„Shhhh, Shhhh.
It’s nice and quiet.
Shhhh, Shhhh.
But soon again,
shhhh, shhhh,
starts another big riot.“
(Björk: It’s Oh So Quiet. 1995.)
So.
Ich habe lange genug gewartet.
Demnächst sprießen hier die ersten Krokusse,
und irgendwelche Vögel
fangen dann
schon vor dem Aufstehen an zu zwitschern,
aber der groß angekündigte „Wutwinter“,
von dem ist immer noch
nichts zu merken.
Also zumindest nicht hier
in der Provinz.
Also nicht wirklich,
aber dazu gleich mehr.
Anscheinend reicht die Wut
einfach nicht aus.
Oder sie bringt, außer Frust,
nichts ein.
Oder beides.
Bevor ich Euch aber erneut mitnehme
auf den Quedlinburger Markt,
müssen wir einen kurzen Blick
über den Schnitzeltellerrand werfen.
Woanders ist nämlich Wutwinter,
und das schon den ganzen Winter lang.
Denn falls sich jemand gewundert haben sollte,
warum hier schon so ewig nicht
das rote Telefon geklingelt hat,
und also London so schweigsam ist,
dem sei mitgeteilt,
dass der Grund dafür
schlichte Arbeitsverweigerung ist.
Egal, wann ich angerufen habe,
egal, wie lange ich es habe klingeln lassen:
Nichts.
Stille.
Nicht mal ein Rauschen
am anderen Ende der Leitung.
Angefangen hat wohl alles
kurz vor Weihnachten:
100.000 Pflegekräfte
legten im UK
ihre Arbeit nieder.
Und machen damit bis heute weiter,
so gut es die Pflegesituation zulässt,
und das ist nicht besonders gut.
Aber kein Wunder
bei einem durchschnittlichen Jahresgehalt
von 32.000 Euro (brutto).
Dass Pflegekräfte
nicht zu den absoluten Topverdienern
einer Gesellschaft gehören,
das werde ich nicht mehr verstehen.
Sei’s drum,
sie blieben nicht allein.
Über Weihnachten
kam auch der gesamte Zugverkehr zum Stillstand
und alle davon abhängigen Logistiker,
also auch Flugzeuge.
Dann folgten die Postmitarbeiter*innen.
Seit Wochen werden ganze Straßenzüge
nur noch einmal pro Woche abgelaufen.
Inzwischen machen so gut wie alle mit:
Rechtsanwält*innen, Müllmänner,
Hochschulpersonal, Lehrer*innen,
Journalist*innen und Busfahrer*innen,
Sanitäter*innen und sogar Callcenteragents,
sowie Techniker*innen bei der British Telecom;
was ebenfalls meine tote Leitung
nach London erklären könnte.
Im Grunde also ein Generalstreik
in Salamitaktik.
Heißt das etwa,
es geht mal wieder ein Gespenst um
in Europa?
Na ja, das noch nicht,
aber zumindest die Arbeiterklasse
scheint wieder da zu sein,
und das natürlich zuerst im UK,
weil Geschichte sich anscheinend
zwangsneurotisch wiederholt.
Steht also ein Britischer Frühling ins Haus?
Noch versuchen die Tories das zu verhindern,
mit der Planung eines Anti-Streik-Gesetzes.
Das allerdings könnte
erst recht den ersten echten Generalstreik seit 96 Jahren
nach sich ziehen.
Oder wie es Mick Lynch,
die aktuelle Gallionsfigur der britischen Arbeiterbewegung
kürzlich ausdrückte:
„Die Arbeiterklasse ist zurück.
Wir weigern uns,
sanftmütig zu sein,
wir weigern uns,
auf Politiker und Politikerinnen zu warten –
und wir weigern uns,
weiterhin arm zu sein.“
Holla,
da sind aber ein paar Leute ziemlich wütend.
Und die finden sogar noch
wirksame und nicht lächerliche Mittel,
diese Wut zu kanalisieren.
Das sind,
wenn schon keine neuen,
dann doch wenigstens die richtigen Töne.
Ob das Gespenst weiter wandert,
bleibt abzuwarten.
In Italien streiken
immerhin die Tankstellenbetreiber.
Giorgia Meloni ist aber gerade
so sehr damit beschäftigt,
nicht zu sehr unangenehm aufzufallen,
dass sie nicht gleich
die Sturmtruppen losschickt.
