Bild: Genius Watching. Gendarmenmarkt. 3. Oktober.
„I’ve developed a new philosophy.
I only dread one day at a time.“
(Charlie Brown)
So.
Zur aktuellen Situation eines Provinzlehrers
im angebrochenen Herbst 2025:
Am „World Teachers Day“
habe ich angefangen,
lustige Teacher Reels auf Instagram
schon zum zweiten Mal zu sehen,
denn zu nicht viel mehr
sehe ich mich gerade in der Lage.
Und das liegt zwar auch
am weiter tobenden Weltuntergang,
viel mehr aber
hat mich die erste (und damit letzte)
Erkältung der kalten Tage erwischt,
und wie immer natürlich so rrrichtig.
Weswegen diese Episode
auch nur das werden kann,
was nicht nur ich gerade befürchte.
Aber,
und wie schon von Anfang an,
hier geht es ja nun mal auch
um meinen Seelenfrieden.
Und den habe ich mir bis heute
vor allem dadurch bewahrt,
komme was wolle
zu schreiben,
solange die Deadline
sich einen Termin für uns ausgedacht hat.
Die Qualität der Chronik
ist eben auch ihre Quantität,
ihre Superkraft
bleibt ihre Ausdauer,
und ihr liebstes Gimmick
ist der Sprung.
In diesem Sinne:
#Fiebertexte,
welcome back!
Im Nachhinein betrachtet
bin ich schon erkältet nach Berlin gefahren
am Freitag,
aber so richtig reingekickt
hat mein Immunsystem
erst am Sowjetischen Ehrenmal,
kurz vor Sonnenuntergang;
keine Ahnung,
wie ich es geschafft habe,
auch noch atmend
zu Hause anzukommen.
Wenige Stunden vorher
musste ich meine Familie
auf dem Bebelplatz noch davon überzeugen,
dass es doch besser wäre,
nicht mitzumarschieren.
Zu weird waren die Vibes,
als ob keiner wirklich ernst nehmen würde,
um was es hier vorgeblich ging.
Von der Bühne aus wurden Lügen
über den Friedensplan für Gaza verbreitet,
die Stände gaben nur vor internationalistisch zu sein
und deutsche Boomer spielten Friedensbewegungscosplay;
ich hätte mich dumm fotografieren können
an historischen Missverständnissen.
Nachdem ich gesagt bekommen hatte,
ich solle „weiter träumen“,
weil ich irgendwas nicht unterschreiben wollte,
war der Endpunkt dann bei
„Pflegegrad statt Stalingrad“ erreicht,
eine Parole,
die ich immer noch nicht verstanden habe.
Ach, wäre ich also daheim geblieben,
ich würde mir vielleicht nicht ganz
so deprimiert vorkommen.
Ich hätte einfach zum Gemeinsamen Singen
auf den Quedlinburger Markt gehen können;
obwohl, mit einer Erkältung
vielleicht auch nicht unbedingt
die beste Idee,
auch wenn die Idee selbst
immer noch die beste ist.
Das wissen alle,
nur der Drohnenindustrie ist das völlig egal.
Denn die hat jetzt
endlich beide Stiefel in der Tür.
Nur das Volk,
das hat noch nicht genug Angst,
da geht also noch was:
Stufe 1:
Am Mittwoch wird in Berlin
ein angeblicher Hamas-Anschlag verhindert,
große Erleichterung,
die Hamas dementiert.
Stufe 2:
Zeitgleich wird das Oktoberfest in München
wegen einer Bombendrohung
bis halb Sechs gesperrt,
die Welt fragt vorsichtshalber: „Antifa?“,
aber es ist nur ein „Familiendrama“ im Norden der Stadt,
bei dem eine schriftliche Bombendrohung gefunden wird.
Stufe 3:
Drohnen!
Wo?
Genau,
über München!
Stufe 4:
Alexander Dobrindt hat plötzlich
fertige Drohnengesetze in der Schublade.
Stufe 5:
Markus Söder prescht vor:
Alle abknallen!
Dabei kann er endlich mal
seine fesche Spaceforce Lederkutte auftragen,
die „Antifa“ schließt er nicht explizit aus.
Zack, fertig:
Nächste Eskalationsstufe betreten.
Und wieder bleibt der Protest gelangweilt.
Oder ist die Einschüchterung bereits zu groß?
Erzeugt Widerstand
nur noch mehr Reaktion?
Hat der Faschismus etwa schon gewonnen?
Ich bin zu erkältet,
um wirklich darüber nachdenken zu wollen,
aber die Fascho News der Woche
waren insgesamt auch schon mal besser:
– Ungarn stuft die „Antifa“ ebenfalls als Terroristen ein.
– der Rechtspopulist Babis wird erneut Premier in Tschechien.
