für die Letzte Generation.
Die anderen (ZPS) meinen,
dass das alles noch lange nicht radikal genug ist
und schlagen vor, das nächste Mal
lieber mit Hämmern in die Museen zu gehen.
Aufhalten wird das die Katastrophe
ziemlich wahrscheinlich aber auch bloß nicht.
Ändern wird sich (Stand heute)
auch in den US of A nichts.
Oder nicht sehr viel.
Das allerdings
sind eher gute Nachrichten.
Denn im Vorfeld der Midterms
ging es, wie immer,
hoch her:
Noch kurz
bevor mal wieder über
das Funktionieren
der wichtigsten Demokratie der Welt
entschieden werden durfte,
mischen sich noch mal alle Hirnis ein:
Wagner-Boss Prigoschin gibt zu,
man habe sich eingemischt,
man will es weiter tun.
Das kann Elon Musk
nicht auf sich sitzen lassen,
zumal es prima vom Twitterdebakel ablenkt:
Der Techtrilliardär empfiehlt,
die Republikaner zu wählen.
Deren Oberhirni
fährt derweil das exakt selbe Skript
wie beim letzten Mal:
„Unregelmäßigkeiten??
Betrug?!
Proteste!!“
Für den 6. Dezember
werden für Georgia
(Stichwahl um den letzten Senatssitz)
die Sicherheitsstufen erneut hochgefahren.
Im Kongress ist bis heute Abend
noch immer nichts entschieden.
Aber!
Es sieht so aus,
als ob die Prognosen
wieder ziemlich unzuverlässig waren:
Die „Red Wave“ bleibt allem Anschein nach aus.
Im Gegenteil.
In Kentucky(!) hat die Mehrheit
für ein allgemeines Recht
auf Schwangerschaftsunterbrechung gestimmt.
Marjori
– ich werde den Schuss auch in Zukunft nicht hören –
Taylor Greene hat es zwar wieder in den Kongress geschafft,
AOC aber auch.
Und The Squad hat wie nebenbei
weitere Verstärkung bekommen:
Maxwell Frost (25)
ist der erste seiner Generation („Gen Z“)
im US-amerikanischen Unterhaus.
Die beiden Top-Wahlkampfthemen
waren zuletzt:
Inflation und Abtreibung.
So betrachtet,
sind es also gute Nachrichten,
dass, erstens
die (Sozial-)Demokraten
am Drücker bleiben,
und zweitens
was auch immer
für eine Revolution
da in Kentucky passiert ist.
Der moralische Kleiderbügel der Reaktionären (Fox-News)
entscheidet sich deswegen
bereits auch für seinen neuen Anzug:
Ron DeSantis (Florida)
ist einfach noch nicht ganz so abgehangen
wie das Toupet des Frisurensohns.
Bleiben wir ruhig
bei den auffällig guten Neuigkeiten,
als nächstes aus der Rubrik
„Menschlichkeit, es gibt dich noch“:
Die „Humantiy 1“,
die wochenlang vor Catania gelegen hatte,
musste zwar erst noch
einen Hungerstreik beginnen lassen,
durfte dann aber doch endlich anlegen.
Eine „Erlösung“,
die Giorgia Meloni,
und vor allem Salvini
wohl kaum in ihre PR-Strategie passen dürfte,
aber hey,
es ist doch bald Weihnachten!
Wo sind wir denn?
Im Nachbarland des Katholizismus?
Trotzdem muss erwähnt bleiben,
dass die Faschos bis jetzt,
zumindest nach außen,
die Füße still halten.
Wölfe bleiben allerdings Wölfe,
egal wie kuschelig das Schafsfell ist.
Niemals vergessen!
Gute Nachrichten
(was ist denn nur los auf einmal?)
gibt es auch,
was das liebe Geld angeht:
Die Wirtschaftsweisen,
früher mal die Dreifaltigkeit
des deutschen Neoliberalismus,
fordern doch allen Ernstes
die Erhöhung des Spitzensteuersatzes.
Da denkt sich Olaf Scholz,
das wären so gute Nachrichten,
da fällt unser dreckiger Deal mit China
(140 Airbus-Passagierjets für 17 Milliarden Dollar)
gar nicht weiter auf;
die kleinste Violine der Welt
klingt auch,
wenn sie ganz leise gespielt wird.
Und leiser,
leiser wird es sogar im Ukrainekrieg.
Denn auch für den kommt der Winter.
