So.
Der Blick aus dem Fenster
lohnt im Moment nicht.
Am frühen Freitag Abend
ist der Himmel über Quedlinburg
dunkelgrau und schwer verhangen.
Den ganzen Tag blies ein ungewöhnlich heftiger Wind,
über den die Migräneanfälligen
gestern schon ein Lied hören konnten.
Unter der Woche allerdings
hatte die Sonne schon genügend Kraft,
um davon mal wieder etwas abzugeben;
der Frühling kommt erneut früh in diesem Jahr,
und ein weiterer tiefdunkler Winter
dauert wenigstens
nicht noch länger an.
Was liegt da also näher
als der Karneval?
Morgen steigt im Kaiserhof
die prunkvollste Prunksitzung
des bisherigen Jahrzehnts,
die Latte liegt dementsprechend tief.
Auf Massenbesäufnissen
als jemensch anderes
grölend irgendwelche Geister austreiben.
Die dümmste Tradition,
seit der Eskapismus Tradition ist;
wir hatten das schon.
Im letzten Jahr fielen die Umzüge
mit dem Kriegsbeginn zusammen,
und selbst ich war mir nicht zu dumm,
eben diesen
hier zu einem Karnevalsumzug zu machen.
Was sollten wir auch machen?
Als ob nicht eh schon alles
beschissen genug gewesen wäre,
musste dieses Arschloch
jetzt auch noch Ernst machen.
Fast alle befürchteten Schrecken
haben sich dann
in den letzten 360 Tagen
bewahrheitet,
und das Kriegsende
ist in endlose Ferne gerückt.
Noch vor der aktuellen SiKo
bezifferte der Nato-Generalsekretär
die weitere Dauer auf
„viele, viele, viele, viele (sic) Jahre (sic).“
Unsere nur am Rand betroffenen Köpfe
bleiben also weiter gesenkt
und haben schon einen steifen Nacken
vom ständigen Schütteln.
Deswegen mache ich jetzt einfach
auch eine Tradition draus,
nur nicht mehr ganz so ambitioniert wie letztes Jahr.
Ein Blick ins Skizzenheft
für die diesjährigen Umzugswagen
soll genügen.
Traditionen müssen sich abnutzen,
sonst wären sie ja keine.
Helau!
Erster Wagen
(„Heute dort, morgen hier – die verdrängte Katastrophe“)
– die Bildschirmattrappen aus dem letzten Jahr, leichte Verschleißspuren
– keine Musik
– auf den Bildschirmen Liveaufnahmen:
1. Katastrophenfall in Südafrika (Überschwemmungen)
2. Notstand in Neuseeland (Cyclone Gabrielle)
3. Chemieunfall in Ohio („dräunde schwarze Wolke“)
Zweiter Wagen
(„Umbrella“)
– der Hologramwagen aus dem letzten Jahr, Projektionen glitchen ab und an
– Musik: Rihanna (Medley)
– über einem aufgespannten, regenbogenfarbenen Regenschirm
schweben zahlreiche, schwer zu beschreibende Flugobjekte, einige sehen aus wie Ballons, andere könnten auch UFOs sein, wieder andere gleichen einem American Football
– im Off sind die Fetzen eines Dialogs zu hören:
„Snowden sacht ja, die Teile sind nur ein Ablenkungsmanöver.“
„Wovon?“
„Ist doch egal, jibt doch jenuch.“
„Ich hab ja jelesen, wejen dem Chemieunfall in East Palestine.“
„So wie in DeLillos White Nosie?“
„Exakt genauso, nur in echt.“
Dritter Wagen
(„Ghosts from the past“)
– eine Trumpfigur von vor fünf Jahren, ramponiert wie das Vorbild
– keiner lacht
– die Figur fällt immer wieder um, weil sie von einer als Nikki Hailey verkleideten Frau immer wieder lustlos geschubst wird
Vierter Wagen
(„Verschwörungseisberg“)
– Hans Georg Maaßen sitzt auf einem steinernen Thron, in Denkerpose, mit Taucherbrille (sehr klein) und Sauerstoffgerät