– der „Krah-Spion“ wird zu vier Jahren Haft verurteilt.
– „Nachschenken statt Nachdenken“ – AfD Brander lässt die Maske fallen.
– die hessische AfD ist jetzt auch offiziell Verdachtsfall.
– Forsa hat die AfD bei 27%, die CDU bei 24%.
– Hausdurchsuchungen in Porta Westfalica,
Minden, Selm, Bielefeld, Enger und Spenge
(Verdächtige sollen zum Faschoverein
„Active Club Ostwestfalen“ gehören).
– Ulrich S. warnt top geschminkt
auf Insta vor irgendwas
– auf einer Feier in der Polizeihochschule Aschersleben
werden verfassungsfeindliche Lieder gesungen
– der Deutschland Trend hat die Union und die Faschos
gleich auf bei 26%
– Björn H. tourte mit der Simme durch Thüringen
– Bundeskanzler Merz
will die AfD
„nicht mehr ignorieren.“
Was so und so
verstanden werden kann.
Verlassen wir kurz das friedliche Deutschland,
so lange das noch geht,
denn bei uns läuft das Internet zwar langsam,
aber immerhin.
In Afghanistan haben die Taliban
nämlich gerade demonstriert,
dass das absolut keine Selbstverständlichkeit ist.
48 Stunden lang geht da gar nichts,
und in Zukunft soll es zwar schon noch das Internet geben,
aber der Zugang zu Social Media
soll unmöglich sein.
Aha.
Bleiben wir im Internet.
Bevor es gleich wieder ernst wird,
hier die neueste Online-„Bewegung“:
Orchestriert wie nur was
trendet „Cancel Netflix“ auf allen Kanälen,
die Culture Wars trauen sich an die richtigen Gegner.
Warum?
Na wegen der „Verqueerung“ der Kinder.
Aha.
Mindestens genauso demokratisch
ist übrigens auch die Wahl in Moldau abgegangen.
Was hierzulande enttäuschte Ungläubigkeit auslöst?
Das hier: Die regierende proeuropäische Partei Aktion und Solidarität (PAS)
um Präsidentin Maia Sandu ihre Mehrheit im Parlament behalten.
Sie errang nach Auszählung fast aller Stimmen 50,03 Prozent,
wie die zentrale Wahlkommission in Chișinău
auf ihrer Website am Montagmorgen nach der Auszählung
von mehr als 99,5 Prozent der Stimmen mitteilt.
An zweiter Stelle kam mit knapp 24,3 Prozent
der russlandfreundliche Patriotische Block
um Ex-Präsident Igor Dodon.
Die Wahlbeteiligung liegt bei rund 52 Prozent.
Verrückt wie normal das ist.
Trotzdem sieht Roderich Kiesewetter
den „Spannungsfall“ mit Russland endlich eingetreten,
und der „Sicherheitsrat“
tritt noch vor Einrichtung zusammen.
Und sei es nur wegen irgendwelcher Drohnen.
Kriegsprotokoll. Schreibtisch. Deutsche Heimatfront. Letzte Reihe.
Woche 183.
Und plötzlich ist wieder Herbst. Montag: Kein Liveticker. Dienstag: Kein Liveticker. Mittwoch: Kein Liveticker. Donnerstag: Vor der französischen Küste wird ein Tanker der russischen Öl-Schattenflotte aufgebracht, Crewmitglieder werden festgenommen, Putin spricht von „Piraterie“. Freitag: Der Tanker ist wieder unterwegs. Der nächste Großangriff: In Poltawa, Charkiw, Sumy, Dnipropetrowsk, Odessa und Kiew schlagen Raketen und Drohnen ein, Gasanlagen werden schwer beschädigt. Im Südural treffen ukrainische Drohnen eine Ölraffinerie. Samstag: In Sumy explodieren Waggons auf einem Bahnhof, ein Zivilist stirbt. Sonntag: Der Flughafen im litauischen Vilnius wird gesperrt, wegen Heißluftballons. Saporischija wird bombardiert. Und Lwiw. In Polen steigen Kampfjets auf. Mehr als 500 russische Drohnen greifen die ukrainische Energieinfrastruktur an. Es wird wieder kälter.
Israels Armee setzt derweil die Angriffe fort,
das Rote Kreuz
stellt vorübergehend seine Arbeit ein.
Verteidigungsminister Katz ruft die Menschen in Gaza
erneut zur Flucht auf.
Die Flotilla wird 75 Kilometer vor der Küste von Israel festgesetzt,
30 von 40 Booten dürfen zunächst weiter,
dann werden die Aktivisten
über den Hafen von Ashdod abgeschoben.
In Italien wird deswegen zum Generalstreik aufgerufen.
An Jom Kippur dann das erwartbare,
dieses Jahr in Manchester:
Zwei Menschen sterben
bei einem Angriff auf die Synagoge der Stadt,
der Angreifer wird erschossen.
