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Queendom Come (S10:Ep6)

von | 2024 | 11. Februar | Die Serie, Staffel 10 - But Here We Are ...

 

„Diese wunderbaren Berichte erfüllten mich mit bisher ungekannten Empfindungen. War der Mensch wirklich so mächtig, so tugendhaft und großartig und gleichzeitig doch so bösartig und gemein? Mal kam er mir vor wie ein bloßer Spross des Bösen, mal wie die Verkörperung alles Edlen und Göttlichen vor. Ein großer und tugendhafter Mann zu werden, schien mir die höchste Würde, die ein denkendes Wesen erringen konnte; bösartig und gemein zu sein dagegen, wie es den Zeugnissen nach viele Menschen gewesen sind, schien die allertiefste Erniedrigung zu sein, verächtlicher als das Dasein des blinden Maulwurfs oder des harmlosen Wurms. Lange Zeit konnte ich nicht begreifen, wie ein Mensch soweit gehen konnte, seinen Nächsten zu töten, oder warum es überhaupt Gesetze und Regierungen gab. Aber als ich die Berichte über Laster und Blutvergießen hörte, ließ mein Erstaunen nach, und ich wandte mich voller Abscheu und Widerwillen ab.“

(Mary Shelley: Frankenstein. 1818. Übersetzt von Ursula und Christian Grawe.)

 

 

So.
Keine Angst.
Diese Episode wird nicht den Versuch unternehmen,
irgendwie gruseliger als sonst zu sein.
Dafür ist gerade
schon genug Fasching überall
(Tusch!).
Auch hier im Weltkulturerbe
beleben sich die Gassen wieder,
auf dem Markt wird Eis geschleckt,
und die ersten Schönwettertouris (Samstag)
werden mit Dudelsack und Gitarre empfangen.
An den Waldrändern
und in den Vorgärten
stehen lavendelfarbene Krokusse.
Und auf den Waldwegen
laufen Familien an den ersten Weidenkätzchen vorbei.

Vorbei sind damit auch die Winterferien;
wie immer lang genug,
um doch noch schnell
irgendeine Erkältung auszukurieren.
Oder:
Im Liegen zu arbeiten
und das Liegen
dabei wieder mal neu zu lernen:
Einen größeren Teil der letzten Woche
habe ich mit Lektüre verbracht,
oder genauer:
Lesen mit dem Stift.
Das kommt davon,
wenn sich Abiturient*innen
für Romanreferate entscheiden,
auf die sich so Provinzlehrer
dann genauso vorbereiten müssen.
Gestern beendet
habe ich dabei
das wahrscheinlich (bis gestern auch von mir)
am meisten unterschätzte Werk
der (west-)europäischen (Früh-)Moderne.
Oder:
Eine absolut endgeile Parodie
auf die Zerbrechliche Männlichkeit
im 18. Jahrhundert
(Spoiler: wie im 21. Jh.).
Mary Shelley war im Grunde
die Momo auf dem Höhepunkt der Aufklärung.
Und was sie da den Schwätzern ihrer Zeit
so abgelauscht hat,
ist zusammengefasst
das hier:
Weh mir,
ich
allein
bin schuld,
und deswegen mache
ich
einfach
immer weiter
das falsche,
um mich für mein eigenes Versagen
an irgendjemand anderem zu rächen.
Alles drin:
Jammern,
Komplexe,
Neurosen,
Psychosen,
Projektion,
Gewalt.
Frankenstein
(ja, nicht sein Monster, s.o.)
ist also ein echtes Monster von Weltliteratur.
Noch lange vor der Moderne
hat Mary Shelley
den anti-modernen (Horror-)Roman geschrieben,
der das grundlegende Problem der westlichen Zivilisation
wie kein*e andere*r nach ihr auf den Punkt gebracht hat.
Und den mensch wirklich
in drei Tagen wegsuchten kann…
Gut,
zum Rest der Lektüreliste
vielleicht in einer der nächsten Episoden,
denn auf mich warten noch
Virginia Woolf und Sylvia Plath.
Im Liegen
lernen,
dass Matrilinearität
dann wohl doch
das bessere Konzept ist.