– das schnell zusammen gezimmerte „Bühnenbild“ soll wohl Atlantis darstellen
– nicht wenige lachen
– Musik: Ouvertüre aus Wagners „Tannhäuser“
Fünfter Wagen
(„Once more with less feeling“)
– eine Wahlurne aus Plexiglas (4x2x2m)
– daneben ein Bär mit Krone, der sich an Briefwahlunterlagen satt frisst
Sechster Wagen
(„Kein Applaus für Scheiße“)
– ein Standbild mit zwei Personen:
Ballettchef (mit Schal und Sonnenbrille), neben ihm ein Dackel, schmiert Kunstkritikerin eine braune, flüssige Masse ins Gesicht
– Musik: Scorpions: „Don’t believe her“
Siebenter Wagen
(„money for nothing“)
– ein Studentenensemble tanzt um einen Amtsschreibtisch, voll ausgestattet (Faxgerät, C-64, Telefon mit Drehscheibe)
– Eurythmiekenner lesen: „too little too late“
Achter Wagen
(„Modern Denken 5.0“)
– das Originalmodell des zukünftigen Zukunftszentrums in Halle, inklusive Riebeckplatz, stilecht in hässlichstem Grau
– fällt nach wenigen Metern in sich zusammen
– Statisten werfen dicke Geldbündel auf den Wagen
Neunter (und bereits letzter) Wagen
(„fast forward to the past“)
– der russische Panzer aus dem letzten Jahr, neu angestrichen
– darauf eine Kadyrow-Attrappe mit Megafon:
„Die DDR muss ihren Platz in der Hierarchie wieder einnehmen“
– erneut leise Dialogfetzen:
„Hat der wirklich gesagt!“
„Ich weiß.“
Gut.
Genug gelacht.
Schließlich gibt es ja auch noch
andere Jeckentreffen.
Eines unlustiger als das andere.
In München aber
wird es bierernst.
Auf der öffentlichen Prunksitzung
des berühmt-berüchtigten „Westens“
lassen sich die Büttenredner
vor der Weltpresse aus.
Das weltläufige Bühnenbild
ist dabei übersät mit Waffen.
Denn nur darum geht es
auf der diesjährigen „Sicherheitskonferenz“.
Im Programmheft
ist die aktuelle Versorgungskrise des MIK
noch mal in random Talkingpoints zusammengefasst:
1. Komplexität/Abgefucktheitsgrad (Beispiel)
– Das US-Militär zieht in Betracht, der Ukraine Tausende beschlagnahmter Waffen und mehr als eine Million Schuss Munition zu schicken. Die Ausstattung soll einst für vom Iran unterstützte Kämpfer im Jemen bestimmt gewesen sein. Mehr als 5.000 Sturmgewehre, 1,6 Millionen Schuss Kleinwaffenmunition, eine kleine Anzahl von Panzerabwehrraketen und mehr als 7.000 Annäherungszünder. Es handele sich um beschlagnahmtes Gut aus den vergangenen Monaten und stamme von Schmugglern vor der jemenitischen Küste, die verdächtigt worden seien, für den Iran zu arbeiten.
2. „Flügel für die Freiheit“
– erstmal nicht (unsichere Finanzlage)
3. Bröckelnde „Panzerkoalition“
– Deutschland bleibt Führungsmacht einer viel zu kleinen Streitmacht (unsichere Finanzlage)
4. Lage im Kriegsgebiet
– ukrainischer Verteidigungsminister tritt doch nicht zurück
– Durchbruch in Luhansk (Kreminna)
– Ballons über Kiew
– Prigoschin kündigt Einnahme von Bachmut bis April an
– Russland nutzt „Scheinraketen“ und „Ballons“ (Verschleiß der Luftabwehr)
– Bachmuth wird „evakuiert“
– Fazit: Weiter durchhalten
5. Russland
– Lawrow kündigt neue Doktrin in der Außenpolitik an
Das Publikum (wir) ist maximal gespannt,
obwohl es den Ausgang bereits kennt.
