So so.
Die Frankfurter „Antifa“
hat also die Adressen
von AfD-Kandidaten veröffentlicht
und „zur Gewalt aufgerufen“.
Björn Höcke konnte sich also heute
beim mdr-Sommerinterview
das siegesgewisse Grinsen
schon nicht mehr all zu oft verkneifen.
Aber wegen Gründen
widme ich diesem Interview
dann mal etwas mehr Aufmerksamkeit
als es sonst so bekommen hat:
Seinen einzigen „Fehler“
macht der mdr-Journalist gleich zu Beginn:
Er ordnet die AfD völlig korrekt
als autoritär, national und radikal ein.
Höcke aber kann sich damit
sofort als Opfer stilisieren,
was dem gesamten Interview
irgendwie die Durchschlagskraft nimmt,
obwohl es ansonsten
sehr sehr gut geführt wurde,
und zwar nicht von Höcke.
Die erste Frage:
Was wäre ihre erste Amtshandlung
als Wahlsieger im nächsten Jahr?
Höcke weicht sofort aus
und schickt
mit ausgestrecktem Zeigefinger
lieber erstmal etwas vorweg:
Er will mehr über das Land sprechen
als über Personen.
Er liebt Thüringen.
Und Deutschland.
Und er hat sich offenbar vorgenommen,
mindestens 18 mal
das Wort „Altparteien“ fallen zu lassen.
Die zweite Frage:
Wie will die AfD denn dann regieren
ohne Koalitionspartner?
Höcke referiert (wieder ausweichend)
über den Willen der Thüringer,
endlich den Wechsel herbeizuwählen.
Die Einordnung durch den Journalisten
ist kurz:
„Spannend.“
(Was ich irgendwie sehr lustig finde.)
Jetzt geht es aber dann
endlich um Thüringer Inhalte:
Die Bildung ist das allerwichtigste Thema,
darin sind sie sich die beiden Väter zunächst einig
(und ja, das ist auch der eigentliche Grund
für diese Spezialepisode).
Welches sind denn die dringlichsten Probleme
für den ehemaligen Lehrer Höcke?
Der (weicht schon wieder aus)
bemängelt erstmal
den mangelnden Föderalismus,
der die Bildungspolitik „gleichschalten“ würde;
der Journalist fasst direkt nach
und entlarvt Höckes Nazirhethorik,
ohne Nazirhethorik zu sagen.
Höcke jedenfalls meint zu wissen,
die bildungssystemischen Ausgangslagen
sind von „Lehrern“ nicht mehr zu „korrigieren“.
In nur zwei Sätzen ist er dann
bei der „gescheiterten“ Einwanderungspolitik
und bei der Inklusion und dem Gendermainstreaming
als falsche „Ideologien“
(womit er btw Kernaussagen der Menschenrechte
mindestens in Frage stellt),
wobei seine Sätze beeindruckend einstudiert klingen.
Und er weiß noch was:
Lehrer wollen nicht mehr als Lehrer arbeiten,
weil: unattraktiv;
er muss es ja schließlich wissen.
Nachfrage:
Worin sieht die Fraktion denn Lösungsmöglichkeiten?
Höcke ergeht sich zunächst
erneut in Selbstbespiegelung:
Bildung ist für die AfD natürlich das zentrale Thema
(und er somit der perfekte Kandidat).
Und wenn Höcke dann doch mal konkret wird
und von „Entlastung im Verwaltungsbereich“ spricht,
dann klingt das irgendwie
gar nicht mehr so verlockend.
Wer soll dann da wovon genau wen entlasten?
Und was wird dann da genau verwaltet?
Von einem Nazi?
Nächste Frage:
Wie soll das propagierte Leistungsprinzip
in der Schule umgesetzt werden?
Höcke weicht schon wieder aus,
verweist süffisant aufs Grundlagenpapier
von Anno Knipps
und regt sich dann schnell über zu wenig Redezeit auf.
Aber jetzt geht es ans Eingemachte:
Über ein paar sehr geschickt angeordnete Fragen
konfrontiert der Journalist Höcke damit,
dass die AfD nur zwei Gesetzesanträge eingereicht hätte
in der gesamten Wahlperiode.
Höcke versucht wieder die Opferrolle
(die Partei werde blockiert)
positioniert sich dann aber
zu einem der Gesetzesentwürfe,
schließlich gehe Qualität
auch manchmal noch über Quantität,
wobei sein ebenfalls (schlecht) einstudiertes Grinsen
am Ende einer (vermeintlich gelungenen) Ausführung
besonders gruselig aussieht.
Der Entwurf fordert im Kern
ein Ausbremsen
der rasanten Digitalisierung
an Schulen.
Da werde ich natürlich hellhörig,
ganz meine Meinung.
Seine Begründung allerdings
ist mega lame:
Manfred Spitzers Unformulierung,
die der „Digitalen Demenz“,
ist das Schreckgespenst,
das Höcke gegen die Pläne der „Altkoalitionen“
ins Feld führt.
Rülps.
Am Ende seines Exkurses
will er eine „Digitalisierung mit Augenmaß“;
die einzige Formulierung
des gesamten Interviews
die halbwegs sinnvoll ist.
Aber dann geht es umso schlimmer weiter:
Er beschwört eine Angleichung der Lehrpläne
in Thüringen herauf,
wobei er die Silbe „gleich“
jetzt weniger scharf einsetzt;
aufpassen kann er noch.
Nach konkreten Vorschlägen gefragt,
hebt der ehemalige Lehrer
entschuldigend die Hände:
Das wäre ja nun wohl
Kernaufgabe des Bildungsministeriums.
Und an dieser Stelle mal
eine ganz wilde Theorie:
Später im Interview geht es darum,
warum Höcke
möglicherweise
seinen Wahlkreis wechselt
(Spoiler: damit er eine Chance auf einen Sieg hat,
denn im Eichsfeld wird er bis heute nur geduldet).
Sollte sich Höcke aber
vor lauter Thüringenliebe
und Eichsfeld-Credebility
doch im Norden Thüringens aufstellen lassen,
und verlieren,
dann könnte er doch
immer noch
ins Kabinett berufen werden,
als Bildungsminister.
Oder?
Darauf gibt er nach der letzten Frage
allerdings eine ziemlich klare Antwort:
Sollte er,
dessen Dienstwagennummernschild bereits MP 2024 lautet,
auf dem Parteitag das Vertrauen
seiner Parteikameraden ausgesprochen bekommen,
dann werde er sehr gerne
nach Erfurt ziehen.
Und das wird dann
im übernächsten Herbst passieren.
Vielleicht sollten sich die eingehegten Antifanten
langsam mal nicht mehr so sehr
auf Sachsen oder Hessen konzentrieren,
sondern auf das dazwischen.
Denn Höcke im Amt,
in Thüringen,
macht aus 2024
ganz fix 1924.
Denn Kreise
sind zum Schließen da.
P.S.
Für alle (auch ehemalige) Deutschlehrer*innen: Ja, der Titel geht auf einen Neologismus von Heinrich Heine zurück. Mit kollegialen Grüßen!
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