Es ist 19.55 Uhr.
Genau heute,
vor 79 Jahren
und 4 Stunden
und 40 Minuten
wurde das Konzentrationslager Buchenwald,
bei Weimar
in Thüringen
befreit.
Das kann man wissen.
Oder man kann,
in nun mehr kaum noch 15 Minuten,
den AfD-Oberfascho,
nicht nur in Thüringen,
zu einem TV-Duell
bei Welt-TV einladen.
Dazu muss man dann Mario Voigt sein,
CDU-Spitzenkandidat für die kommende Landtagswahl in Thüringen.
Und dann kann man sich auch vornehmen,
den Oberfascho in aller Öffentlichkeit
zu entzaubern
(als ob der auch nur irgendetwas zauberhaftes hätte).
Und dann muss man hoffen,
dass der Oberfascho
sich nicht genau darauf
seit Jahren vorbereitet hat.
Und deswegen sitze auch ich
also gleich vor dem Livestream,
genauso wie Kubitschek und Sellner
und alle anderen Faschos,
nur dass mir dabei mit Sicherheit keiner abgeht.
Diese Spezialepisode gibt es also nicht,
weil ich so gerne über Faschostöckchen hüpfe,
sondern weil #DieDoppeltenZwanziger
immer noch #DieDoppeltenZwanziger sind,
und dieses „TV-Duell“
nur eines werden kann:
wegweisend.
Und außerdem
kann ich mir dann auch
die Überberichterstattung der kommenden Tage/Wochen sparen.
Also, bringen wir es hinter uns.
Die Werbung im Vorprogramm
verrät wie immer das Zielpublikum:
Jägermeister,
Pampers,
Toom Baumarkt,
Comedy Central,
Ergo Privatvorsorge,
Philadelphia Frischkäse,
Axe Deodorant,
Freenet,
Jacobs Kaffee,
Shop-Apotheke.
Schnitt:
„Nur noch wenige Wochen bis zur Europawahl!“
Höcke wird zuerst begrüßt
und als Rechtsextremer eingestuft.
Er freut sich trotzdem.
„Gerade deswegen“ aber
will Mario Voigt mit ihm reden.
Die zentralen Themen:
Europa,
Migration,
Erinnerungskultur.
Erste Frage:
Ist die EU verzichtbar?
Höcke schießt los:
Globalistenverein!
Voigt schießt zurück:
Die EU soll leben und nicht sterben.
Frieden, Freiheit, Sicherheit!
Höcke räuspert rein,
stützt sich das Kinn,
dann erklärt er seinen Slogan nochmal:
„Europa muss sterben,
damit Deutschland leben kann“
und setzt zum ersten Rundumschlag an:
Deutschland leidet einfach mal unter der EU.
Man brauche einen neuen „Verbund der Nationen“.
Voigt weist Höcke darauf hin,
dass er nicht nervös sein braucht
und redet sich kurz mal in Rage.
Höcke fordert sein Rederecht ein
und führt den Post-Brexit-UK
als nachahmenswertes Beispiel an, wirklich.
Und überhaupt,
das hysterische Dieselverbot.
Sein offensichtliches Schlagwort Nummer 1:
EU und CDU sind „Wohlstandsvernichter“.
Er differenziert dabei auffällig früh
zwischen EU und Europa.
Dann knallen sich die beiden
reichlich Zahlen um die Ohren,
es geht hauptsächlich um Wirtschaftsdaten.
Man kriegt sich schnell wieder ein,
Voigt stellt Höcke als Schädling hin
und kündigt an,
die CDU werde stärkste Kraft.
Zurück zur Wirtschaft:
Wie will Höcke seine Pläne finanzieren?
Streichung von Entwicklungshilfe!
Deutsches Geld für deutsche Arbeiter!
Und Voigt?
Mehr Steuerzahler,
also kein Bürgergeld für Nichtstuer*innen.
Höcke scheint mehrere Frösche im Hals zu haben,
er räuspert weiter,
will sofort antworten:
„Typischer Konrad Adenauer Stiftungssound!
Das nimmt ihnen doch keiner mehr ab.“
Dann macht er schon den Trump:
Weinende Menschen beklagten sich bei ihm über Altersarmut
(Parallel werden überall die Fakten gecheckt,
auch auf Höckes X-Account).
Dann streiten sie ernsthaft darüber,
ob es Mett oder Gehacktes heißt.
Schnell zum nächsten Leckerbissen.
Voigt darf das Migrationsthema eröffnen,
Höcke räuspert sich umgehend,
aber Voigt ist knallharte CDU:
Illegale Migration auf Null!
Kriminelle Ausländer raus!
Bezahlkarte für Asylbewerber ist top!
Ausgerechnet in Sonneberg (AfD) gibt es die nicht.
Höcke darf antworten,
doziert über Merkel und alles,
was nach 2015 passiert ist.
„Das Land steht vor dem Kollaps.“
Dann hat er eine deutliche Botschaft:
„Das Weltsozialamt Deutschland hat geschlossen.“
Und da ist sie auch schon,
die „Remigration“,
in einem Nebensatz.
Voigt kontert mit Fachkräftebedarf.
