Stop the show
„You don’t tell me anything.
Its not a dream.
Its not a big lie.
You’re not going anywhere.
You don’t care.
You think that’s fine.“
Dieses Mal sind wir also selber schuld.
Ganz offensichtlich haben wir nichts
bis sehr, sehr wenig gelernt
in den letzten zwanzig Monaten.
Das sehr, sehr wenige dürfte aber sein,
dass wir wissen,
wann die Kacke am Dampfen ist.
Nämlich dann,
wenn Christian Drosten Tacheles redet.
Dazu gleich mehr.
Denn die Absurdität der Realität
ist ebenfalls auf einem neuen Allzeithoch angekommen,
und das will was heißen.
Zu beobachten ist das inzwischen überall,
besonders eindrücklich aber am elften Elften (11!11!!)
und zwar hier,
vor dem Quedlinburger Rathaus.
Es folgt eine leicht gekürzte,
aber garantiert völlig fiktionsfreie
Wiedergabe der Ereignisse:
Auf der Treppe
unseres weltberühmten Postkartenmotivs
stehen am frühen Abend circa dreißig Personen,
die allermeisten davon Kinder.
Alle in irgendeinem Karnevalsoutfit.
Quer vor die ganze Breite der kleinen Meute
wird ein großes, unbedrucktes gelbes Transparent gehalten,
so dass die ersten Stufen der Rathaustreppe
(noch) verborgen bleiben.
Das Publikum dieses sich entfaltenden Schauspiels
besteht aus gut 250 Menschen,
die von Abstandsregeln
anscheinend ebenso wenig etwas gehört zu haben scheinen,
wie von den, an diesem Donnerstag gemeldeten
über 50.000 Neuinfektionen
(womit Deutschland das erste Mal seit Pandemiebeginn
aktuell an der Spitze aller Länder steht).
Plötzlich bahnt sich ein Lastenrad
seinen Weg durch die Menge,
und auf ihm wird das Prinzenpaar
des hiesigen Karnevalsvereins herankutschiert.
Begrüßt werden die beiden
von einer Art Moderator,
der auch eine lustige Mütze aufhat.
Er winkt den Anwesenden
und weist sofort darauf hin,
dass alle auf der Treppe
geimpft-oder-genesen-oder-gestest sind,
wegen Corona, oder Carina, oder was es alles gibt.
Aber! Was ist mit dem Prinzenpaar?
Das weiß man noch nicht!
Was also tun?
Ganz klar:
Das Prinzenpaar solle doch bitte
die Maske (das gelbe Transparent) zerreißen,
und einfach mal schauen,
was dann passiert.
Das Prinzenpaar hat dabei keine Bedenken,
stellt sich beim Zerreißen
auch ziemlich ungeschickt an,
wird dahinter aber natürlich
durch zwei Coronaviren überrascht.
Das Geschrei ist groß,
die Viren verfolgen das Prinzenpaar
sogar bis ins Publikum.
Der Moderator hat aber schon
die todsichere Lösung:
Zwei verkleidete Kinder
mit großen Spritzen in der Hand
verfolgen jetzt die Viren (!)
und spritzen sie einfach vom Marktplatz.
Das Prinzenpaar reiht sich derweil unbemerkt ein.
– An dieser Stelle bin ich dann gegangen.
Ach, eins noch:
Gelacht hat bei der ganzen Aktion niemand,
ich habe extra,
mit offenem Mund
drauf geachtet.
Aber einfach dazwischen zu schreien,
und mal zu fragen,
wie bescheuert man eigentlich noch sein kann,
das habe ich mich auch bloß nicht getraut,
und das hätte auch nichts geändert.
Genauso wenig,
wie diese Chronik hier etwas daran ändern wird.
Aber das ist den Doppel20ern
bekanntermaßen gleichgültig,
weswegen auch nach diesem Ausflug
in die provinzielle Groteske
jetzt richtig Platz gemacht wird
auf dem Schwarzen Spiegel,
für das größere Bild.
Denn:
„Weihnachtsmarkt ist kein Ballermann!“
Und Weihnachtsmarkt ist nicht nur in Quedlinburg,
sondern bald auch überall.
Und wenn‘s sein muss,
dann eben mit 2G+!
Nur Markus Söder,
der Glühwein bestimmt,
wie jeder halbwegs vernünftige Mensch,
eher so mittel findet,
der gibt gleich mal wieder
den Onkel von der vorsichtigen Abteilung
und kann sich vorstellen,
dem Christkind in diesem Jahr
nochmal abzusagen.
Und sei es nur,
um die nächste Regierung
gleich mal dumm dastehen zu lassen;
bei Machtmenschen weiß man ja nie.
Die Ampel allerdings
hat ihren Plan jetzt also fertig:
Vize- und Baldkanzler Scholz
will „das Land winterfest machen“
(seit über einer Woche
haben wir morgens bereits
Minustemperaturen).
Wie er das jedoch machen will,
wenn doch ab Ende nächster Woche
die einzelnen Länder alle selbst entscheiden müssen,
wie viele Menschen sie sterben lassen müssen,
das verrät Olaf Scholz erst mal nicht.
Der „Instrumentenkasten“ sei ja da,
da müssen die Ministerpräsident*innen
doch einfach nur reingreifen,
verboten ist ja nix.