Und es ist ja auch nicht so,
dass hierzulande nur Hirnis
montags wegen irgendwas wütend sind,
das sie einfach nur nicht verstehen,
auch hier ist es verhältnismäßig prekär,
aber eben so auf die Deutschlandart,
also organisiert und ja nicht zu dolle.
Die Post nimmt sich momentan
ein Beispiel an den britischen Kollegen,
nur eben nicht wirklich flächendeckend.
Der BER lag auch mal kurz still,
aber wenig wirksam.
Interessanter könnte es da schon
im Öffentlichen Dienst werden.
Aktuell fordern die Gewerkschaften
mindestens 10% mehr Lohn
und warnen bereits mit Streiks.
Und besonders bei meinen Kolleg*innen
brodelt es mächtig.
Erst wurde mal so eben
eine Arbeitszeiterhöhung beschlossen.
Zwar nur um eine Unterrichtsstunde
(weil: Personalmangel),
aber wie alle wissen,
zieht jede Stunde eine weitere nach sich
(Vor- und Nachbereitung).
Im Schnitt sprechen wir jetzt also
von ca. 55 Stunden pro Woche,
je nach dem, wie ernst jede*r seinen Beruf nimmt.
Die KMK hat aber eine Lösung.
Nein, nicht mehr Geld,
oder mehr Urlaub.
Sondern Yoga– und Achtsamkeitskurse.
Zusätzlich.
Und ich dachte,
New-Age Solutions sind Gift
für den Beamtenapparat.
Voraussichtlich werden aber auch diese Krisen
zu keinem (verspäteten) Wutwinter führen.
Dazu ist die Stimmung einfach
zu überraschend gut.
Rezession?
Kommt nicht.
Inflation?
Flacht wieder ab.
Gasmangellage?
Abgewendet.
Selbst der Euro wird wieder
stärker als der Dollar.
Und diese Erfolgsgeschichte hat sogar
einen super schicken,
ja fast schon freshen Namen:
Das „Deutschlandtempo“.
Auf Sicht fahren,
solange es noch etwas zu sehen gibt.
In den Wind geschlagen
werden die Warnungen
vor der anstehenden Deindustrialisierung,
außerdem hat man ja noch
den militärisch-industriellen Komplex,
in dem neue Schichtformate
erfunden werden können.
Und dass der Sprit wieder
genauso teuer wie vor einem halben Jahr ist,
das reicht auch für keine Aufstände mehr.
Und die Hauptstadt dieses Deutschlandtempos,
die heißt immer noch Quedlinburg;
und im Grunde bin ich darüber unfassbar froh.
Bloß nichts neues!
Das bedeutet doch sowieso
nie auch etwas gutes.
Erfahrungswerte.
In diesem Sinne also
der versprochene Blick auf den Marktplatz,
es ist der 30. Januar(!), Montag Abend, 18 Uhr:
Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt,
leichtem Nieselregen
und gar nicht mal so leichtem Wind
stehen sich ungefähr 50 Menschen
vor dem dunklen Rathaus
die Beine in die weit sichtbaren Bäuche
als sich aus Richtung Theaterberg
ein Trommelzug nähert.
Und er ist nicht nur weithin zu hören,
sondern auch gut zu sehen.
Nein, kein Fackellicht (Niesel!),
sämtliche Schlaginstrumente
sind äußerst geschmacklos
mit LED-Ketten verziert,
einige davon blinken sogar,
allerdings nicht im Takt.
Als die Trommler sich mit den Demonstranten
(„Frieden, Freiheit, Souveränität“) vereint haben,
werden die Flaggen gehisst:
Preussen,
Russland,
Sachsen-Anhalt (schwarz-weiß-rot),
kleine, weiße Friedenstaube.
Dann ein Knistern in der Box:
Die Rede beginnt.
Die bereits bekannte Einschlafhilfe vom Dienst
bringt es heute auf nicht mal zehn Minuten,
und die Flaggen flattern so laut,
dass man nur Fetzen versteht,
wenn man nicht direkt vor der Box steht.
Irgendwas mit Dritter Weltkrieg,
für die Freiheit irgendwelcher Kinder,
und gegen diese verdammte Polizei,
die hier mal wieder total eskalieren würde.