Die Antwort wird wie immer lauten:
Mehr Geld.
Vor den Fenstern der Sitzungsgebäude
in München
demonstrieren Tausende,
wie jedes Jahr,
gegen die „Sicherheitskonferenz“.
Mit weniger Geld.
Und ohne Waffen.
Antikriegsdemonstrationen
waren ja mal Gelegenheiten,
sich bei einer Sache
ganz einfach
einig zu sein.
„Nie wieder Krieg“.
Hat jedem sofort eingeleuchtet.
Heute ist allein die Nähe zum Pazifismus
immer mehr in die Nähe des Verrats verrückt.
Und seit Ende dieser Woche
gibt es offiziell mindestens 500.000 Verräter.
Sarah Wagenknecht wähnt sich
auf den Spuren von Karl Liebknecht.
Und laut Alice Schwarzer
sind 500.000 schon fast ne Million.
Das Manifest veranlasst selbst
die Kommunistische Plattform in der Linken dazu,
den Parteivorstand aufzurufen,
sie solle doch auch zum Protest
am Brandenburger Tor aufrufen.
Was dieser aber nicht macht.
Es ist ja nicht verboten hinzugehen.
Ich tippe, von heute aus,
auf 50.000 bis 100.000 „Nationalpazifisten“
(je nach Wetter)
am nächsten Wochenende in Berlin.
Mensch, sogar Habermaß hat sich noch
in den Diskurs eingeschaltet
und (de-)konstruiert einen
„bellizistischen Tenor
einer geballten öffentlichen Meinung“.
Jetzt müssten allerdings genug Menschen wissen,
wer Jürgen Habermaß ist
und warum der was zu sagen haben könnte.
Dem ist aber nicht so.
Intellektuelle sind wieder verdächtig.
Und während sich
die Neointellektuellen der Social-Media-Ära
ununterbrochen weiter über diese ganze
intellektuelle Friedenshetzerei empören,
verpassen sie die Entwicklungen
auf ihrem einstigen Schlachtfeld:
„Refugees welcome“ no more.
Ausgerechnet die FDP
stößt in diesem Moment der Zuspitzung
auf nur noch ein Thema
(Waffen ja oder nein?)
die lange schwelende Umverteilungsdebatte an.
Das Boot ist mal wieder voll!
Frankreich hat nur ein Zehntel
von dem aufgenommen, was wir haben,
Polen fünf mal mehr.
Ungerechtigkeit!
Deswegen:
Flüchtlingsgipfel.
Noch so eine sinnlose Sitzung dieser Tage:
Die Finanzierungsfrage wird in den April vertagt.
Die CDU ist sauer, wegen: keine Obergrenze.
Eine Prämie für Privathelfer
wird diskutiert, und abgelehnt.
Ich weiß, ich weiß.
Alles nicht lustig.
Aber nicht mal schnell Wegschauen
würde noch was bringen.
Also schauen wir eben
noch genauer hin,
sorry, not sorry.
Der ehemalige Chef der SiKo,
Wolfgang Ischinger,
verrät im Grunde schon vor Beginn der Veranstaltung,
wie das eigentliche Wording ist,
dann braucht es später niemand mehr selbst auszusprechen.
Er fordert, Zitat:
Klarheit über die „Kriegsziele des Westens“.
So weit, so offiziell.
Boris Pistorius (deutscher Verteidigungsminister)
sekundiert:
Die 2% Nato-Beitrag müssen zukünftig
die totale Untergrenze sein.
Der aktuelle Chef der SiKo,
Christoph Heusgen,
fordert die „Deputiniserung Russlands“.
Und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg
haut den weiter oben schon erwähnten,
vierfachen MIK-Bolzen raus.
Hau, die weißen Männer haben gesprochen,
endlich kann die Bütt eröffnet werden.
Im Publikum haben alle Platz genommen,
die Taschen weit geöffnet,
alle warten auf das Vollhauen.
Und alle sind da,
außer Russland, der Iran und die AfD.
Also offiziell.
Nur Joe Biden nicht.
