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Die Jugend hat das Wort (S6:Ep7)

von | 2021 | 16. November | Die Serie, Staffel 6 - Peace or Love

„They put me in a cage
to see what happens when
you put one in a cell
without an escape plan.
If I lose my mind
before the first attempt
oh, I’ll never be free again.“

(Giant Rooks: What I know is all quicksand. 2020)

 

Im Moment scheint es ja
mal wieder total angesagt zu sein,
im Internet über irgendwas zu schreiben,
„wovon sonst keiner schreibt.“
Challenge accepted!

Die letzten Luca-App Auswertungen haben ergeben,
dass Bars und Diskotheken
tatsächlich Hotspots sind.
Sieh an. Ehrlich?
Ich hätte aber eine noch viel bessere Frage:
Wieso?,
zur Hölle?,
sind die Kitas und Schulen noch auf?
Ich wiederhole mich ungerne, aber:
Der wichtigste Punkt
bei jedem Pandemieplanspiel
ist die sofortige Schließung
dieser wöchentlich
fünftägigen Festivals für Viren
im Falle von exponentiellem Wachstum;
wie ja auch weltweit zu Beginn der Pandemie
umgesetzt wurde.
Oder, wie es irgendein Arzt,
oder irgendeine Virologin,
oder irgendeine Schulleiterin,
oder irgendein Elternvertreter,
oder irgendein Lehrer
oder irgendeine Bloggerin,
oder irgendwer,
der einigermaßen sicher im Tausenderbereich rechnen kann,
diese Woche nochmal im Internet beschrieben hat:
In einer durchschnittlich großen Schule
(400-500 Schüler, 16-20 Klassen)
gibt es also jeden Tag
um die 50 potenzielle Superspreaderevents.
Klar, das ist kein Fußballstadion
oder eine Konzerthalle,
dafür aber permanent.
Und das in gut 42.000 Schulen des Landes.
Dazu kommen dann noch die Kitas,
mit jeweils so zwischen 5 und 10 Virenparties.
Das war auch alles vor „Corona“ so.
Deswegen ist die Jugend ja auch regelmäßig verschnupft.
Kann die sich auch erlauben,
die hat im Allgemeinen ein sehr aktives Immunsystem.
Betrachtet man nur diesen Umstand,
kann man selbst die verblüffende Tatsache nachvollziehen,
dass sich sogar Christian Drosten
derzeit noch
für eine Offenhaltung der Schulen ausspricht.
Aber auch der weiß,
dass alle, die tagsüber in Schulen und Kitas sind,
normalerweise ansonsten woanders sind;
und zwar überall woanders.
Der bei weitem noch größere Teil davon
ist momentan ungeimpft,
hat bekanntermaßen das mit der Hygiene
noch nicht so ganz auf dem Kasten
und ist deshalb
besonders jetzt, wenn‘s kalt ist,
absolut kein Geheimtipp mehr
für alle Erkältungsviren,
also auch für den Endboss unter diesen,
Sars-Cov-2.

Hier im Harzkreis kann man das genauso sehen,
wie überall woanders auch.
Insgesamt haben wir aktuell
eine 7-Tagesinzidenz von: 228.
Ja, eigentlich schon krass genug.
Aber die Verteilung auf die Altersgruppen
sieht folgendermaßen aus:
Die zu gut 75% geimpfte Hauptrisikogruppe
(60 und älter): 85.
Dann die am wenigsten getestete,
komplett ungeimpfte Gruppe,
(die Kleinkinder): 260,
Dicht gefolgt von den jüngeren Erwachsenen
(zwischen 15 und 35): 257
und den älteren Erwachsenen
(zwischen 35 und 60): 212.
Einsamer Spitzenreiter,
und damit unbestreitbarer Top-Pandemietreiber,
sind aber die Schulkinder
(zwischen 5 und 15): 930.
Und das sind die Zahlen aus dem Harzkreis;
nur mal noch zwei Zahlen,
dann ist der erste Beweisschritt abgeschlossen:
Sächsische Schweiz/Osterzgebirge: 2.767
(alle Altersgruppen: 1362).
Berlin: 958
(alle Altersgruppen: 315).
Ich brauche niemanden daran zu erinnern,
wie hoch die Inzidenzen
bei Lockdown 1, 2 und 3 waren.
Sie waren deutlich niedriger.
Der Weihnachtslockdown im letzten Jahr
erfolgte bei einer Inzidenz von: 100.
Wenn das so weitergeht,
ist die Jugend bis Weihnachten immun.
Aber:
In ganz Sachsen
sind keine 30 Intensivbetten mehr frei,
in Berlin
noch kaum mehr als 100.
Und bis Weihnachten
sind es noch sechs lange, kalte Wochen.
Mit Weihnachtsmärkten.