Und damit
willkommen zurück
im 21. Jahrhundert.
In den USA
stehen die Fun Weeks an:
Grammys,
Super Bowl,
All Star Game,
Oscars.
Fast überall vorneweg:
Die aktuelle Queen of the West:
Taylor Swift.
Erfolgreichste Musiker*in … ever.
So gut,
dass ihr sogar von der wokesten Bubble verziehen wird,
dass sie mit anderen Top-Promis
Jets poolt.
Da sage doch noch wer,
es gäbe kein richtiges Leben im falschen.
Anyways,
Billie Eilish
und Boygenius
haben sich auch verdiente Preise abgeholt,
und der Höhepunkt des Abends
waren ohne Zweifel
Luke Combs und Tracy Chapman.
Geht doch.

Aber,
wie immer,
wer jetzt denkt,
die gläserne Decke ist wirklich Geschichte,
der wird schnell eines besseren belehrt.
Die Welt schaut
abseits der Künste
weiterhin vermehrt auf die Männer.
Weswegen ich,
zum Beispiel,
auch irgendwie enttäuscht bin,
von der ersten der drei(!) Statuten
für Kobe Bryant,
vor der Krypto Arena,
dem ehemaligen Staples Center,
the house that Kobe built.
Mit in den Himmel durchgestrecktem
(bandagiertem) Indexfinger der Wurfhand,
auf dem Trikot die Nummer Acht,
und nicht so sehr gesenktem Kopf
wie auf dem ikonischen Bild
von vor exakt acht Jahren,
als er in besagtem Staples Center
den Raptors 81 Punkte eingeschenkt hat
und endgültig zur Legende geworden war.
Zwei Statuen sollen also noch dazukommen:
Eine im Trikot mit der 24,
und die letzte und beste mit Gianna.
Beim Einweihungsspiel ist es übrigens wieder wie gewohnt gelaufen:
Nach drei Auswärtssiegen in Folge
(Boston, New York, Charlotte)
haben die Lakers
gegen die Champs aus Denver
wenig Chancen.

So.
Und bevor das hier vor lauter deutscher Winterferienseeligkeit
schon wieder viel zu heiter wird,
muss die Chronik ihren Blick
wieder mal nach London richten.
Denn auch da bahnt sich endlich
das 21. Jahrhundert
seinen fatalen Weg.
Unglücklicherweise durch eine Erkrankung,
gegen die immer noch kein Wundermittel gefunden wurde;
doch dazu ganz zum Ende
noch eine ganz wilde Geschichte…
King Charles III. hat also nicht nur schon den Prostatakrebs überlebt,
sondern wird jetzt eben
von einer anderen Art heimgesucht,
wie dieser Fluch von Krankheit
das nun mal so macht.
William’s Kingdom
lässt also nicht mehr lange auf sich warten,
und vielleicht wartet das Königshaus auch mal nicht,
bis dem Oberhaupt die Krone vom Kopf fällt.
Sorry, London,
too soon?
Am tapfersten aber wie immer die (baldige) Queen:
Kate wurde gerade erst aus dem Krankenhaus entlassen,
und meine Mutter hat mir bestätigt,
was mit „Bauch-OP“ gemeint ist.
Tabus haben manchmal auch
etwas mit Anstand zu tun.
Der neue King jedenfalls
ist man gerade so 40,
damit dann wahrscheinlich
halb so alt
wie der Durchschnitt
aller anderen „Staatsoberhäupter“,
und hat kein Problem
mit seinen Haaren.

Nicht nur mit seinen Haaren,
sondern vor allem mit dem „Staatsoberhaupt“ Sein,
hat dagegen Geert Wilders,
und nicht nur eins, nein, viele Probleme:
Der Möchtegernvater von Sebastian Kurz
kriegt einfach keine Koalition zusammen,
angeblich wegen Unstimmigkeiten beim Haushalt;
Rechtsradikale hat es auch in den Niederlanden
nie gegeben.

In Brasilien allerdings schon:
„Tropen Trump“ Bolsonaro
wird der Pass entzogen.
Eingesperrt in dem Land,
das er verarschen wollte.
Ganz ohne Volksaufstand.
Wie tief die westlichen Demokratien
doch schon gesunken sind.

Denn apropos Aufstand
(Ihr lest richtig,
die Assoziationen
sitzen heute lockerer als sonst):
In Paris werden die ersten SUV-Protest-Konvois geplant!
18€ pro Stunde parken
sind viel
und vor allem sind sie
zu viel,
nämlich drei mal mehr
als für die Geringverdienerkarren!!