Alles klingt so abgedroschen wie es ist,
und die Polizei eskaliert,
in dem sie den Mann einfach reden lässt.
Es kann sein, dass der Wind
die Geräusche verweht hat,
aber ich habe nicht ein Mal
so etwas wie Applaus gehört.
Top Rede also mal wieder.
Und so ziehen sie
also aufgeheizt wie nur was
um die Häuser.
Für die Freiheit.
Gegen die Unterdrückung.
Absolut
nichts
Neues.
Gut so.
Zwischennotiz, Mittwoch, 25. Januar (vor zehn Tagen)
In zehn Tagen
will ich erst weiterschreiben…
Aber eine der vielen Paradoxien der Gegenwart
ist gerade so undeutlich deutlich,
ist so unwirklich wirklich,
so unreal real,
unecht echt,
dass ich mir die halbe Stunde
jetzt dann doch mal nehme.
Um darüber zu schwadronieren,
ob Paradoxa,
Antithetik
und Dialektik
nicht einfach ein
und die selbe Soße sind.
Aber urteilt selbst.
Denn die folgenden,
schwer historischen Ereignisse
haben sich innerhalb der letzten beiden Tage
die kulturhistorisch-materialistische Klinke
in die Hand gegeben.
Am Dienstag
wurden die diesjährigen Oscarnominierungen bekannt gegeben.
Natürlich wird auch wieder
zu recht viel über fehlende Diversity
und mangelhafte Equality diskutiert.
Wie aber allen klar ist,
muss es dieses Jahr
um etwas anderes gehen.
Und der einzige Kriegsfilm,
noch mehr als jeder andere echte Kriegsfilm
ein Antikriegsfilm,
kommt in diesem Jahr
aus Deutschland,
ist natürlich eine Netflix-Produktion
und ist in so ziemlich allen
relevanten Topkategorien nominiert.
Selbst die ausgebliebenen Nominierungen
(Cast und Regie)
passen ins neopazifistische Bild
(keine Helden).
Zum ersten Mal
in der Geschichte der Academy
hat ein deutscher Film
die Chance,
Best Picture zu sein.
Ein deutscher Antikriegsfilm.
Der deutsche Antikriegsfilm.
Nach Dem deutschen Antikriegsroman.
Zu „Im Westen nichts Neues“
brauche ich hier nichts mehr zu schreiben,
warum sagt der Titel selbst,
und jede meiner bisherigen Zeilen
über den Krieg,
egal welchen,
fühlt sich diesem Jahrtausendroman
aufs Tiefste verpflichtet.
Mein ernstgemeinter Tipp:
Bestes adaptiertes Drehbuch,
Bestes Szenenbild,
Bester internationaler Film,
Bester Film.
Weil wichtigster Film.
Weil einzig richtiger Film.
Weil Antikriegsfilm.
Und wegen mir auch,
weil aus(gerechnet) Deutschland.
Heute, am Mittwoch,
also keine 24 Stunden später,
wird die „Panzerkoalition“
gegen Russland geschmiedet,
und das nicht mal in Ramstein,
einige nennen sie auch liebevoll „Panzerallianz“.
Denn nach wochenlangem „Panzerpoker“
sagt jetzt auch Deutschland
die baldige Lieferung
von aktuell 14 Kampfpanzern
der Topklasse
in ein Kriegsgebiet zu.
Vorher hatte Scholz sogar noch die Eier,
die USA mit reinzuziehen
(„Wir liefern, wenn ihr auch liefert.“).
Dort aber gelten Kampfpanzer
inzwischen ganz offiziell
als Verteidigungswaffen.
Und das sorge dann
eben auch irgendwie
für „Risse“
zwischen Deutschland und den USA,
oder so ähnlich.
Egal.
Stand heute können
in circa drei Monaten
ungefähr zwei komplette Bataillone
(knapp 100 Kampfpanzer
und etliche zusätzliche Schützenpanzer)
gestellt werden,
benutzen müssen die aber die Ukrainer selbst.
Weswegen die Nato
auch nicht in den Krieg eingreift.
Sagt sie.
Und das aller bescheuertste
an der ganzen Scheiße ist,
dass das russische Militär behauptet,
dass das wenig bis gar nichts ändern wird.
Was auch sehr wahrscheinlich stimmt.