Aber außer ein paar, mehr als laxen Quarantäneregeln
und dem fast täglichen Testroulette
bleibt alles, als ob es keine Alternative gäbe.
Warum?
Sicher bin ich mir auch nicht.
Von perfiden Durchseuchungstaktiken
bishin zu kompletter Hilflosigkeit ist alles drin.
Oder es ist so ein Ding aus der Schwarzen Pädagogik,
damit die Jugend auf die harte Tour lernt,
was Pflichtbewusstsein sein soll.
Hältst du dich nicht an alle Regeln,
könnten Oma, Opa, deine Eltern, deine Tanten und Onkel
übermorgen schon beatmet werden.
Ich glaube allerdings,
der eigentliche Grund
ist der Horror des Homeschoolings,
den ich hier irgendwann früher schon
ausführlich beschrieben habe.
Niemand will das.
Ich auch nicht.
Aber, bis auf ganz wenige Ausnahmen,
oder die Schulen,
in denen eh schon die Hälfte der Schüler*innen in Quarantäne ist,
kann sich anscheinend niemand zu irgendwas durchringen.
Auch nicht zu meinem Lieblingsmodell
der letzten 20 Monate:
Wechselunterricht;
im Vergleich zum Digitalunterricht,
wie auch zum vollen Präsenzunterricht,
für alle Beteiligten ein Paradies des Lernens.

Stattdessen:
Keine Luftfilter,
vielleicht Maskenpflicht,
noch nicht mal CO2-Ampeln.
Nur die tägliche Angst,
die oder der nächste zu sein,
der im besten Falle
nur die nächsten 14 Tage zu Hause bleiben muss.

Da tröstet es auch nicht,
wenn der Präsident des nordrhein-westfälischen Lehrerverbands
voller Zuversicht
und beinah schon mitleiderregend gutgläubig sagt:
„Die Schülerinnen und Schüler
scheinen lernfähiger zu sein als die Politik.
Ich würde mal sagen,
drei Viertel von ihnen
tragen nach wie vor die Maske.“
Denn, ihr ahnt es schon,
das Problem sind nicht die Schüler*innen.
Es sind die Eltern.
Zwar gilt für die das gleiche,
gefühlt 75% haben es kapiert
und machen so gut sie können mit.
Lesen jede neue E-Mail,
sorgen sich,
unterschreiben ständig
irgendwelche neuen Einverständniserklärungen,
lassen sich impfen.
Aber was ihr nicht ahnt,
das ist, was die anderen 25% so abziehen.
Mal abgesehen davon,
dass ein Viertel der Kinder
bis jetzt zum Lügen erzogen wurde,
nur weil sie nicht lernen sollen,
wie man einen Popeltest macht,
und weil ihre Eltern einfach nicht
über ihren verqueren Schatten springen können.
Ich könnte allein aus den letzten zwei Wochen
zehn echte Stories erzählen,
eine absurder als die andere.
Ich belasse es bei nur einer,
von der ich gehört habe.
Ein*e Schüler*in wird morgens
von einem Elternteil
zusammen mit einer dick gefüllten Dokumentenhülle
in irgendeine Schule hier in der Umgebung gebracht.
In der Hülle befinden sich drei Sachen:
Ein mit Name und Datum beschrifteter,
negativer Schnelltest in einer Plastetüte
auf der „Biohazard“ steht
(nein, nicht die Band).
Das erste Dokument ist eine ärztliche Bescheinigung
über die korrekt ausgeführte Testung.
Die betreffende Arztpraxis befindet sich,
laut Briefkopf,
in Hamburg.
Der Test wurde laut diesem Dokument
um halb sieben morgens durchgeführt.
Per Videocall,
abgesichert durch zwei unscharfe Fotografien
des Testes, vor und nach dem Test.
Die Ärztin, eine Dr. Ansgay,
rechnet das dann bei irgendeiner Krankenkasse ab.
Und wem das jetzt mindestens shady vorkommt,
für den ist als dritte Sache
ein anwaltliches Gutachten
in der Dokumentenhülle.
Auf zehn Seiten wird erklärt,
warum die Nummer
vielleicht rechtssicher sein könnte.
Das Gutachten ist drei Monate alt
und warnt selbst (auf der ersten Seite) davor,
dass sich die gesetzlichen Bestimmungen
binnen Wochenfrist ändern können
(was sie natürlich getan haben).
Dahinter steckt ein pfiffiges Start-Up an der Alster,
bestehend aus einem Team von sechs Ärzten
und diversen Anwaltskanzleien,
das schon seit ein paar Wochen
durch die Presse geistert.
Gegen Mittag des gleichen Tages
trudeln an den Schulen
die Mails ein,
genau diese „Selbsttests“ nicht zu akzeptieren,
weil: Grauzone.
Und jetzt meine eigentliche Frage:
Warum testet man sein Kind zu Hause,
weswegen das noch früher aufstehen muss,
und bezahlt ein anwaltliches Gutachten,
wenn sich das Kind auch ganz einfach,
kostenlos und begleitet von Vertrauenspersonen
in der Schule selbst testen kann?
Ich habe viele Stunden darüber nachgedacht
und keine sinnvolle Antwort gefunden.
Falls jemand eine hat,
immer her damit.
Ganz ehrlich,
die niederschmetterndsten Momente
sind gerade die,
in denen man Kindern im Gesicht abliest,
dass sie sich dafür schämen,
dass ihre Eltern
verblendete Narzisst*innen sind.