Höcke will lieber erstmal alle ohne Berufsabschluss ausbilden,
und natürlich will er „Remigration“.
Voigt bleibt bei Weltoffenheit
und nennt Höcke Gift für das Land.
Das schulterzuckt der weg:
„Jetzt werden sie aber radikal populistisch.“
Also dann nochmal „Remigration“.
Voigt kann mit dem Begriff nichts anfangen,
zitiert dann eine Höckerede
und rechnet vor,
wer dann alles nicht mehr ins Bild passen würde.
Anscheinend hat Voigt aber Höcke nicht richtig verstanden,
sagt Höcke.
„Remigration ist ein Alltagsbefund“,
und dann definiert er das ganze nochmal komplett um:
„Remigration“ heißt eigentlich,
dass die ausgewanderten Deutschen
wieder zurückkommen sollen.
Voigt zitiert dann aus Höckes Buch.
Das freut Höcke natürlich
und er „kontextualisiert“.
Sein Buch habe übrigens
einen „gewissen philosophischen Tiefgang“,
und außerdem ist das Buch ja auch schon sechs Jahre alt.
Einer ersten konkreteren Nachfrage
geht Höcke peinlichst aus dem Weg.
Dann darf er weiter relativieren.
Voigt findet es lustig,
dass Höcke nicht zu seinen Thesen steht.
Der relativiert aber munter weiter.
Voigt findet Höckes „Rumgeeire“ bemerkenswert,
und Schnellroda wird zum „Nazischloß“,
was Höcke als Riskierung einer „großen Lippe“ bezeichnet
und nochmal gegen Merkels Vermächtnis schießt.
Dann fällt dem Moderator das Datum wieder ein.
Voigt erzählt von seinem Heimatort,
von dem aus man den Glockenberg auf dem Ettersberg sehen kann.
„Wer in Buchenwald Hausverbot hat,
darf kein Ministerpräsident werden.“
Höcke antwortet:
Ein wichtiger Erinnerungstag,
„schade, dass wir Hausverbot haben.“
Er wird auf die Gründe dafür angesprochen:
Ist Buchenwald etwa auch ein „Denkmal der Schande“?
Augstein hat das doch auch gesagt!,
aber Höcke erklärt es gerne nochmal ausfürhlich:
Mit „Schande“ wäre der Holocaust gemeint gewesen.
Und die „180° Wende“ sei als Aufbau
einer positiven Haltung zum Land gemeint gewesen,
das Positive müsse in den Mittelpunkt gestellt werden,
Identität und Patriotismus, dies, das.
Voigt stellt dagegen Weimar in den Mittelpunkt,
Goethe und Schiller, dies, das.
Und bezichtigt Höcke erneut,
Hass zu verbreiten.
Höcke sei Hass unbekannt,
Vertrauenslehrer werde man doch nur,
wenn man Hass nicht kenne.
Warum dann aber „Alles für Deutschland“?
Höckes Gegenfrage: Warum ist „Deutschland verrecke“ nicht strafbar?
Und außerdem, auch Beckenbauer hat das benutzt,
er, Höcke, habe das einfach nicht gewusst (SA-Losung),
jeder Mensch draußen wisse aber,
dass das ein „Allerweltsspruch“ ist,
Leute hätten ihm gesagt,
sie hätten es auch nicht gewusst.
Höcke sieht sich außerdem
für die Verwendung des Wortes „Deutschland“ diskriminiert;
Diskursverschiebung in neuen Größenordnungen.
Voigt: „Bitte weinen sie hier nicht.“
Die Debatte zerfasert in der „Meinungsfreiheit“.
Also Überraschungsthema:
Antisemitismus.
Schlimm, finden beide.
Aber der ist natürlich der Migration geschuldet,
weiß Höcke, seine Lösung also:
Keine Zuwanderung
aus dem islamischen Kulturraum!
Nächstes Thema:
Die „Russlandfreundlichkeit“ im Osten,
eigentlich geht es aber um den Ukraine-Krieg.
Voigt fährt die bekannte CDU-Linie.
Höcke räuspert sich,
wird dann gefragt,
wie er zu Waffenlieferungen steht.
Er setzt zu Auswendigelerntem an
und wird auf Nachfrage sehr deutlich:
Nein, „das Schlachten muss ein Ende haben.“
Und: Russland „will Frieden“.
Eine Nato-Diskussion schließt sich an;
es wird tatsächlich kurz mal langweilig,
die Kriegsexperten Voigt und Höcke
verlieren sich im Dozententum.
Endlich dann das Thema Thüringen:
Wer würde mit wem?
Voigt will nicht
mit den „völkischen Bildern“ von Höcke koalieren,
hat ansonsten erstmal „Demut vor dem Wähler“
und spitzt den Wahlkampf zu:
CDU oder AfD,
das ist doch die Frage.
Höcke muss sich seine Pläne einfordern,
weil die Zeit eigentlich abgelaufen ist,
und reicht, oh Wunder,
der CDU die Hand.
Es endet dann tatsächlich noch in:
Du bist doof.
Nein, du bist doof.
Und eine weitere Analyse
erübrigt sich.
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