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Break on through (to the other side) (S6:Ep16)

von | 2022 | 13. März | Die Serie, Staffel 6 - Peace or Love

„Nach der verlorenen Zeit
hab‘ ich erst mal
weniger nachgedacht.
Vielleicht darüber wie man
ein paar neue Lieder macht.

Nach der verlorenen Zeit
hab‘ ich erst mal
mehr Zeit mit mir verbracht.
Und öfters hab‘ ich wachgelegen
mitten in der Nacht.

Nach der verlorenen Zeit
hab‘ ich erst mal
weniger gehasst.
Man findet ja nicht immer etwas,
das ein‘m grad‘ nicht passt.

Nach der verlorenen Zeit
ist es jetzt
vielleicht zu spät.
Man verpasst ja doch nichts,
wenn man nicht früh aufsteht.“

(Tocotronic: Jetzt geht wieder alles von vorne los. 1995)

 

 

So.
Die letzten zwei Jahre
waren also nur der Prolog.
Sie waren also nur das Ausbreiten
der Vorgeschichte,
ein einziges Darlegen der Ausgangssituation
des Ukrainekriegs 2022 – ? .
Seit knapp drei Wochen
hat das 21. Jahrhundert
nun also auch
seine ganz eigene Urkatastrophe.
Noch eine.
Die endgültige Spaltung der Welt
in Gut und Böse
scheint momentan
so irreversibel und klar definiert
wie seit den letzten
80ern nicht.

Diese „Zeitenwende“
kam in der Rückschau
quasi über Nacht.
Eben noch Olympia,
Pandemie-Ausklang
und so was wie
vorsichtige Aufbruchsstimmung.
Keine drei Wochen später:
Das gleich übernächste Level
des Weltenbrandes.
Jetzt fehlen wirklich nur noch
Atombomben/Zombies/Aliens/Asteroiden/Erdkernexplosion.
Champagne!
Supernova!

Und, ungleich weniger schlimm:
#DieDoppeltenZwanziger
haben ein unerwartetes Problem.
Ein ziemlich privilegiertes,
aber trotzdem ernsthaftes.
Die Teilung der Welt
verlangt ihnen nämlich
eine Positionierung ab,
die viel schwerer ist,
als sie eigentlich sein sollte.
In Zeiten,
in denen sich gefühlt alle
problemlos auf die richtige Seite
der Geschichte stellen,
in denen so klar ist,
wer die Schuld trägt,
und trotzdem alle nur lügen können,
weil niemand mehr die Wahrheit erkennen kann,
in denen inzwischen jede*r
seine ganz eigene Verschwörungserzählung
(aka Weltbild) parat hat,
in Zeiten,
in denen es auf einmal
„gute“ Nazis (Asow)
und „schlechte“ Nazis (Putin)
gibt,
da können sich
#DieDoppeltenZwanziger
eben nicht so einfach positionieren.
Jedenfalls nicht ohne,
neben ihrem Antifaschismus,
auch gleich noch ihren Pazifismus
aufzugeben.
Aber:
Auf keiner Seite zu stehen,
das geht im Krieg
nun mal irgendwie nicht.

Und/Aber wie es der literarische Zufall
nun mal so wollte,
ist eines der Hauptmotive
dieses Textes
ja bekanntermaßen
die Ungewissheit.
Eigentlich.
Irgendwie.
Vielleicht.
Also wissen
#DieDoppeltenZwanziger
jetzt eben auch
einfach mal was nicht.
Nämlich nicht,
auf welcher Seite sie stehen.
Das wissen sie nicht,
das wollen sie nicht wissen,
das dürfen und sollen sie
(vielleicht) auch nicht wissen.

Was sie allerdings wissen,
weil sie dieses Mal
live, in vollem Bewusstsein
und minutiös
dabei sind:
Krieg ist wirklich immer gleich.
Und er ist wirklich ein dreckiges Geschäft.
Und um eins klar zu stellen:
Wenn in den nächsten Texten
von Krieg die Rede ist,
dann ist damit nicht nur der Ukrainekrieg gemeint,
sondern immer auch der Weltwirtschaftskrieg.
Und an dem hat ausnahmsweise
mal nicht Putin Schuld,
sondern,
oh nein, nicht der Nazi schon wieder,
Donald Trump,
beziehungsweise die Menschen,
die ihn nicht aufgehalten haben.