Viel zu große (Mist-)Karren
jetzt dann auch neu
in Italien:
Giorgia Meloni erwartet
ihre Bauern in Rom.
Der Volkssturm formiert sich.
In Deutschland muss der Bauernverband
inzwischen schon wieder zur Mäßigung aufrufen,
denn eine Menge Bauern
haben immer noch zu große Kartoffeln.
Den Landwirtschaftsminister
interessiert das offenbar wenig,
denn er lanciert nebenbei
nichts anderes als eine Fleischsteuer.
Ob die FDP auch deswegen das EU-Lieferkettengesetz blockiert hat,
das wissen die Hühner.

Worunter man Hühner und Hähne,
aber sicher auch andere Nutztiere,
ziemlich gut
(und halbwegs artgerecht)
halten könnte,
das wären ja eigentlich
Solar(dach)flächen.
Schön schattig und geschützt
könnten die da rumpicken und gackern
wie sie wollen.
Mindestens CO2-neutral,
und der Strom spottbillig.
Seit neuestem sogar nachts!
Denn in China eröffnet der erste Solarpark,
der auch nachts (oder bei Bewölkung)
durchgehend Strom produziert,
was durch irgendwelche Salze möglich sein soll,
die Sonnenenergie (kurzzeitig) speichern können.
Klingt verrückt.
Aber nicht weniger verrückt ist ja auch,
dass wir das 1,5°C-Ziel,
das wir erst in 76 Jahren
(möglichst nicht) erreichen wollten,
jetzt auch offiziell
das erste volle Jahr erreicht haben.
Oder dass der Golfstrom wieder
ein Stück näher am Kollaps vorbeitreibt.
Oder dass in diesem Jahr
„El Nino“ als Name für eine Naturgewalt
nicht mehr reicht,
und die neueste Bedrohung der Küstenregionen
jetzt natürlich
El Nina heißt.
Und die hat auch schon mal Grüße nach Los Angeles geschickt:
Nur wenige Tage nach den Grammys
wurde die City of Stars heimgesucht,
von einem
Atmospheric River
bisher unbekannter Größe:
An einem Tagen fällt so viel Regen
wie in keinem einzelnen der letzten zwanzig Jahre,
drei Menschen sterben,
und Gen Zer lassen sich dabei filmen,
wie sie sich von Drohnen
auf einem Surfboard
durch die Straßen von Suburbia ziehen lassen.

Und wenn wir gerade schon mal
zum zweiten Mal
ganz im Westen angekommen sind,
kommen wir auch um den Frisurensohn
nicht mehr länger drumherum.
Der Staat, den er allem Anschein nach
doch bald irgendwie wieder anführen will,
muss sich in dieser Woche erstmal
vor dem UN-Sicherheitsrat rechtfertigen:
Im Jemen,
im Irak
und in Syrien
übten die Staaten doch nur
ihr Recht auf Selbstverteidigung aus.
Das klingt doch schon mal sehr
nach hardcore US-Republikanismus.
In der US-Medienlandschaft
wird Trump in dieser Woche
zwar von Putin die Show gestohlen
(siehe Kriegsprotokoll),
aber es ist mitnichten so,
dass er es nicht versucht hätte:
Neuerdings hat er
AI als Angst für sich entdeckt,
was wohl bei den Gleichaltrigen
demagogische Effekte haben soll.
Außerdem denkt er auch,
er sehe aus wie Elvis aussehen würde,
wäre Elvis ein selbstgerechtes Arschloch gewesen…
Dann will er plötzlich öffentlich mit Biden debattieren,
worüber spielt keine Rolle.
Blöderweise hat er bis zur Wahl
dann aber doch keine Immunität
(und könnte tatsächlich nur kurze Zeit vorher
wegen des Staatsstreichs verurteilt werden),
aber dieses Konzept
hat er ja sowieso nicht verstanden.
Und obwohl er mit 45:43
in den landesweiten Polls führt,
wünscht er sich am liebsten einen „Crash“ seines Landes.
Hitler hat auch auf Ruinen erst so richtig angefangen.
Logischerweise nennt Biden
ihn nicht nur deswegen (halböffentlich)
einen „Sick Fuck“
und freut sich stattdessen,
dass die Jobs weiter durch die Decke gehen.
Immer wieder
wieder da
ist derweil auch Alex „Info Wars“ Jones
(neuerdings glatt rasiert)
und schreit in TV-Studios rum:
„Hitler!
Stalin!
Chavez!
All took the guns away from the people first!
1776 will comence again
if you took our firearms!“
Nicht mal Jon Stewart
fällt da mehr ein als:
Ho-ly Ssssshhhhit!
Und dass dieser wieder da ist,
das ist eine der wenigen guten Meldungen
aus Fantasyland,
denn wie kein zweiter fasst er den akuten Wahnsinn
von alten weißen Männern zusammen:
„Their paranoid fear
of a possible dystopic future
prevents us
from adressing
our actual dystopic present.“