Der fliegt lieber gleich nach Polen,
ins neue Powerhouse Europas.
Klingt komisch?
Ist aber so:
„An jedem einzelnen Tag
kann man spüren,
wie das Gravitationszentrum aus Deutschland,
wo es historisch durch den Kalten Krieg lag,
nach Polen wandert,
nach Warschau.“
(Der polnische Generalstabschef Andrzejczak
in einem Interview beim liberalen US-Sender MSNBC)
Die erste Rede der SiKo
wird dann von einem Schwarzen Spiegel aus gehalten,
und ihr ahnt sicher schon von wem.
Seine Botschaft:
„Goliath muss verlieren.“
Also her mit den Steinschleudern,
und zwar auch mit den verbotenen!
Der ukrainische Vizeregierungschef,
Olexander Kubrakow,
fordert parallel vor der Weltöffentlichkeit
Streumonition,
Phosphor- und Brandbomben.
Da wird sogar der Waffennarr wieder Willen,
Anton Hofreiter, skeptisch.
Scholz redet dann auch was,
nämlich dass er es für „weise“ hält,
„sich auf einen langen Krieg vorzubereiten.“
Chinas Spitzendiplomat und Ex-Außenminister,
Wang Yi,
kündigt trotzdem eine Friedensinitiative
für ein Ende des russischen Angriffskrieges
gegen die Ukraine an:
„Wir werden etwas vorlegen.
Und zwar die chinesische Position
zur politischen Beilegung der Ukraine-Krise.“
Aha, also nur weil der Westen
jetzt Krieg sagt,
müssen da noch nicht gleich alle mitmachen.
„Wir werden auf der Seite
des Friedens und des Dialoges standfest stehen.“
Denn für eine sicherere Welt
seien „die Prinzipien der UN-Charta etwas,
das wir hochhalten müssen.“
Welche Prinzipien genau,
das ließ er offen,
das fertige Papier
soll am Jahrestag vorgelegt werden.
Dann folgt noch der absehbare Rant
gegen die USA
(„Chip-Wars“, Taiwan).
Ursula von der Leyen
lenkt schnell aufs eigentliche Thema zurück
und verspricht
Abnahmegarantien für die Rüstungsindustrie.
Den Tag vorläufig abschließen
darf Kamela Harris,
die sich ihre raren Auftritte
offensichtlich gut auswählt.
Ihre Message aus dem ganz fernen Westen:
„Putin ist gescheitert.“
Zumindest mit der „Entzweiung des Westens“.
Also schauen wir doch nächstes Jahr noch mal nach,
die SiKo bleibt bis dahin Tradition.
Der MIK braucht seine Bühne.
Denn die paar Mass-Shootings jede Woche,
aktuell: Michigan State University (3 Tote + Schütze),
Kleinstsiedlung in Mississippi (6 Tote),
die reichen nicht,
um die Produktion hochzufahren.
Erst Recht nicht,
wenn Joe Biden immer noch stur
ein schärferes Waffenrecht fordert.
So.
Inzwischen ist Sonntag Nachmittag.
In der vergangenen Nacht hat es durchweg geregnet,
der Wind ist deutlich abgeflacht,
die Sonne hielt sich heute stundenlang am Himmel
und verschwindet immer noch zu früh
hinter den Dächern der Stadt.
Also kann ich den Blick
getrost wieder auf den Bildschirm sinken lassen.
Seit Wochen halte ich mich davon ab,
im Hintergrund dieser Chronik
bereits an einer weiteren zu arbeiten,
die es aber erst im Sommer
wirklich zu schreiben gilt.
Die Route meiner kommenden Reise
konkretisiert sich jeden Tag mehr,
meine Gedanken kreisen
bereits verdächtig oft
um alle möglichen und unmöglichen Erlebnisse.
Auch um Mass-Shootings.
Hier nur ein Albtraum:
Am 4. Juli, spätabends
betritt ein deutscher Provinzlehrer
einen Liquorstore (Späti) irgendwo in den Ozarks,
mitten im mittelwestlichen Missouri.