Vielleicht verrät er denen aber
seinen Geheimplan,
wenn schon nächste Woche alle
noch mal nach Berlin eingeladen werden:
Bund-Länder-Runde,
Reifenwechsel vor dem ersten Schnee.
Und wenn der dann wieder getaut ist,
dann ist endlich „Freedom Day“:
Angeblich sollen
ab dem 19. März 2022
alle Maßnahmen auslaufen dürfen.
Na! Wenn das mal (k)ein Plan ist!
Der Noch-Gesundheitsminister
findet das immerhin:
„Mutig!“
So.
Und jetzt zur Wahrheit.
Es spricht, genau,
Christian Drosten:
„Wir sind schlimmer dran
als vor einem Jahr. …
Vielleicht werden es
nochmal 100.000 Tote.“
Also, wie erwähnt:
Noch weniger
als nichts gelernt.
Aktuell steht Deutschland
schon wieder bei mehr
als 200 Toten täglich.
Bliebe es bei diesem Schnitt,
hätte sich Christian Drosten geirrt,
bis Mitte März wären das
nur 30.000.
Dass es im letzten Jahr
nur 100.000 waren
könnte aber auch was
mit den Maßnahmen zu tun gehabt haben,
die wir alle so satt haben.
Davon haben wir
momentan (noch) nicht sehr viele,
dafür aber eine
bei weitem nicht ausreichende Impfquote
(Vergleich mit Spanien:
92% = Pandemie unter Kontrolle;
Deutschland:
gerade so 70% = keine Kontrolle).
Ich gehe davon aus,
dass auch die neue Regierung
keinen zweiten „Corona-Winter“
im Portfolio haben möchte,
weswegen wir auch um Lockdowns
nicht herum kommen werden.
In Bayern werden diese bereits,
aber zu spät vorbereitet:
Der Katastrophenfall
ist wieder in Kraft getreten.
Dem ebenfalls verspäteten
Vorbild Österreichs folgend,
kommt also mindestens
der „Lockdown für Ungeimpfte“,
und zwar hoffentlich nicht wieder
erst kurz vor Weihnachten,
als für viel zu viele Tage
viel zu viele
Todesanzeigen erschienen.
In Berlin gehen sogar schon
die ersten Schulen zurück ins Wechselmodell,
während die Krankenhausgesellschaft bereits zugibt,
dass die kommende Überlastung der Kliniken
nicht mehr aufzuhalten ist.
Und was man nicht mehr aufhalten kann,
das kann man wenigstens noch „kontrollieren“.
In Sachsen sollen das jetzt
Gonndrolldeems machen.
Und zwar pro Landkreis gleich mal drei davon!
Die gucken dann wenigstens da mal vorbei,
wo vielleicht nicht richtig kontrolliert wird.
Beim Karneval wird sowas gar nicht erst versucht.
Nicht nur im Rheinland tummeln sich tausende cringe Cosplayer
und lachen dem Virus ins Gesicht.
Der Kölner Karnevalsprinz
wird einen Tag vor dem Beginn der fünften Jahreszeit
positiv getestet und muss in Quarantäne.
Tätäää, tätäää, tätääääääää, tusch.
Und in ganz Mitteldeutschland fallen
am 11.11. stundenlang die Notfallnummern aus.
Ist inzwischen auch egal,
die Show muss zwar nicht,
geht aber trotzdem weiter.
Nur ganz heimlich wünschen sich
dann doch einige so einen kleinen, richtigen Lockdown zurück.
Wie gut das wäre!
Ein paar Wochen runterkommen,
die Krankenhäuser zu Luft kommen lassen,
und wenigstens ein paar Todesanzeigen weniger.
An dieser Stelle eine kleine Erinnerung,
es ist ja alles schon so lange her:
Das allerallererste, was in ganz Europa, in der gesamten Welt
im März 2020 geschlossen wurde,
waren die Schulen und Kitas.
Blickt man heute auf
die Verteilung der Inzidenzen in den Altersgruppen,
bleibt einem nur noch Kopfschütteln,
denn natürlich sind die Schulen und Kitas die Hotspots.
Abertausende Virenkarussels
sorgen dafür,
dass das Grauen kein Ende nimmt.
Fast am gruseligsten dabei
sind dann Eltern,
die allen Ernstes so Sachen behaupten,
wie dass sie ihre Kinder im Schlaf testen würden,
weswegen diese sich jetzt wunderten,
dass der Test in der Schule so unangenehm ist.
Oder die gleich behaupten,
sie wüssten, dass die Teststäbchen
giftig sind. (true story)
Und die sich am Martinstag vor den Kitas versammeln,
als ob auch der letzte noch bereit ist,
wegen ein paar hübscher Laternen,
Partymucke, Bratwürsten
und sicher auch dem ein oder anderen Glühwein
seine Gesundheit zu zerteilen.
Stehen bleiben möchte man,
und alle mal kräftig schütteln.
Aber man geht weiter,
und schämt sich dafür zu denken:
Selber schuld.
„And when you know
to stop the show
because you know
they know
I know its sad.
But don’t feel bad.
They knew
they had it coming.“
(Built to spill: Stop the show. 1997)

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