Es wird sogar wieder behauptet,
die Hoffnung auf Verhandlungen wächst.
Da kommt Sean Penn gleich
endlich persönlich vorbei,
um Wolodymyr Selenskyj
seinen Oscar zu überreichen;
und in Absurdistan
hat jemand Schluckauf.
Um die beste Nachricht der Woche
gleich wieder einzutrüben,
haben Russland und Indien
zwar noch schnell
ihre gemeinsamen Rüstungsbemühungen verstärkt,
aber am Mittwoch war es soweit:
Rückzug aus Cherson!
Nur wenige Stunden vorher
war der Vizeverwaltungschef des annektierten Oblasts
bei einem Unfall ums Leben gekommen,
aber das war sicher nur Zufall.
Seit Freitag sind alle Truppen
auf das Ostufer des Dnipro verlegt,
die Brücken abgerissen.
Selenskyj kann
von einem „historischen Tag“ sprechen.
Ukrainische Truppen
rücken zuhauf in die Stadt ein.
Und Russland demonstriert nur kurz,
wie ein Beschuss
des geräumten Schlachtfeldes aussehen könnte;
historisch fürwahr!
Insgesamt zählen die verschiedensten Organisationen
bereits über 200.000 Kriegopfer
in den vergangenen neun Monaten.
Und während Russland neue Gebietsgewinne
im Hauptziel Donezk meldet,
melde, nicht nur ich,
das bis jetzt traurig-schönste,
das dieser Krieg hervorgebracht hat:
Kunst in ihrer allerbesten Form.
Weil absolut ohne Kunstbetrieb.
Bis heute Abend sind bereits
drei neue Werke von Bansky
an zerschossenen Fassaden
in der Ukraine aufgetaucht:
Zwei grazil turnende Gymnastinnen
in Borodjanka und Irpin,
eine davon mit Halskrause,
und ein kleiner Judoka,
der einen viel größeren, alten
auf die Matte schickt.
Die Zukunft ist ein hoffnungsvolles Graffiti
in schwarz-weiß.
Sogar Putin selbst
hat kurz vor dem G20-Gipfel
die rosa Brille auf
und schwärmt von einer
„Symphonie der multipolaren Welt“,
zu der er nicht mal wirklich eingeladen ist.
Also,
ich weiß auch nicht genau,
aber die heutige Episode ist
viel weniger niederschmetternd,
als ich das vor wenigen Stunden
noch angenommen hatte.
Und ich bin sogar
noch nicht mal fertig.
Auch an der Nazifront
eher gute als schlechte Meldungen:
Bernd Kohlmann (Freie Sachsen)
ist wegen Volksverhetzung verurteilt wurden.
Just like that.
Nach nur wenigen Jahren.
Und,
und jetzt brat mir doch einer einen Storch,
auch pandemiemäßig
ist alles zunehmend im Lot angelangt.
Die nächste Covid-19-Talsohle
ist schneller erreicht als erhofft,
und 90% Grundimmunität
sind eine okaye Ausgangsposition
für die große Winterwelle.
So. Let. It. Go!
Isolationspflicht?
Weg damit!
Grippewelle deluxe?
Das mit der Vorbeugung
(in den Ellenbogen niesen,
Händewaschen)
haben ja jetzt die meisten
(theoretisch) drauf.
Ehrlich,
diese Zen-Haltung,
einfach toll.
Ein paar mal nur tief Luft holen,
und dann
den großen Weltschmerzseufzer
einfach wegatmen.
Viel besser noch als Karneval,
der zwar seit vorgestern läuft,
aber inzwischen ungefähr genauso relevant ist,
wie die anstehende Fußball-WM.
Alles bleibt im Fluss.
Die Wellen schlagen auf und nieder.
Sogar bei Luka Doncic.
Nach zwei mittelmäßigen Auswärtsspielen
zerfickt er die noch deutlich besseren
Portland Trailblazers
in Dallas
im Gottmodus:
42 Punkte, 13 Rebounds, 10 Assists
und der Heimsieg.
So eine Statline
haben in der gesamten Ligageschichte
weniger als 10 Menschen hingelegt.
Er hat schon sechs davon.
Und ist noch keine 24.
Das Ende der Geschichte
ist vielleicht doch kein Witz,
aber schön zu sehen,
dass sie trotzdem weitergeht.
Manchmal.
Eigentlich.
Irgendwie.
Seufz.

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