Außer für die Rüstungsschmieden
im Westen
und im Osten.
Die haben endlich
was Neues.
Gut.
Oder eben schlecht.
Jedenfalls bleibt einen Monat
nach Jahreswechsel festzuhalten:
Die Eskalation bleibt der Status Quo.
Die Fronten stehen fest,
es knallt ohne Pause,
und wir sind eingewöhnt.
Schon im Moment
der nächsten Schocknachricht
beruhigen wir uns sofort wieder,
weil das Aufregen nicht nur ungesund,
sondern auch vollkommen sinnlos erscheint.
Eine Woche voller Mass Shootings
und Nachahmungstaten in den USA?
Weiße Polizisten ermorden
öffentlich einen Schwarzen?
War das denn je anders?
Der Nahostkonflikt eskaliert erneut?
Ausgerechnet am 27. Januar?
Es fliegen Raketen?
Es versammeln sich trotzdem 150.000 Menschen
in Tel-Aviv und Jerusalem,
gegen Netanyahu?
Mass Shooting auch in Ostjerusalem?
Radikale Entschärfung des zivilen Waffenrechts?
Sippenhaft?
Beendete Sicherheitskooperation
mit den Palästinensern?
Eigentlich also Krieg?
Diese Nachrichten gehören zur Normalität
und sind ein ständiges Hintergrundrauschen
seit ich denken kann.
Nichts lässt sich leichter ignorieren,
weil wir es schon so oft gemacht haben.
Für uns sind gewaltsame Konflikte beendet,
wenn wir das Handy weglegen.
Dann herrscht wieder Ruhe.
Einfach so.
Noch.
Und dieses Noch ist es
immer noch und immer mehr,
das uns allen im Nacken sitzt,
und dessen Gewicht täglich größer wird.
Wann wird bei uns
nicht nur die Butter teurer?
(Fun Fact:
Am 1. Februar geben die Discounter bekannt,
dass der Butterpreis das erste Mal
seit Ewigkeiten wieder fällt.
Ein bisschen.
Vorübergehend.)
Wann fängt die Kacke
endlich richtig an zu dampfen?
Das müsste doch eigentlich
nicht mehr lange dauern!?
Ich weiß, das klingt
nach Raskolnikov-Syndrom,
und genau so ist es auch gemeint.
Wo bleibt die Sühne
bei all unserer Schuld?
Wieso trifft es immer nur weiter
die Opfer der Täter?
Wann kriegen „wir“ eigentlich
unser wohlverdientes Fett weg?
Warum bleibt es hier,
trotz Weltuntergang
so verdammt leise?
Die Antwort:
Nicht trotz,
sondern wegen.
In Anbetracht der Realität
ist der einzige Weg,
weniger zu leiden,
zu akzeptieren,
dass andere mehr leiden.
Und mit so gut wie jeder Entscheidung
diesen Status Quo aufrechtzuerhalten.
Das Ende der Geschichte.
Also doch.
Das hat sich dann wohl auch
Jacinda Ardern gesagt.
Die ungekrönte Königin
der what if UNO-Generalsekrtär*innen
tritt zurück.
Warum?
Weil es doch auch mal
gut sein muss.
In Neuseeland stehen die Chancen dafür
aber natürlich denkbar am besten.
Ohne Quatsch:
Niemandem ist es mehr zu gönnen.
Wer so eine Blaupause
für gute Führung hinterlässt,
die hat mehr für den Frieden auf der Welt getan,
als alle UN-Generalsekretäre zusammen.
Umso tragischer ist diese Entscheidung.
Und damit sind wir in der aktuellen Woche angelangt,
deren Entwicklungen alles untermauern,
was ich ich gerade geschrieben habe.
Beginnen wir mit etwas lustigem;
also „lustig“ in Internetaktivismuskategorien,
denn auch an dieser Front
gibt es nichts neues,
nur immer den selben
sinnlosen (lustigen) Quatsch.
Die ehemaligen „Hooligans gegen Satzbau“
sind ja inzwischen eingeherdet
und haben den Aktivismus
zum Brotjob gemacht,
deswegen nennen sie sich jetzt auch
„Aktivistmuss“ und bewerben mit „lustigen“ Memes
ihr neues Buch.
Angetreten waren die ja mal
gegen alles was rechts und/oder dumm ist.