Am Freitag dann aber
die ersten echten Friedenszeichen
seit fast zwei Jahren:
Die Hamas will alle Geiseln übergeben.
Trump fordert den Stopp aller Angriffe.
Israel wartet noch einen halben Tag
und stoppt dann wirklich,
also zumindest die Bombardierungen.
Trump ist sauer auf Bibi:
„I don’t know
why you’re always
so f***ing negative.
This is a win. Take it.“
Und sein Außenminister weiß es noch besser:
Der Krieg ist noch nicht vorbei.
Dann also lieber
doch wieder
zurück nach Deutschland,
wo ein ruckelnder Ruck
bei der Kabinettsklausur für wenig Aufsehens sorgt.
Vizekanzler Klingbeil behauptet,
dabei das „Deutschlandgefühl“ gefunden zu haben.
Und das sieht,
kein Witz,
so aus:
Einigen kann sich die Regierung
nämlich auf ein Reformpaket:
Alles soll leichter werden.
Leichter, weil digitaler.
Kronjuwel des Pakets
ist ein Online Portal für PKW Zulassungen,
wirklich wahr.
Auch über einen „Bürokratiepranger“
wird laut nachgedacht.
Mietendeckel,
Pflegeversicherung,
Rente,
Bildung,
Umweltschutz,
über sowas wird gar nicht mehr geredet,
und konkrete Startdaten
für irgendeine dieser bahnbrechenden Reformen
gibt es auch bloß nicht.
Dafür wird ernst gemacht
auf dem Cannabismarkt:
Bye bye „Online Apotheken“.
Die Scam Buden,
bei denen sich wagemutige Neukiffer*innen
seit dem April letzten Jahres
ihr Gras besorgt haben,
werden kassiert;
krass wie lange das überhaupt so laufen konnte.
Aber auch der Drogenbeauftragte der Bundesregierung,
Hendrik Streeck,
mahnt Verschärfungen an der geltenden Teillegalisierung an.
„Dass die Zwischenevaluation kein eindeutiges Bild ergibt,
war zu erwarten.
Veränderungen, die so ein Gesetz in der Gesellschaft bewirken,
zeigen sich meist erst nach Jahren.“
Deswegen hat er trotzdem Sorgen,
„dass gerade beim Jugendschutz
schon jetzt Fehlentwicklungen sichtbar werden.“
Welche das wiederum sein sollten,
das lässt er offen,
immerhin gehen die Konsumentenzahlen
gerade bei den Jugendlichen weiter zurück.
Ansonsten ist tatsächlich wenig los hier,
die Lufthansa will 4.000 Stellen streichen,
und die SPD fordert,
dass „containern“ legal werden soll.
Obwohl das mit der Lufthansa
später noch mal wichtig werden könnte…
Aber vorher zum Klima,
die Sturmsaison macht ihrem Namen
wieder alle Ehre:
Taifun „Bualoi“ wütet
über den Philippinen und Vietnam
(mindestens 12 Tote).
Valencia erlebt die nächste Flutkatastrophe.
Hurrican „Imelda“ trifft Carolina,
Häuser fallen einfach ins Meer.
Sogar über dem Harz tobt sich der Wind aus,
eine Brücke im Ilsetal muss gesperrt werden.
Nur die JU Harz,
die fordert noch weiter Stärke,
und zwar in Form
von mehr Kohle für die Schmalspurbahn,
wobei „Kohle“ absichtlich zweideutig ist.
Lustig.
Und damit dann zurück
in die USA.
Also noch nicht physisch,
dafür aber um so mehr mental.
Dass die Indiana Fever tapfer ausgeschieden sind
(wobei sich Kelsey Mitchell im letzten Spiel des Halbfinals verletzt)
und dass A’ja Wilson als frischgebackene MVP
wahrscheinlich auch noch Champ wird,
das kann nur leider keine große Rolle spielen,
denn im Land der unbegrenzten Möglichkeiten
breitet sich der Faschismus
weiter wenig begrenzt aus.
Das Ganze nennt sich jetzt
„Peace Through Strength“,
obwohl der Slogan schon im Sommer
nicht haften bleiben wollte.
Anlässe gibt es aber weiterhin genug.
Noch am letzten Sonntag
erschüttert das nächste Attentat das Land.
In Grand Blanc, bei Flint, Michigan,
setzt ein Trump Supporter eine Mormonen-Kirche in Brand
und erschießt vier Menschen.
In einem Restaurant in North Carolina
werden drei Menschen beim Essen erschossen.
In einem Casino in Texas nur zwei.
Trump kümmert sich aber lieber
um seinen Nobelpreis.