Und wie dystopisch diese Gegenwart ist,
das hängt (noch) ganz davon ab,
wo wir sie erleben.
Hier in der Provinz
ist die Dystopie unheimlich weit weg.
Aber nur einen Schwarzen Spiegel entfernt
sind die (Post-)Apokalypsen
allgegenwärtig.
Und wohl an keinem Ort der Welt
momentan konzentrierter
als im Gaza Streifen:
Benjamin Netanyahu (und seine rechtsradikalen Buddies)
wollen den „vollständigen Sieg“,
egal was die israelische Bevölkerung will.
Also: Keine Feuerpause.
Sondern das Gegenteil:
Am Freitag Abend befiehlt er,
die IDF sollen Rafah evakuieren
und dann einmarschieren.
1.500.000 Menschen
stehen mit den Rücken zur Wand
oder zum offenen Meer.
Ägypten mobilisiert umgehend
ein komplettes Panzerbataillon an die Grenze,
die Katastrophe scheint nicht mehr aufzuhalten zu sein.
Und an Rechtfertigungen bleibt ebenfalls kein Mangel:
Direkt unter dem UNRWA-Hauptquartier
wird ein riesiges Waffen- und Munitionslager
der Hamas gefunden.
Der UN-Sicherheitsrat
beobachtet aber weiterhin,
ob und wann das sich ankündigende Massaker
dann doch noch irgendwie genozidal sein könnte.
ACAB sieht das Unheil ebenfalls kommen
und scheut sich wenigstens nicht,
die richtigen Worte zu finden.

In Deutschland werden solche Diskussionen
nämlich noch immer nicht sehr laut geführt.
Dafür wird auf den Schreibstuben
an hunderten Texten gefeilt,
die auf den Antisemitismus im eigenen Land hinweisen,
in dieser Woche an der Freien Universität Berlin.
Dort hat ein Student jetzt drei Monate Hausverbot
(und eine Anzeige wegen schwerer Körperverletzung),
weil er den Bruder von Shahak Shapira
krankenhausreif geprügelt hat,
nachdem er einen Streit vom Zaun gebrochen hatte.
Wie erwähnt:
Jammern,
Komplexe,
Neurosen,
Psychosen,
Projektion,
Gewalt.
Das Muster war, ist und bleibt
das gleiche.

 