Der politische Hauptfeind dabei
war und ist natürlich die AfD.
Wie erfolgreich die Aktivist*innen dabei
über die Jahre waren,
kann man sehr gut
an den aktuellen Umfragen ablesen:
Die AfD steht immer noch,
wieder bei 15%,
also 5% über
dem einkalkulierten Nazianteil der BRD.
Ich kann mich irren,
aber vielleicht liegt das auch
am Content der Aktivist*innen,
der anscheinend immer noch nicht
über sich-drüber-Lustigmachen
hinausgeht
(wahrscheinlich nur so lange,
bis man bereit ist, ihr Buch zu kaufen).
Denn darauf stehen dumme/rechte Leute ja besonders,
wenn sie als dumm/rechts hingestellt werden;
Provokation als Mittel der Wahl zur Deeskalation
klappt jedes Mal, nicht.
Egal, lustig ist es trotzdem.
Hier erstmal die Ramp:
Der Discounter Lidl kündigt
in dieser Woche an,
ab sofort
radikal weniger
Fleischprodukte zu verkaufen.
Offiziell
(also als Stöckchen zum Drüberspringen)
natürlich wegen des Trends zum Veganismus,
des verminderten Tierleids
und wegen des Klimas.
Inoffiziell
(also wegen der Finanzen)
wegen solcher Szenen:
Im Thalenser Lidl
stehen offensichtliche Fleischfans vor dem Kühlregal
und gehen weiter ohne zuzugreifen,
denn ihr Geld reicht nicht.
Fleischverkauf lohnt sich nicht mehr für Lidl.
Egal,
denn die AfD weiß,
wie culture wars funktionieren.
Nämlich so:
Georg Padzerski (AfD Berlin)
triggert bei Twitter drauf los:
Identitätsverlust!
Die verdammten Grünen!
Freiheit für den Sonntagsbraten!
So was in der Art.
Und, was sonst,
die Aktivist*innen reagieren:
Auf allen Kanälen verbreiten sie
eine (täuschend echte) Fotomontage.
Sie zeigt Padzerski,
wie er vor einer Lidl-Filiale auf dem Boden sitzt,
seine rechte Hand ist scheinbar
auf eben diesem angeklebt.
Und um den Hals
hat er ein Transparent hängen,
auf dem steht,
achtung, jetzt kommt der lustige Teil:
„Vegi?
Nicht
Mett
Uns.
AfD.“
Na?
Zum Totlachen, oder?
Nicht nur,
dass die Aktivist*innen mal wieder
ganz neue Diskursräume eröffnen
und nebenbei den Klimaaktivismus relativieren,
nein, sie schieben auch noch
selbstgefällige Rechtfertigungen wie diese hier hinterher,
die Contentmaschine will schließlich gefüttert werden:
„Kann man sich echt nicht ausdenken,
mag man denken.
Und trotzdem ist da noch Luft nach oben.
Oder wäre es wirklich so schwer vorstellbar,
dass sich ein verbitterter AfD-Otto
aus Protest vor einen Discounter klebt?
Also, uns hätte das jetzt tatsächlich nicht wirklich überrascht.
Denen ist doch auch sonst nichts zu doof.
In diesem Fall haben wir uns
das allerdings am Küchentisch ausgedacht.
Darauf jetzt ’ne Stulle veganes Mett.“
Lustig.
Und ungemein effektiv.
Wirklich effektiv,
auch weil wirklich neu(-ish),
erweist sich spätestens seit dieser Woche
unsere neue Weltmitbürgerin,
die Künstliche Intelligenz.
Die textproduzierende App
ChatGPT (GPT = Generated Pre-trained Transformer)
hat den globalen Durchbruch geschafft,
obleich immer noch ein Prototyp.
Innerhalb der ersten zwei Monate
nach Freigabe des OpenAI-Wunders
besteht sie de facto täglich
hunderttausendfach den Turingtest
und hat aktuell 100 Millionen Nutzer,
womit sie die schnellst wachsende
Digitalanwendung aller Zeiten ist.
Sogar Juraprüfungen hat sie schon bestanden,
wenn auch nur mit 3+,
weil: Prototyp.
Die Anwendungsmöglichkeiten scheinen grenzenlos,
wie das bei Texten meistens so ist.