Und wem das jetzt schon wieder
zu viel Vergangenheit war,
weil gerade alle nur Sinne
für Gegenwart und Zukunft haben,
der sollte die nächsten Zeilen überspringen,
die hier nur dem Kontext zuliebe
zitiert werden:

 

 

„Wer dieser Tage ein Gedächtnis hat, braucht für Anfeindungen nicht zu sorgen. Man räumt schon irgendwie ein, dass der Ukrainekrieg eine Vorgeschichte habe, die NATO seit 1991 Expansion gen Osten betreibe und ihrerseits auf eine stattliche Geschichte militärischer Aggression zurückblicken könne. Doch findet man, es sei jetzt nicht der Zeitpunkt, all das zu erwähnen. Vermutlich, weil in der Geopolitik nichts mit irgendwas zusammenhängt.“

(Felix Bartels: Daheim ist, wo der Hauptfeind steht. März 2022)

 

 

Und so
bleiben #DieDoppeltenZwanziger
vorerst bei dem, was sie können:
Chronischen Irrsinn zusammentragen;
auf das zusammenwächst,
was einfach nicht zusammen wachsen will.
Also, hurrrrah!, rein ins Kriegsgetümmel!
Eine Geschichte dreckiger als die nächste!
Deswegen, und wegen Gründen,
heute nur drei, bzw. vier davon,
in völlig beabsichtiger Reihenfolge.
Den ganzen Rest
(Schlachtenlegenden,
Kriegsstrategien,
humanitäre Katastrophen)
dann bitte irgendwann später
im Geschichtsbuch nachlesen,
oder halt gleich live zur Tagesschau rüberschalten.

Geschichte 1:
Die Tragödie der jungen, russischen Rekruten in der Ukraine.
Im Gegensatz zu ihren „Feinden“,
sind sie zu Beginn des Krieges
nicht extra eingezogen worden,
um ihr Vaterland zu verteidigen,
sondern wähnten sich bis zum Beginn der Invasion
nur in einem Militärmanöver,
von dem aus sie bald
wieder nach Hause
zu ihren Familien und Freund*innen fahren wollten.
Nur wenige Tage später
befinden sie sich in Kriegsgefangenschaft
und dürften die wohl wertvollste Tauschware sein,
die sich die Ukrainer wünschen können.
Oder tot.
Dem Kreml tut das übrigens sehr leid.

Geschichte 2:
Die Bombardierung der Entbindungsklinik von Mariupol.
Als ob dieser Halbsatz nicht schon schrecklich genug wäre,
kann bis heute nicht mal mit Sicherheit gesagt werden,
wer dafür verantwortlich ist.
Die ukrainische Regierung schlachtet den Angriff
irgendwie zu recht zu Propagandazwecken aus.
Die russische Regierung dementiert energisch,
oder behauptet, dass ukrainische Nazis (Asow, Rechter Sektor)
die Klinik als Unterschlupf genutzt hätten,
alles also nur maximal aggressive „Entnazifizierung“.
(Sidenote: In The Hunger Games gibt es eine Szene,
in der ein Lazarett bombardiert wird,
gerade als das Gesicht der Revolution
für Propaganda-Filmaufnahmen zu Besuch ist.
Nur wenig später stellt sich heraus,
dass die Bomben von
den Revolutionären selbst geworfen worden waren,
um die Propaganda,
und somit den Krieg,
noch ein wenig mehr anzuheizen.)
Wahrheit und Fiktion
bleiben vorerst
nicht zu unterscheiden.
Und Propaganda
macht ihrem Ruf,
die widerwärtigste aller Sprachvarianten zu sein,
alle Ehre.