Während draußen der Himmel von Feuerwerk erhellt ist,
wird er dabei Zeuge eines bewaffneten Raubüberfalls,
etwas von dem der Provinzlehrer denkt,
es wäre hier gar nicht so ungewöhnlich.
Zuhause wird am nächsten Morgen
von 4 Toten berichtet,
alle werden mal wieder geschockt sein.
Dabei war es gar kein Mass-Shooting,
der Provinzlehrer hat es selbst erlebt,
es war ganz normal,
in den Ozarks, in Missouri.
Okay, ich gebe zu,
das war reichlich konstruiert,
aber auch solche Träume stellen sich ein,
wenn man vorhat,
durchs Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu reisen.
Anything could happen.
Und ja, ich gebe auch zu,
noch viel lieber würde ich stattdessen
von einem ganz anderen Sommer träumen:
Vom ersten Sommer nach dem Krieg.
Aber mir ist auch klar,
dass so dumm
nicht mal Hans Guck-in-die-Luft gewesen wäre
(was übrigens die einzige Verkleidung gewesen wäre,
die ich auf einem diesjährigen Karneval
wirklich lustig gefunden hätte).
Mit der Nase hoch oben im Pazifistenhimmel
würde ich runter auf die Erde schauen,
wo sich doch noch alle eingekriegt haben.
Die Waffen schweigen.
Die Menschen sind vernünftig.
Die Welt reißt das Ruder rum,
fünf Sekunden vor Mitternacht.
Ha.
Ha.
Ha.
(Tusch!)
Denn es sieht momentan
eher nach dem letzten Sommer
vor dem Krieg aus,
diesmal dann Weltkrieg,
Nummer drei.
Denn auch im Nahen Osten
fliegen sich die Bomber weiter warm.
Syrien wird nicht mehr nur aus dem Norden weiter attackiert,
auch aus Israel kommen wieder Angriffe.
Erst heute Nacht wurde Damaskus beschossen.
Nur mit etwas Glück
ist auch das nur ein riskantes und mörderisches Ablenkungsmanöver,
denn auch an diesem Wochenende
versammelten sich erneut Zehntausende in ganz Israel,
um gegen die morgen beginnende Justizreform zu demonstrieren.
Netanyahu kennt das Playbook inzwischen auswendig.
Und denkt sich, wie alle anderen:
Jetzt ist eh alles egal,
Augen zu und durch;
nich’ lang schnacken,
Kopp in Nacken!
An dieser Stelle dann
eine kurze, halbherzige Entschuldigung
für den sich hier ausbreitenden Zynismus.
Über den Winter hat sich anscheinend
einiges an Galle angesammelt.
Und so langsam verstehe ich auch
die tieferen Bedeutungen der fünften Jahreszeit,
und besonders von deren Ende.
Aus gesundheitlichen Gründen
konzentriere ich mich dabei aber mehr
auf die dann jetzt logischerweise folgende
erste Jahreszeit,
und besonders auf deren Anfang.
Nachdem ich also frisch geupdatet bin,
was meine Immunität gegen Covid-19 anbelangt,
kann ich mich kerngesund
in die Fastenzeit stürzen.
Ab Mittwoch gibt es 40 Tage lang:
keine Nahrung aus Tieren (vegan),
keinen Kaffee,
keinen vermeidbaren Zucker,
deutlich weniger Fluppen.
Runterfahren, Detoxing,
Konzentration auf’s Wesentliche,
weniger schlechtes Gewissen,
mehr Gesundheit
und hoffentlich wieder
wenigstens etwas mehr Optimismus,
bei deutlich weniger Zynismus.
Dann schmeckt der Osterbraten
mit Sicherheit viel besser.
Der ganze Spaß wird inzwischen
sogar finanziell überschaubar,
Hafermilch schmeckt nicht nur besser als man sagt,
inzwischen ist sie billiger als Kuhmilch.
Und nach Lidl
zieht sich jetzt auch Aldi
aus dem Fleischverkauf zurück,
zumindest im Billigpreissegment.