Selbst die Kollegen schwärmen bereits:
An einem nahen Gymnasium
sind Oberstufengeschichtslehrer restlos begeistert,
ihre Vorträge schreiben sich jetzt von selbst,
die ihrer Schüler*innen ebenfalls,
mit etwas Zufall sind es sogar exakt die gleichen,
die KI wird wissen, was Effektivität ist.
Vielleicht also auch ein Mittel
gegen den Lehrermangel?
Wer noch Fragen hat,
fragt die App.
Klar, dass solche Digital-Kurzsichtigkeit
hier in Sachsen-Anhalt zu Tage tritt,
hier wird leider immer noch „modern“ gedacht,
auch wenn diese Moderne längst
im Postfach liegt,
das langsam in Vergessenheit gerät.
Denn, es bleibt dabei,
die neue globale Hochburg
der Hardwareproduktion
braucht Nachwuchs,
Digitalskeptiker kann hier niemand gebrauchen.
Das Land steigt groß mit ein ins Geschäft:
Wenn Intel in Magdeburg loslegt,
kassieren wir ordentlich ab:
Der Strom für die Megafabrik
muss ja schließlich irgendwo herkommen!
Da Russland ausscheidet,
machen wir das eben selbst,
beziehungsweise lassen machen,
von unserem ganz eigenen Wind.
Vielleicht.
Darüber wird aktuell nachgedacht.
Und da wir mit Windparks
keine Berührungsängste haben,
könnte doch damit
das Magdeburger Umland zugepflastert werden;
schöne Natur
würde man damit ja wohl kaum verstellen.
Kurz zurück zum Aktivismus.
Also zum echten,
dem zivilisierten und wirksamen.
Denn ebenfalls am 30. Januar
wollten in Leipzig ebenfalls
irgendwelche Wannabepatrioten/Nazis
ihrer Geschichte gedenken/nicht aus der Geschichte lernen.
Nix da!, hat sich Leipzig gedacht.
Auf dem gesamten Innenstadtring
bildeten Tausende eine echte Menschenkette,
auch mit Kerzen,
und schlossen somit die paar Spazierwütigen
auf Markt und Gassen ein,
wo die sich verwirrt zerstreuten.
Und das war’s auch schon.
Völlig unlustig,
ohne Rechtfertigung,
ohne zur Schau gestellte Selbstgerechtigkeit,
absolut nichts Neues
und optimal effektiv.
Und damit zum Krieg.
Der immer noch kein Dritter Weltkrieg sein darf,
sondern nur sein Vorkrieg,
wie auf dem Balkan
vor dem Ersten,
oder in Spanien
vor dem Zweiten.
Waffensysteme testen,
Logistik zerstören/etablieren,
Kommunikationskanäle reinigen,
Hass schüren,
Spannungen erhöhen,
bis sie zerreißen
und bis dahin möglichst alle mitreinziehen.
Im Iran werden mit Drohnen Waffenschmieden attackiert,
Israel wird verdächtigt,
die Ukraine twittert: „Wir haben euch gewarnt.“
Peter Thiels nicht mehr so geheime Geheimwaffe „Palantir“
erfreut sich dort wachsender Beliebtheit;
es kann ja nicht sein,
dass nur Elon Musk als Privatperson mitverdient.
Die Ukraine hat die nächste Front eröffnet,
diesmal im Inneren:
Korruption wird ausgerottet,
auch weil die EU das so bestellt hat.
Von der äußeren Front gibt es auffallend wenig neues,
die Lage sei weiterhin „schwierig“.
Bachmut ist inzwischen eingekesselt,
Raketen fliegen nur noch alle paar Tage,
man wartet auf die Panzer.
Der erste wird heute geliefert,
per Flugzeug aus Kanada.
Weswegen es noch nicht ganz stimmt,
wenn Putin zum 80. Jahrestag
der Schlacht um Stalingrad (in Stalingrad) sagt:
„Deutsche Panzer bedrohen uns wieder.“
Aber die kommen.
Jetzt sogar, nach dem Dammbruch,
auch noch ein paar alte Leopard-1 Modelle,
die können dann also doch weg.
Deutschland hat lange genug gewartet,
jetzt ist eben Deutschlandtempo.
Da bleibt so wenig Zeit,
dass es nur noch zu Gespensterdebatten reicht.