Geschichte 3:
Die ukrainischen und russischen Meinungsforschungsinstitute
setzen ihre Arbeit fort
und sammeln weiter fleißig Daten.
Entweder zum „Glauben an den Sieg“
(70% der Ukrainer sind fest davon überzeugt)
oder zur „Legitimität der militärischen Spezialoperation“
(70% der Russen sind fest davon überzeugt).
Die Fortsetzung des Krieges ist also
sozusagen demokratisch abgesegnet,
von beiden Seiten.
Propaganda wirkt immer.

Und klar,
ich könnte theoretisch noch viele hundert Seiten
mit weiteren Gräueltaten und/oder -märchen füllen,
und noch viele hunderte mehr
mit den traurigsten Fluchtgeschichten
und den perversesten Propagandastunts.
Aber ich belasse es vorerst noch
bei der Beschreibung eines Videos,
bei dem ich
nach nur wenigen Sekunden
angefangen habe zu heulen,
wahrscheinlich weil es
unzweifelhaft wirklich wahr ist:
Ein vielleicht zweijähriger Junge
wird von seiner Mutter auf dem Arm gehalten,
als die beiden sich
von ihrem Mann und Vater trennen müssen,
der in den Krieg zieht.
Der Junge schreit und weint wütend,
während er versucht seinen Vater zu umarmen,
was ihm aber nicht gelingt,
weil der in voller Uniform
und ebenfalls mit Tränen in den Augen vor ihm steht.
Die kleinen Fäuste trommeln auf seinen Helm
und die Patronengurte,
bis die Mutter ihn
zurück an ihre Schulter legt,
wo er sich auch nur nicht beruhigt.

Und ich?
Sitze hier, wie jeden Sonntag,
tippe mir die Verzweiflung aus dem Leib,
muss im Internet lesen,
dass Richard David Precht
irgendwie auch meiner Meinung ist,
trinke nebenbei leckeren Eistee aus dem Kühlschrank,
höre endgeilen Emorock aus dem vorletzten Jahrzehnt
und staune über den schon seit Tagen
strahlend blauen Himmel vor meinem ungeputzten Fenster.
Zwischendurch korrigiere ich Aufsatzfragmente,
räume die Wohnung auf,
mache die Wäsche,
überlege, vielleicht später noch zur Friedensdemo zu gehen,
telefoniere mit meiner Mutter,
die gerade auf Hiddensee
am Strand auf ihren Geburtstag wartet
und tausche mich mit Freund*innen darüber aus,
was jede*r so angefangen hat zu bunkern.

Vor zwei Jahren noch
haben wir uns über die Dullis lustig gemacht,
die stapelweise Toilettenpapier
in ihre Wohnungen geschleppt haben,
und jetzt kenne ich vernünftige Leute,
die wirklich begonnen haben,
Wasservorräte im Keller zu lagern,
die Benzinvorräte anlegen,
oder, wie ich,
jedes Mal beim Einkaufen
ein paar Stumpenkerzen mitnehmen.

Und dabei sollte doch,
gerade heute,
alles besser geworden sein!
Exakt zwei Jahre nach Lockdown Nummer 1
wollten wir uns jetzt so richtig fit machen
für den Sommer des Jahrzehnts.
Wir wollten die Tür in der Omikronwand
gefunden haben,
wollten beginnen die Pandemie zu vergessen,
und die Infektionszahlen
nur noch als eine Art neuen Wetterbericht wahrnehmen,
bei dem sich nur noch die Frage stellen sollte,
ob er vor oder nach dem Sportteil platziert wird.
Wir wollten uns endlich fragen können,
ob das denn nun alles
wirklich sooo schlimm gewesen wäre,
und hätten uns sogar darüber freuen können,
dass das Streitthema Impfpflicht
ganz und gar überflüssig geworden war,
oder wenigstens darüber, dass
wenigstens Moderna
die Impfstoffpatente jetzt doch freigibt.
Und zumindest ich hatte mir fest vorgenommen,
unverzüglich mit der Verklärung
der jüngsten Vergangenheit zu beginnen.
Aber,
Überraschung!,
nicht mal daraus ist etwas geworden.