Bibi entschuldigt sich im Goldenen Haus bei Quatar,
Israel stimmt dem Friedensplan erstmal zu,
die Hamas kriegt eine „Frist“ von wenigen Tagen.
Der Abfuck der Woche aber
ereignet sich in Quantico, Virginia.
Zum groß anberaumten Treffen
sämtlichster Topgeneräle
kommt sogar Trump persönlich vorbei,
denn es geht um nichts anderes
als ein „Military Reset“.
Der Auftritt von Hegseth und Trump
ist so durchgeknallt,
dass niemand auch nur auf die Idee kommt
zu applaudieren.
Der Kriegsminister beschimpft zunächst
„fette“ und „woke“ Soldaten
und hat dann eine eindeutige Message
für alle Feinde im Inneren:
„FAFO
(Fuck Around And Find Out)!
If necessary,
our troops can translate that for you.
In other words:
Peace through strength.“
Alle im Raum
würden nur dem Präsidenten zuliebe dienen,
und wem nicht passt, was er da sage,
der könne ja gehen
und sich am Ausgang noch sein Buch,
„War on Warriors“, mitnehmen.
Aber natürlich übertrumpft Trump
mal wieder alle Erwartungen
„in Sachen Wahnwitz, Schwachsinnigkeit und Bösartigkeit.
Er kritisiert die Admiräle dafür,
dass die neuen Kriegsschiffe „hässlich“ seien,
was eine objektiv verrückte Aussage
für den Oberbefehlshaber einer modernen Armee ist,
und gibt der Armee Card Blanche,
US-Bürger zu verprügeln
oder sogar zu erschießen.
Er regt auch an,
US-Städte, die er nicht mag,
zu „Übungsgebieten“ für die Armee zu machen (u.a. San Francisco).
Trump und Kriegsminister Hegseth
wollen weiters Gewalt innerhalb der Armee legalisieren.
Ausbildner sollen Rekruten schlagen dürfen,
ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.
Frauen und Schwarze sollen mehr oder weniger
subtil aus dem Armeedienst entfernt werden.“
(Bernhard Torsch)
Der Raum schweigt
die ganze Zeit
und hofft,
dass das alles nur schlechte Rhetorik ist,
so wie das von der Wirklichkeit entkoppelt ist.
Bevor dann seit Dienstag
der zweite Shutdown unter Trump läuft
(der letzte dauerte mehr als einen Monat),
wird noch verkündet,
dass nur noch die Kirchen
massiven Zulauf haben.
Dass die Zone inzwischen anfängt
mit Shit zu verstopfen,
beweist das völlig irre AI-Video
zu sogenannten „Med Beds“,
das sich irgendein Praktikant von Stephen Miller
auf deutlich zu viel LSD und Kokain ausgedacht haben muss.
Schuld am Shutdown sind natürlich die Demokraten,
weiß zumindest Vize Vance,
und Karoline Leavitt weiß sogar noch,
dass die Demokraten,
die US-Bürger als Geiseln halten.
Jedenfalls kriegt jetzt erstmal keiner Geld,
der irgendwas zum Funktionieren der Republik beiträgt.
Sogar die Nationalparks sollen geschlossen werden.
Und als ob das eine wichtiger wäre als das andere,
bewirbt Fox News die nächste Sonderprägung
für den MAGA-Geldbeutel,
bevor der Bürgerkrieg weiter ausbricht:
Ab nächstes Jahr soll es ein neues Dollarstück geben,
darauf zu sehen ist
die historische Faust nach dem Attentat in Pennsylvania,
umrahmt von Sternen und den Worten:
Fight, Fight, Fight.
In Illinois werden danach
bei der „Operation Midway Blitz“
1.000 „illegal aliens“ verhaftet,
und Chicago erlebt seinen „SANCTUARY SIEGE“:
Trump beordert 300 Nationalgardisten an die großen Seen.
In Portland läuft der Bürgerkrieg eher so mittel,
die Menschen in Oregon drohen noch mit einer Nacktdemo,
als ICE-Schergen auf Protestanten losgehen.
Sonnig bleibt es also nur
in Kalifornien.
Gavin Newsom erklärt sich endlich zum
„THE LEADER OF THE FREE WORLD“,
und sogar die Nationalparks bleiben offen,
nur müssen die Besucher*innen
ihren Müll mal für ein paar Tage selber wegräumen.
Und damit soll dieser Text
auch schon sein Ende finden,
denn mein latentes Fieber
hat sich gerade verabschiedet,
und ich kann mir berechtigte Hoffnungen
auf eine Nacht mit gutem Schlaf machen
und vielleicht sogar auf einen erneuten Traum,
der zu einem Zwischenfrontbericht wird.
Irgendwo zwischen Portland und Los Angeles
wache ich nächsten Sonntag
daraus wieder auf,
im Frieden,
am Pazifik,
wenn wir durchhalten.

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