Nämlich dann,
wenn der neue Verteidigungsminister
die Wiedereinführung der Wehrpflicht ablehnt
und zeitgleich den Fehler ihrer Aussetzung bedauert.
Aber, keine Sorge,
das Thema ist damit nicht vom Tisch,
es wird nur von jemand anders beackert:
Agnes-Strack Zimmermann, wer sonst,
schließt eine Wiedereinführung
nämlich schon nicht mehr aus;
und wir wissen, was das bedeutet.
Also beruhigen wir uns ganz schnell wieder
mit Neuigkeiten,
die, wenn schon nicht neu sind,
dann doch wenigstens Stabilität simulieren.
Karlsruhe hat mal wieder gesprochen.
Musste mal wieder sprechen,
weil mal wieder gegen den Soli geklagt wurde.
Und Karlsruhe hat wieder entschieden:
Es bleibt wie es ist.
Reparationszahlungen forever
für die große Enteignung.
Stabil bleibt auch Hans Georg Maaßen.
Erstens als neuer Chef
der, selbst von der Tagesschau
nur so genannten „Werte Union“.
Die legt nämlich Wert auf Exklusivität.
Deswegen fliegt er jetzt auch,
nach nur zehn überflüssigen Jahren
aus der CDU.
Bis heute hätte er noch freiwillig gehen können,
hat er nicht gemacht,
morgen dürfte dann
der von ihm langersehnte Schriftsatz eingehen,
wenn die Post nicht streikt.
Wieder ein Kasper weniger.
Wieder etwas mehr Stille
an der Schwurblerfront.
Vielleicht.
Aber mal ehrlich,
ist es das, was wir wirklich wollen?
Wie lange soll sich
die Ruhe vor dem Sturm
denn noch hinziehen?
Wollen wir nicht lieber gleich
neueuropäische Zustände?
Wie, zum Beispiel
im Westen.
Nicht weit von hier,
in Paris,
waren es am Dienstag
500.000 Menschen,
die gegen die neoliberale Sozialpolitik von Macron
auf die Straßen gingen.
Landesweit schlossen sich weitere hundertausend an,
auch im Mutterland der modernen Revolution,
wo Streiken eigentlich allmonatlicher Volkssport ist,
war man so nah schon lange nicht mehr dran
am Generalstreik.
In Großbritannien ging es ähnlich weiter,
keiner weiß momentan,
wie’s weitergeht.
Und, was sagt Ihr?
Sollten wir nicht auch sowas wollen?
Wollen wir?
Können wir haben!
Das Compact Magazin
mobilisiert für Ende des Monats
nach Ramstein.
Es werden erneut Millionen erwartet.
Die Nato bereitet quasi schon den Rückzug vor.
– Natürlich nicht,
war nur Spaß.
Für Elsässer und Poggenburg
aber natürlich nicht,
die kennen keinen Spaß.
Nazis halt.
Und deswegen ist es die wirkliche Querfront,
die nach den Winterferien
die Chance hat,
den Laden mal durchzurütteln.
Die GEW hat als letzte
Gewerkschaft des Öffentlichen Dienstes
zu Warnstreiks aufgerufen
und hat, wie bereits angeklungen,
dieses Mal ganz gute Chancen,
dass genug Leute mitmachen,
auch wenn das nicht viele sein werden,
weil Lehrermangel und so.
Und somit könnten die kommenden,
sehr kalten Tage
tatsächlich auch so etwas wie
die Ruhe vor dem Sturm sein;
wer weiß das schon.
Nur weil der deutsche „Wutwinter“ ausgefallen ist,
heißt das ja nicht,
dass (k)ein Wutfrühling draus werden kann;
dieses Mal dann von links(-ish).
So viel zum europäischen Westen,
dann schnell nochmal zurück nach Osten.
Und auch da:
Ruhe bewahren!
Auf dem EU-Gipfel am Freitag,
in Kiew,
durfte Selenskyj zunächst artig Danke sagen,
für die ganze Unterstützung aus dem Hinterland.
Und weiter fordern durfte er auch,
denn das reicht natürlich alles bei weitem nicht.
Eine „Eiserne Faust“ ist das noch lange nicht,
und nur mit der lässt sich Russland nun mal besiegen,
da sind sich alle einig.