Kriegsprotokoll. Schreibtisch. Deutsche Heimatfront. Letzte Reihe. Woche 101.
Wenn aus Jahren langsam Jahrzehnte werden. Montag: Selenskyj will bald einige in seiner Führungsriege austauschen: „Negativität muss zu Hause bleiben. Wir können es uns nicht leisten, aufzugeben.“ Die US-Demokraten beschließen einen neuen Haushalt, mit 60.000.000.000 für die Ukraine, die Republikaner kündigen eine Blockade an. Es wird wieder mehr Energie als nötig produziert, Polen bekommt als erstes wieder etwas davon ab; Trump fordert sie dazu auf. Beim Beschuss von Lyssytschansk ist auch ein Minister ums Leben gekommen. Der polnische Verteidigungsminister schließt einen Krieg mit Russland nicht aus. In Cherson sterben vier Menschen nach russischem Beschuss. In Kiew werden russische Saboteure gesucht. Dienstag: Über Belgorod werden weiterhin ukrainische Drohnen abgeschossen. In Charkiw wird ein Hotel getroffen. Schweden stellt die Ermittlungen zu Nord-Stream ein, Deutschland nicht. Gegen Boris Akunin (russischer Schriftsteller) wird Haftbefehl erlassen („Terrorrechtfertigung“). Die Ukraine verlängert das Kriegsrecht bis Mai. Im Schwarzen Meer wird eine russische Ölplattform gesprengt. Die Ukraine hat eine neue Truppengattung: „Unbemannte Systeme“. Mittwoch: Erneut Luftalarm über der gesamten Ukraine, in Kiew; Mykolajiw und Charkiw schlagen Raketen ein. In Belgorod explodieren die Antworten. Der US-Senat lehnt das 60.000.000.000 Hilfspaket für die Ukraine ab. Donnerstag: Christoph Heusgen (Siko) spricht sich für eine Verhandlungslösung aus. Die Verstaatlichung von Rosneft in Deutschland wird nicht ohne Vergeltung geschehen, sagt sagt Peskow. Wieder landesweite Raketenangriffe bis nach Odessa. In Awdijiwka harren kaum noch 1.000 Menschen aus. Das EKD plant einen Mahngang am 23. Februar in Berlin. Olaf kommt persönlich in Washington vorbei, um den Reps mal ins Gesicht zu husten. Also doch: Saluschny geht, Punktsieg für Selenskyj und Berater. Nachfolger wird der ehemalige Oberkommandeur im Donbas-Krieg vor zwei Jahren, Oleksandr Syrskyj, Verteidiger von Kiew und Charkiw. Putin sitzt bei Tucker Carlson (kein Witz): Polen oder das Baltikum müssten schon Russland angreifen, damit sich Russland mit der Nato anlege. Freitag: Ukrainische Drohnen schaffen es fast bis zur Krim, ukrainische fast bis Charkiw. Syrskyj ist erstmal zuversichtlich, so lange die Hilfe aufrecht erhalten und verbessert wird. Im Süden Russlands brennen zwei Ölraffinerien. Scholz bezeichnet das Putin Interview mit Carlson als „völlig absurde Geschichte“. In Sumy sterben drei Menschen nach russischem Beschuss. Am Abend wird auch Charkiw erneut angegriffen. Samstag: In Charkiw explodiert eine Tankstelle nach russischem Beschuss, sieben Menschen sterben. Christoph Heusgen (Siko) schließt einen Angriff auf die Nato nicht mehr aus. Stoltenberg schwört die Nato-Staaten auf eine „womöglich jahrzehntelange Konfrontation“ ein. Der Generalinspektuer der Bundeswehr hält einen Krieg mit Russland in fünf bis acht Jahren für möglich: „Kriegstüchtigkeit ist ein Prozess, den wir durchlaufen werden. Aber wir haben nicht endlos Zeit dafür.“ Selenskyj baut weiter die militärische Führung der Ukraine um. Bei Awdijiwka und Marjinka Nichts Neues. Sonntag: Über Kiew wird der nächste Luftangriff abgewehrt. Trump vergisst sich in South Carolina völlig, und kündigt an, Russland gewähren zu lassen, sollte es in Zukunft Nato-Länder angreifen, die „ihre Rechnungen nicht bezahlt“ hätten. Das Weiße Haus reagiert verstört. Starlink wird wohl inzwischen auch von der russischen Armee benutzt. Es ist offenbar Christoph Heusgen (Siko)-Woche: „Wladimir Putin hält uns für Weicheier und er glaubt, dass er am längeren Hebel sitzt. Putin wittert Schwäche. Umso mehr müssen wir Stärke beweisen.“ Stoltenberg ist richtig sauer auf Trump: „Jede Andeutung, dass Verbündete sich nicht verteidigen werden, untergräbt unsere gesamte Sicherheit, einschließlich der der Vereinigten Staaten, und setzt US-Soldaten und europäische Soldaten einem erhöhten Risiko aus.“

 

Also dann doch
der befürchtete längere Krieg,
sehr bald zwei Jahre,
was ist das schon.
Und für danach
werden weiter fleißig Ränke geschmiedet.
Neu in der Lobby des Verteilungskampfes
sind jetzt die Faschos
aus Ungarn und Rumänien.
Nach dem Krieg,
wenn also von der Ukraine nicht mehr viel übrig sein dürfte,
je länger dieser dauert,
wollen sich diese Staaten
dann auch irgendwelche historischen Teile
wieder einverleiben,
sei es per Anexion
oder in Form eines Protektorats.
Das bleibt dann mit Putin auszuhandeln.
Im Westen wittert man
ein neues russisches Großimperium;
der Kalte Krieg
wirkt gerade wie eine lame Story
aus einem Geschichtslehrbuch, 10. Klasse.