Ein Rest Zynismus bleibt unvermeidbar.
Gut,
der Abend zieht auf,
und ich erhebe meinen Blick
gleich wieder von der Tastatur.
Ein paar Kamellen muss ich aber noch zusammenkehren,
und für den Schluss
hat mir der Basketball
mal wieder einen Alley Oop Pass zugeworfen,
den ich mit Freuden verwandeln werde,
denn #DieDoppeltenZwanziger
schließen ihre Klammern weiterhin
vorzugsweise mit Stil.
Zuvor allerdings noch der Blick auf die Straße.
Bevor am nächsten Wochenende
in Berlin (und in Ramstein)
dann die Revolutionen ausbrechen,
geht es im Öffentlichen Dienst,
wie besprochen, geordnet und ein bisschen wütend zu.
Am Montag versammelten sich immerhin
über 2.000 sachsen-anhaltinische Pädagogen
in der Landeshauptstadt/Bördemetropole
und ließen sich Mut zusprechen,
unter anderem auch von Susan aus Quedlinburg,
eine muss es ja tun.
Als kleiner Warnschuss mag das reichen,
eine Reform des Erziehungswesens
steht aber anscheinend nicht ins Haus.
Warum auch?
Auch ansonsten bleibt es ruhig,
nur die üblichen Verdächtigen,
die, die es am nötigsten von allen haben,
die Flugbranche,
die legt am Freitag tatsächlich mal alles lahm,
für einen ganzen Tag.
Endgültig hinzuschmeißen,
das können sich aber die wenigstens erlauben.
Aber auch in dieser Woche
haben genau das wieder zwei Personen getan,
bei denen der Rückzug besonders schmerzt.
In Schottland lässt es Nicola Sturgeon gut sein
und kann nur noch hoffen,
dass sich ihre Bemühungen
nicht sofort in Luft auflösen.
In Deutschland ist es Lothar Wieler,
ehemaliger Sidekick von Prof. Drosten
und bald also ehemaliger Chef des RKI.
Mehr konnte er nicht tun.
Und lässt jetzt jemand anderen
den Menschen erklären,
dass Gesundheit auch
etwas mit Rücksichtnahme zu tun haben könnte.
Derweil steigen erneut die Infektionszahlen,
obwohl nur die allerwenigsten
noch wissen, was ein PCR-Test ist.
Ohne Überleitung
dann also jetzt
ein letztes Mal verstohlen
nach oben geschaut.
Denn über uns,
mit dem Kopf auf Ringhöhe
schwebt seit heute Nacht
ein neuer Star
am Himmel der Slam-Dunk-Artisten.
Die Zeiten von White Men Can’t Jump
sind endgültig Geschichte,
nachdem ein Vorzeigeweißbrot
den NBA-All Star Saturday abgefackelt hat:
Mac McClung, gefühlt man gerade so 1,80m,
toppt seine Darbietung
mit einem beidhändigen
(almost) 720 Windmill Reverse Dunk,
in seinem Highschooltrikot.
Eine glatte 50.
25.000 Zuschauer in Salt Lake City
können ihre Blicke gar nicht mehr
vom riesigen Videowürfel unter Hallendecke abwenden,
mit jeder Zeitlupe wird das Ding geiler.
Das heutige All Star Game
werde ich allerdings nicht gucken.
Genauso wenig wie die Übertragungen der Berlinale
oder gar vom Wiener Opernball.
Das alles ist genauso zum Weggucken
wie sonst irgendein Schaulaufen
von irgendwelchen Übermenschen.
Auch wenn es wunderschön anzusehen ist,
da sind mir einfach zu wenige Köpfe gesenkt.
„Who will make the shoes for your feet?
Who will make the clothes that you wear?
Who’ll take the promise
that you don’t have to keep?
Don’t look now,
it ain’t you or me.
Don’t look now,
someone’s done your starvin‘;
Don’t look now,
someone’s done your prayin‘ too.“
(Creedence Clearwater Revival: Don’t look now (it ain’t you or me). 1969.)

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