Sei‘s drum.
Die angekündigte, neue Rubrik
hat zwar noch keinen endgültigen Namen,
aber die Stories sind einfach zu hanebüchen,
um sie noch länger in der Schublade zu vergessen.
Zum Beispiel: Berlin.
Der Chefarzt der Neurochirurgie der Charité
konnte es in diesem Winter nicht länger aushalten.
Nachdem zwei Jahre lang
der traditionelle Skiurlaub
mit den (jungen) Kolleg*innen ausfallen musste,
wurde jetzt einfach auf gesunden An- und Abstand,
Kollegialität und Verzicht geschisssen.
Ergebnis: 10 von 15 Ärzt*innen
testen nach ihrer Rückkehr positiv
und fallen für 7-10 Tage aus dem Dienstplan.
Der Rest der Belegschaft
weiß nicht mal,
bei wem man sich beschweren sollte,
der arbeitet dann eben weiter,
übermüdet, erschöpft und frustriert.
Wie die allermeisten.
An dieser Stelle
seien im Übrigen mal auch die Ärzt*innen erwähnt,
die irgendwie immer vergessen werden.
Fette Props gehen nämlich
auch mal an die Hausärzt*innen raus.
Die sich inzwischen sogar
schon wieder fragen lassen müssen,
ob es denn sein könne,
dass gerade irgendwas rumgeht
(it‘s funny because it‘s true).

Menno,
wir alle wollten doch gerade
unsere Schwarzen Spiegel mal für länger weglegen,
mal clean werden,
wollten feststellen,
dass die Pandemie vorbei ist,
oder wenigstens,
dass die Durchseuchung erfolgreich war.
Aber nein, im Gegenteil:
Wir stehen am Anfang
der inzwischen Sechsten Welle.
In Südkorea scheppert es gerade so richtig,
in China scheinen nur die letzten beiden Jahre
halbwegs gut verlaufen zu sein
(just heute wird die 17-Millionen Stadt Shenzhen
in den Lockdown geschickt),
allein in den USA sterben weiterhin regelmäßig
über 10.000 Menschen wöchentlich.
Und, was auch bitte sonst:
Deltakron
gibt es jetzt doch
tatsächlich.
Da wechselt sogar Markus Söder
wieder ins Team Vorsicht;
wahrscheinlich hat er nach Wochen
der ergebnislosen Positionsfindung im Ukrainekrieg
mal wieder auf die Infektionszahlen geschaut.

Aber ach, was mir diese Entscheider*innen
vielleicht alle leid tun; nicht.
Wenn dem Krieg schon nicht
genug abzugewinnen ist,
dann doch mindestens,
dass man jetzt wenigstens
beim Politikmachen
Feuer (Pandemie)
und Feuer (Klima)
mit Feuer (Krieg)
bekämpfen kann.
Und dabei auch noch
Stärke und Solidarität heuchelt,
man kämpft ja schließlich nicht mit
und wird die finanziellen Folgen
zumindest persönlich auch schon noch irgendwie aushalten können.
Da ist Olaf Scholz
in gerade mal drei Monaten
vom Klimakanzler und Pandemiebeender
zum Stellvertreterkriegskanzler mutiert
und hat sogar endlich
ein ernstzunehmendes Brillengestell gefunden.
Und schon fragt uns der Eulenspiegel,
ob jener denn auch Weltkrieg kann?
Wer konnte denn auch ahnen,
dass das Licht am Ende des Tunnels
nur die grellen Explosionen
russischer Raketeneinschläge sind?