Und da steht ja bekanntermaßen
auch viel über Nazis drin.
Leider nicht ganz so viel
über Neo-Nazis,
obwohl es die ja auch schon
ein paar Generationen lang gibt.
Aber, wofür gibt es schließlich das Internet?
Denn auch hier feuert der „Staatsfunk“
seit Wochen aus allen Rohren.
Und zwar auf wen?
Genau,
auf die Opfer.
So nämlich die ununterbrochene Message
sämtlicher AfD-Fratzen,
die vor die Kameras und Mikrofone gezerrt werden.
Es hagelt Kurzdokus und ausführliche Reportagen
noch aus der hintersten Ecke des braunen Sumpfes.
ARD, ZDF, rbb;
Berlin ist die vorderste Front
im Informations(verteidigungs)krieg
gegen die Neue Rechte.
Nur der Lanz,
der verreißt es wieder mächtig,
und das obwohl ihm Chupalla
den Ball quasi vor die Füße gelegt hat:
„Rechtsextrem ist,
wer mit Gewalt
oder Gewaltfantasien(!) versucht,
die freiheitlich demokratische Grundordnung
in Frage zu stellen
oder diese zu bekämpfen.“
So die Antwort des Malermeisters,
nachdem ihm Lanz
die Definition von „Rechtsextrem“ überlassen hatte.
Hätte Lanz jetzt einfach nicht auf „Gewalt“
sondern auf „Gewaltfantasien“ abgestellt
(in der Hinleitungsfrage ging es um Höcke),
hätte er ihn direkt rasieren können,
denn Höckes öffentliches Gefasel vom „Vorbürgerkrieg“
könnte man schon als „Gewaltfantasie“ einordnen.
Aber naja,
Lanz halt.

Ansonsten macht es sich der Antifaschismus
so langsam richtig gemütlich.
Hier, in der Mitte der Gesellschaft,
darf man jetzt sogar
„He Ho, Spann den Wagen an“ umdichten,
ohne dumm angeguckt zu werden:
„Wehrt euch,
leistet Widerstand,
gegen den Faschismus hier im Land,
auf die Barrikaden!
Auf die Barrikaden!“
Da warnt sogar Armin Laschet
vor der AfD,
die Berlinale lädt AfD-Abgeordnete wieder aus,
das „Compact-Magazin“ verschwindet
aus den meisten Bahnhofsbuchhandlungen,
auf der Theresienwiese in München
trotzt heute ein Kerzenmeer
den spätwinterlichen Temperaturen,
und das Wort „Rasse“ gibt es nicht mehr,
zumindest nicht mehr
in der Landesverfassung des Saarlands;
hat die Ampel mal was zum Drübernachdenken.

Die ersten Ratten haben sich derweil
aber schon wieder neue Löcher gesucht.
Nachdem die Identitären
vor einiger Zeit aus Halle (Saale) verjagt wurden,
haben sie jetzt
ein entsprechend gemütlicheres Plätzchen gefunden:
Das neue Wohnprojekt
von Mario Müller und seinen Rucksackträgern
befindet sich ab sofort in Schkopau,
also am permanent entzündeten
Darmausgang von Merseburg.
Martin Sellner wird es kaum erwarten können,
sich dort seinen Scheitel
wichsen zu lassen;
Ach, weh mir,
was träume ich von einer Zeit,
in der wir über Faschos wieder Witze machen können,
ohne dass uns das Lachen im Hals stecken bleibt
und wir erkennen müssen,
dass es gar keine Witze mehr sind.

Kein Witz ist auch die Bildungspolitik
der braun-blauen Sippe,
hier nur ein kurzes,
aber aktuelles Beispiel:
In Österreich hat die FPÖ
folgende Scheißidee:
Die Schulpflicht soll „ersetzt“ werden,
und zwar durch „Bildungsziele“.
Wie mensch die erreicht,
das darf und soll dann
der Markt entscheiden.
Gruselig,
ich weiß.

Deutlich weniger gruselig
ist es übrigens seit kurzem
auch hier wieder,
in der Quedlinburger Hölle,
genauer in der berüchtigten Nummer 10.
Denn da sind die Scheiben wieder blitzeblank!
Keine heroischen Zeitungsartikel mehr
über heroische Taufen
in Satans Hinterhof.
Und auch keine mittelalterlichen Sprüche mehr
über „die Obrigkeit“
und deren Missbrauch von Steuern.
Denn:
Für einige Tage hing neben diesem ganzen Zauber
ein nüchterner Zettel
mit einer Darstellung
der jährlichen Steuereinnahmen
der deutschen Kirchen.
Diese Quittung blieb für weniger als drei Tage angeschlagen,
und seitdem werden die Blicke der Passanten
nur noch durch vorbildlich geputzte Scheiben erfreut.
Die Zugezogenen wissen sich wieder zu benehmen.