Aber was haben die Kinder schon zu sagen?
Wie immer sind wir es,
die es besser wissen müssen.
Besser als die Kinder.
Besser als die/der jeweils andere/n.
Ist doch nur zu deren Bestem.
Denkt an die Kinder!
Zum Beispiel auch
beim kommenden „Lockdown für Ungeimpfte“.
Wie genau soll das denn für Schüler*innen ablaufen,
von denen mehr als die Hälfte noch gar nicht geimpft werden kann?
Müssen die dann zu Hause bleiben?
Hybrider Unterricht?
(Bitte nicht, siehe weiter oben.)
Oder sind die davon ausgenommen?
(Bitte nicht, siehe noch etwas weiter oben.)

Die Lösung liegt wie immer auf der Hand,
außer für uns Scheeple.
Freies Lernen im Schrebergarten,
es werden sich schon noch
ein paar geschasste Reformpädagogen finden.
Oder vielleicht auf einem Bauernhof?
Kein Problem:
Vor einer Woche berichtet
die Hessenschau folgendes,
(leicht gekürzt):

„Aus Sorge um die Auswirkungen
der staatlichen Corona-Maßnahmen
wollen Eltern in Mittelhessen
eine Ergänzungsschule gründen.
Dort sollen ihre Kinder
„frei lernen“ können.

Sie suchen nach Lernorten
im Lahn-Dill-Kreis und in der Region Weilburg,
an denen sie ihrem Nachwuchs
alternative Lerninhalte
außerhalb des staatlichen Schulsystems bieten wollen.

Der hr konnte Einblick nehmen
in das interne Netzwerk
hinter der Elterninitiative.
In diesem als „Vernetzungsgruppe“ bezeichneten Chat
werden politische Ansichten ausgetauscht,
wie sie in der „Querdenken“-Bewegung,
bei „Reichsbürgern“
und unter selbst ernannten Völkischen Siedlern
üblich sind.

So schreibt eine Teilnehmerin, d
ie sich als Schamanin bezeichnet:
„Patrioten, schaut euch unbedingt
diese wahren Geschichten an.
Die wirkliche Wahrheit
über das deutsche Volk.
Denn die zionistischen Alliierten
sind das wahre Feindbild gewesen.
In allen KZs wurden keine Juden vergast.
Sie wurden ausgewiesen.“

Ein Post im offenen Elternchat
mit einer Anfrage,
über die politischen Hintergründe
der Bauernhofschule zu sprechen,
wurde nach kurzer Zeit gelöscht.
Danach schrieb Nutzerin „Christiane“
in der „Vernetzungsgruppe“:
„Ich habe eben einen Journalisten
aus der Gruppe entfernt.
Wir reden nicht mit der Presse.
Bleibt wachsam.“

Ich mach es kurz zum Schluss,
morgen ist schließlich wieder Schule:
Wenn demnächst an solchen Schulen
dann ungestraft das Rudolf-Heß-Lied
abgesungen werden darf,
dann wird ja wohl auch
„Sag mir, wo du stehst“
wieder ok sein.
Immerhin weiß ich ja sowieso am besten,
was für Kinder am besten ist.
Und ja,
dass in dieser Episode
nicht einmal das Wort
irgendeines Kindes erwähnt wurde,
das ist Absicht,
schließlich heißt es ja nicht,
man solle die Jungen ehren,
sondern eben die Alten,
nicht wahr?
Denn die wissen wenigstens schon,
was sie nicht tun.
Nur eines,
das gestehen sich nur ganz wenige ein:

„Wer älter ist, hat länger Schuld.“

(Erich Kästner, 1946)

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