Also kommen wir doch gleich noch
zum nächsten Problem,
mit dem sich #DieDoppeltenZwanziger
jetzt auch noch rumschlagen müssen:
Mit Kriegshelden.
Aufmerksamen Leser*innen
ist sicher klar,
dass für solche
in dieser Chronik
kein Platz vorgesehen sein kann.
Und trotzdem,
vielleicht aber auch gerade deswegen
müssen sie über einen schreiben.
Applaus für Wolodymir Selenskyj!
Applaus in München,
Applaus in London,
Applaus in Manhattan,
Applaus in Berlin.
Applaus auf den Feldern,
Applaus auf den Straßen,
und Applaus auf den Hügeln.
Churchill im Geiste
bleibt der ukrainische Präsident sitzen
und hält unermüdlich Reden
für die Schwarzen Spiegel.
Nein, das ist keine
Kriegspropaganda.
Und wenn,
dann doch wenigstens gute.
Der selbe Selenskyj,
der zu seinem Amtsantritt
vor nicht mal drei Jahren gesagt hatte:
„Ich werde alles tun,
um das Sterben
unserer Soldaten zu verhindern“,
sagt zwei Wochen nach Kriegsbeginn
jetzt das hier,
und zwar im Exklusivinterview mit der Bild,
die daraus natürlich
ein halbseitiges Titelbaltt macht:
„Wir (sic!) sterben auch für euch (sic!)
(ob damit die Bildleser*innen gemeint sind,
oder das goldene Schimmern
des freiheitlich-demokratischen Westens,
darüber herrscht wenig Einigkeit).
An anderer Stelle spricht er dann
von einem Genozid an den Ukrainern.
Und ich kann mir nicht helfen,
aber unter anderen Umständen
würden mir dazu
ein paar Fragen einfallen müssen.
Sollte/Müsste/Könnte
man da nicht auch von Relativierung,
bzw. von Herbeireden eines Völkermords sprechen?
Ab wann ist ein Krieg ein Völkermord?
Ist Krieg nicht nur ein anderes Wort für Völkermord?
Führt die Ukraine dann seit acht Jahren
gar keinen Bürgerkrieg gegen den Donbass?
Ist das auch ein Völkermord?
Hat Putin etwa doch Recht?
Und was sagt Richard David Precht
dazu?
Ihr seht,
Kriegshelden und pseudo-kritisches Denken
sind keine gute Mischung.

Aber es gibt nicht nur einseitigen Applaus,
Fans von Differenzierung kommen
am Ende des Tunnels auch anderweitig auf ihre Kosten,
und dafür ist, z. B.
Anna-Lena Baerbock zuständig.
Anfang der Woche
fügte sie mit Blick
auf die „mutigen Frauen Russlands und Belarus“
ihren ehemals grünen Pseudo-Pazifistenquark hinzu:
„Wir sehen auch euch.
Dieser Krieg ist nicht euer Krieg.
Es sind eure Söhne,
die einen Kampf führen müssen,
den sie sich nicht ausgesucht haben.“
„Voller Anerkennung“ schaut sie
auf die vielen Frauen in Russland,
„die gegen diese inakzeptable Aggression demonstrieren.“
Und sie betont: „Ich verneige mich vor eurem Mut.“
Vor dem Hintergrund
der jüngsten Aufstockung der Waffenlieferungen der EU
an die Ukraine,
um noch mal 500 Millionen Euro mehr,
die damit dann auf russische Söhne schießen kann,
ist das in etwa vergleichbar
mit Boris Becker,
der zu Pandemiebeginn
vom Balkon eines Hotelzimmers an der Alster
den Pflegekräften in den Krankenhäusern applaudierte.
Nein, das ist natürlich nicht vergleichbar.
Das ist noch um einiges zynischer, oder?

Aber immerhin,
es wird wenigstens noch geredet.
Überall,
jede mit jedem.
Bringt aber bis jetzt:
Nichts.
Außer der Verlängerung des Krieges,
meint jetzt auch Richard David Precht.

Die sich schlapplachenden,
ewigen und einzigen Gewinner
dieses geopolitischen Clusterfucks
sind und bleiben die USA.
Die Metamorphose zum Schattenhegemon
scheint für‘s erste abgeschlossen.
Ohne auch nur den kleinsten Finger
krumm machen zu müssen,
führen und verschlimmern sie
den brutalsten Wirtschaftskrieg ever.
Es ist zwar „Putins Krieg“,
die Leidtragenden aber
sind in erster Linie die Russen
(mal abgesehen von den Oligarchen),
und in zweiter Linie: wir alle.
In kaum zu überbietender Arroganz
wird sich aber auf der anderen Seite des Atlantiks
hemmungslos über Russland lustig gemacht.
Bestes Beispiel:
Stephen Colbert,
der sich vor einem Millionenpublikum
folgenden Gag erlaubt:
„Die russische Regierung
beschwert sich darüber,
dass wir den schlimmsten
Wirtschaftskrieg der Geschichte
angefangen haben –
oh, danke, dass ihr es mitbekommen habt.“