Gut.
Die Episode nähert sich für heute ihrem Ende,
die Deadline sagt:
„Noch eine Stunde.“
Es bleibt also noch etwas Zeit,
bevor ich dieses Textmonster hier
von seinem fiebrigen Schlummer erlöse.
Und zwar mache ich das
ganz gechillt
mit ein bisschen deutscher Innenpolitik,
wobei ich mir die Frage stelle,
ob Karl Lauterbach
nicht auch Hörbücher einlesen sollte.
Sein unermüdliches/ermüdendes Erklären,
warum das alles so laufen gelassen werden soll,
wie es bald laufen gelassen wird,
ist beinahe schon hypnotisierend.
Wenn jetzt nicht doch noch
irgendeine Bierlobby dazwischengrätscht,
dann darf mensch ab April
bis zu 25 Gramm am Menschen haben.
Erwerben oder Weitergeben
darf mensch das allerdings nicht,
wenn mensch nicht in einem entsprechenden Verein ist.
Und dann evaulieren wir das ganze
nach zwei Jahren nochmal,
bis dahin dürfte eine legale Verkaufsinfrastruktur aufgebaut sein.
Wie früher schon mal angemerkt,
deutscher kann ein Gesetz zum Kiffen gar nicht sein.

Doch noch deutlich deutscher
geht das aber sehr wohl dann,
wenn es gegen Asylant*innen geht.
Die bundesweite Einführung
einer „Bezahlkarte“ kommt.
In Deutschland gibt es nichts „geschenkt“,
ohne wissen zu wollen,
was damit gemacht wird.
Das freut natürlich vor allem
den nächsten Kanzler,
der sich unter diesen Umständen
sogar Schwarz-Grün vorstellen kann.
Aber hey, Grüne,
also diejenigen,
die das irgendwie noch ernst meinen,
die Letzte Generation
will jetzt auch eine Partei gründen.

So.
Ich hatte weiter oben
für den Schluss
noch eine wilde Geschichte ankündigt.
Ich habe noch zwei.
Und eine davon ist der blanke Horror.
Die erste spielt in der Ukraine.
Nahe dem Katastrophengebiet um Tschernobyl
leben seit längerem wieder
viele Rudel Wölfe,
die auf aktuellen Aufnahmen
echt gefährlich aussehen.
Dass diese Spezies
sich ausgerechnet Tschernobyl
für ihr Alpha-Predatoren Leben ausgesucht hat,
darüber allein ließen sich grandiose Horrorromane schreiben,
aber die letzte Meldung
würde sogar Stoff
für die Wiederbelebung des Post-Apokalypse-Romans liefern:
Bei den Wölfinnen der verschiedenen Rudel
ist eine auffallende Immnunität gegen Krebs aufgefallen
(bei Tschernobyl!).
Jetzt muss ich nur noch
eine halbwegs clevere Erklärung dafür finden,
wie Wolfinnen-DNA auf Menschen zu übertragen ist,
und fertig wäre „Die Wolfskönigin“,
Gewinner keines Literaturpreises,
dafür aber sogar für Netflix zu kultig.
Werde ich nicht schaffen,
aber hey,
Mary Shelley hat sich
den naturwissenschaftlichen Teil
ja auch geschenkt…

Die zweite wilde Geschichte
kann ich heute nur beginnen,
denn die Deadline ist erbarmungslos.
Heute Nacht
findet in Las Vegas
der bedeutendste Super Bowl der US-Geschichte statt.
Ja, es wird auch Football gespielt,
und ja, es ist so gar nicht wichtig,
wer gewinnt.
Wichtig ist nur,
dass das alles nur
eine „PsyOp“ des „Deep State“ ist,
wobei Taylor Swift
in der Halbzeit
erst Travis Kelces Heiratsantrag annimmt,
dann verrät,
dass sie schwanger ist,
und dann die gesamte Nation dazu anstiftet,
Joe Biden zu wählen.
– So jedenfalls
geht die Geschichte
in MAGA-World.
Trump tippt sich auf X gerade warm.
– I promised you Horror.

 

 

“And the west,
encumbered by crippling alliances,
and hardened with a morality
too rigid to accommodate itself
to the swing of events,
must
..…
eventually
..…
fall.”

(Virginia Woolf: Who’s afraid of Virginia Woolf. 1962)

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