Die „Panzerallianz“
stellt inzwischen ganze sechs Bataillone,
in Moskau rechnet man schon mal durch,
wie viele davon wann und wo
„brennen werden“.
Als Belohnung für Kiews Mühen
wurde dann verkündet,
dass ein EU-Beitritt nicht ausgeschlossen bleibt,
nur zum Datum schweigt man sich lieber noch aus,
bloß nichts überstürzen.
Bevor wir ein letztes Mal für heute
das Schlachtfeld wechseln,
noch zwei ungeheuerliche Neuerungen
in der Sportgeschichte.
Sowohl im NBA-Basketball
als auch im deutschen Fußball
wird die nämlich gerade umgeschrieben.
Zu Beginn der Rückrunde
steht doch wirklich mal
eine sympathische Mannschaft
an der Spitze der Tabelle:
Eisern.
Union.
Berlin.
Wäre ich Fußballfan,
ich fänd es geil.
Noch viel größere Sportgeschichte aber,
die schreibt aller Voraussicht nach
am Dienstag
der King höchstpersönlich.
Karten für das Heimspiel
der L.A. Lakers gegen die Oklahoma City Thunder
kosten inzwischen an die 100.000 Dollar.
LeBron James braucht noch 37 Punkte,
um den Uraltrekord von Kareem Abdul Jabbar
zu brechen.
Den hatte der im Jahr der Geburt von James,
vor 38 Jahren von Wilt Chamberlain übernommen
und auf sagenhafte 38.387 hochgeschraubt.
Nach Dienstag arbeitet der King dann daran,
der einzige (für immer) zu werden,
der mehr als 40.000 hat.
Ich würde mich schon auf die Gesichter der Leute freuen,
die 80.000 Dollar für ein Ticket bezahlt haben,
wenn James dann nur 35 Punkte macht.
Was aber nicht passieren wird,
weil Megastars Megastars sind,
weil sie nun mal Megastarsachen machen.
Und diese Überleitung brauchte ich
für den absoluten Oberknaller
unter den ausgefallenen Oberknallern.
So alt, dass er schon wieder neu ist.
C/2022 E3 (ZTF),
oder: „Der grüne Komet“
ist in dieser Woche vorbeigeflogen,
das erste und letzte Mal in 50.000 Jahren.
Und nur die wenigsten haben ihn gesehen,
wegen läppischer Wolken.
Auch gut,
vielleicht ein schlechtes Omen weniger.
Dafür aber auch eins mehr,
und zwar am selben Himmel,
nur etwas näher.
Denn den sprichwörtlichen Vogel
in Sachen Dritter Weltkrieg,
den haben nämlich die USA
gestern abgeschossen.
Geht es nach ihnen,
war das natürlich kein Vogel,
sondern ein chinesischer Spionageballon,
also eine unsägliche Provokation,
schlimmer als alle TikToks zusammen.
So unsäglich,
dass Außenminister Blinken
seine angekündigte Chinareise
noch vor dem Abschuss absagt,
und Europaparlaments Spaßvogel Weber
sofort eine neue Strategie für China fordert,
solche Aktionen würden die neue Aggressivität
ja wohl deutlich zeigen.
Laut China war das aber nur ein verirrter Wetterballon,
so groß ist der Pazifik ja nun auch wieder nicht,
wenn der Wind gut steht.
So.
Das letzte Wort für heute,
das kriegt saisonbedingt
Punxsutawney Phil,
denn der zeigt,
wortlos wie jedes Jahr,
auf seinen Schatten
und sagt damit:
Erstmal noch sechs Wochen
weiter wie gehabt.
Und dann:
Der Europäische Frühling?
Gar der Westliche Frühling?
Oder doch noch Weltkrieg?
Oder noch was ganz neues?
Momentan ist mir noch nach
„lieber nicht“,
aber was weiß ich schon,
ich verliebe mich ja auch seit Jahren
immer wieder in die gleiche Person.
Zeit im Stillstand ist
oh
so
beautiful.
„All these accidents
that happen,
follow the dot.
Coincidence
makes sense
only with you.
You don’t have to speak
I feel.
Emotional landscapes,
they puzzle me
then the riddle gets solved.
And you push me up to this
state of emergency.
How beautiful to be.
State of emergency
is where I want to be.“
(Björk: Joga. 1997.)

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