Dann wird das geliebte Rohöl
demnächst eben bei anderen Diktatoren gekauft.
Maduro schickt schon Grüße
(in Form von freigelassenen Spionen)
aus Venezuela.
Und der Kronprinz von Saudi Arabien
lässt zur Feier des Tages
81 Dissidenten hinrichten.
Und wehe jetzt denkt hier jemand
an Doppelstandards!
So was gibt es in der Freien Welt doch nicht.
Sogar mit Natopartner Erdogan
kuschelt es sich wieder,
dessen zeitgleiche Bombardierungen
der kurdischen Gebiete
in den nördlichen Regionen des Iraks und Syriens,
gerade nicht so relevant zu sein scheinen.

Denn, wenn all das Gerede
gar nichts mehr bringt,
kann man ja immer noch
über social media reden,
die gerade mal wieder völlig in sind.
Vorbei die Zeiten von Skepsis,
Datenkraken und Meinungsmache.
Telegram ist im Kriegsgebiet
und in Russland,
das inzwischen wichtigste
Kommunikationsmittel.
Telegram!
Facebook erlaubt derweil
mal eben ausnahmsweise Mordaufrufe,
aber nur gegen russische Soldaten,
und schaltet in Deutschland solche Werbung hier:
„Die eFP-Mission der NATO in Litauen:
So schützen Soldatinnen und Soldaten
an der östlichen Bündnisgrenze
unsere Freiheit und Sicherheit.“
Nato first, Bedenken second.

So, Leute.
Jetzt haben sich
#DieDoppeltenZwanziger
aber mal genug die Hände verbrannt.
Für diesen Text hat höchstens
noch Karl Liebknecht Verständnis.
Hat ihm ja aber auch nicht so viel gebracht.
Kommen wir zum Ende
also noch schnell zurück
auf sicheres Terrain,
denn ja, auch in Deutschland gibt es immer noch Nazis,
und seit dieser Woche,
gleich mal noch eine ganze Menge mehr.
Die komplette AfD
ist endlich
rechtsextremer Verdachtsfall.
Applaus!
So hatte ich mir die Neue Normalität vorgestellt.
Und wenn
das mit Klima, Pandemie und Krieg
schon nicht besser wird,
dann wenigstens mit diesem Dreckshaufen.
Der aber dann eben
doch noch bis zum Verbot
im Bundestag rumhocken
und „Politik“ machen darf.
Dabei besinnen sie sich sicher wieder
auf ihre Kernkompetenz,
den Grünenhass.
Denn nicht etwa Putin,
oder die Nato,
sondern die Grünen sind an allem Schuld.
Schließlich wird doch jetzt wahr,
was die schon immer wollten:
Die Öko-Hygiene-Friedensdikatur!
Und das Volk muss dafür blechen!!11!!
Was viel schlimmer ist:
Für deren Abgeordnetenvergütung ebenfalls.
Immerhin ist auch Boris Reitschuster
endgültig aus der Bundespressekonferenz
geflogen.
Mal Voyage!

Ganz zum Schluss
natürlich noch der Blick auf‘s Klima,
vielleicht ist es da ja gerade mal
weniger brisant?
Nein.
In Australien herrscht gerade zum ersten Mal überhaupt
der Nationale Notstand.
Und nein, nicht wegen Buschbränden.
Dieses Jahr sind es Rekordfluten.
Irgendwas ist immer.
Und wenn nicht,
wozu gibt es Zynismus?
Oder wenigstens
Richard David Precht?

Ganz ehrlich?
Das Ende des Tunnels
hatte ich mir
irgendwie anders vorgestellt.
Aller Tage Abend
ist aber noch nicht,
nicht wahr?

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