(Foto: „Friedensbrücke“ – Neinstedt/Weddersleben. November 2023)
„Into the river below
I’m running from the inferno.
They’ll think I’m insane
but you’ll all know my name!
Into the river below
I’m running from the inferno.
I’ll take all the blame.
The front page and the fame!“
(Billy Talent. 2003)
So.
Und morgen dann
(hoffentlich) nicht auf der Titelseite
sämtlicher Lokalzeitungen:
Mutmaßlich doppelter Suizid
in Quedlinburg,
einer davon öffentlich
und am helllichten Tage.
Vorne an der Bode
war gestern Polizei,
Notarzt,
Spurensicherung,
Mordkommission.
Im Internet
werden schnell „Details“
über die Fundstelle
am Fluss bekannt,
die jedem „Tatort“
locker gerecht werden könnten,
oder vielleicht sogar
einen neuen Büchner inspirieren würden,
aber noch ist alles Hören-Sagen,
auch wenn an den allerersten Gerüchten
ja meistens was dran ist.
Jedenfalls ist das hier so,
in der Provinz.
Und damit willkommen zurück.
Willkommen zurück
zum vorletzten Gegenwartsabriss
des vierten Jahres der Doppel20er,
dem Jahrzehnt,
in dem sich
unter dem doppelten Boden der Wirklichkeit
immer noch eine nächste Ebene öffnet,
auf der alles aber immer
nur noch stranger ist.
Die langersehnte Staffelpause
kommt also wie immer gerade recht.
Nur noch zwei mal ringe ich mit dem Zeitgeist
(und dem literarischen Selbstanspruch),
denn:
der Winter kommt,
nächste Woche
soll es in den Bergen
das erste Mal schneien.
Kräfteeinteilen ist
also das Gebot der kommenden Tage.
Und erstmal gute Nachrichten,
auf irgendwelchen Doppelböden
muss es doch auch mal
was erfreuliches geben.
Und wenn es erstmal
nur Geld ist:
„Auf der gestrigen Pressekonferenz
im Café Franz in Quedlinburg
verkündete Landrat Thomas Balcerowski
die frohe Botschaft:
Das Land Sachsen-Anhalt
sichert die Förderung
des Harztheaters
bis 2028
mit einer auskömmlichen Summe.
Wir freuen uns sehr!“
Das Halberstädter Orchester
ist gerettet;
geht doch!
Gut.
Das muss erstmal reichen.
Denn natürlich versteckt sich
unter diesem oberflächlichen Optimismus
auch nur eine weitere Episode
einer Chronik,
die sich selbst mal wieder
überdrüssig geworden ist.
So ist das im Winter.
In Anbetracht der langen Nächte
mit ihren langen Schatten
wandelt die allgemeine Lebensmüdigkeit
durch die Gassen der Stadt
bis ans Ufer des Flusses,
um ihr Spiegelbild im Wasser
neben den Sternen zu erhaschen
und sich nach einem langen Schlaf zu sehnen.
Die vorletzte Episode des Jahres
(ja, es macht mir Freude das schreiben zu können)
beginnt wegen Gründen
der kollektiven Verdrängung
aber mal wieder mit Faschos,
sorry, not sorry.
Aber auch hier die eine gute Meldung zu Beginn,
und dann erst wird es wie gewohnt
schnell wieder sehr viel finsterer.
Der neue Landrat von Dahme-Spreewald (Brandenburg)
ist auch kein AfD-Mann geworden,
sondern wieder lieber ein Parteiloser
mit einem hübschen Namen,
Sven Herzberger.
Die AfD-Spitze allerdings
die macht munter weiter
Kulturkrieg
oder schlimmeres:
Europakandidat Krah
ballert auf X
stumpfen Faschoscheiß raus
und behauptet im selben Tweet:
„Feminismus ist Krebs.“
… Boah, was will ich gerade nicht
an Stammtischen sitzen.
Warum auch sowas schon völlig normal ist,
das wusste übrigens Björn Höcke
schon am vorletzten Montag
bei seinem Gastauftritt
auf dem x-ten Pegida-Aufwasch in Dresden:
„Wir sind eingetreten in den Vorbürgerkrieg.“
Der Mann ist in seinem Bundesland (Thüringen)
nur noch 6% von der absoluten Mehrheit entfernt.
Und ebenfalls in Dresden,
ebenfalls bereits vor einigen Tagen,
nämlich am Neunten November,
gab’s dann auch noch
den letzten Schrei in Sachen
Kultureller Aneignung:
Bücherwürmin Susanne Dagen
hatte eingeladen,
zur gemeinsamen Pervertierung
von Klemperers „LTI“.
Ost-Deutschlands Dieter Nuhr,
Uwe Steimle,
hält zu diesem Anlass
seine suhrkamp-Ausgabe des Werkes
ekelhaft grinsend in Pressekameras;
die Kotze wieder runterzuschlucken,
fällt mir noch erstaunlich schwer.
Das liegt aber mit Sicherheit auch daran,
dass es eigentlich gar keine Faschos mehr braucht,
so fremdenfeindlich wie ganz Europa
inzwischen wieder geworden ist.
Die CDU fordert trocken:
Ausländer raus!
Und wenn es erstmal nur die antisemitischen sind,
wenigstens was.
Derweil wird bekannt(er),
dass der berüchtigte „Ruanda-Plan“
auch von Hendrik Wüst befürwortet wird.
Die Idee dabei ist,
abgelehnte Asylbewerber*innen
in das sichere Ruanda zu schicken,
wahrscheinlich wegen der gut ausgebauten Flüchtlingslager.
Muss man sich mal überlegen:
Da flieht jemand
vor einem Bürgerkrieg in Afrika
bis nach Europa
und wird dann in ein Flüchtlingslager
nach Afrika zurückgeschickt.
Was für eine inhumane Scheiße.
Findet übrigens auch das Oberste Gericht
im UK.
Da hatte Richi Sunak seltsamerweise
nämlich genau die gleiche Idee.
Die Richter*innen haben sinngemäß gefragt:
Geht’s noch?!
Sunaks Antwort:
Und ob.
Da kann also „Die Anstalt“
Gott höchstpersönlich
auf die Bühne zerren,
damit der mal ein Machtwort
mit Kanzlern und Kanzlerkandidaten spricht,
zwei Tage später gibt es
eine bundesweite Großrazzia
beim „Islamischen Zentrum Hamburg“,
wegen vermeintlicher Hisbollah-Verbindungen.
Immerhin sind die Beamten
noch nicht zum Freitagsgebet erschienen.
Bevor ich dann gleich
vom heimeligen deutschen Ufer
wieder an die Küsten des Weltkrieges springe,
doch noch zwei, drei gute Meldungen.
Jetzt wo die Linke weg ist,
zeigt sich,
dass der Klassenkampf ja gar keine Parteien braucht.
Gewerkschaften reichen hin.
Begleitet von der Melodie
einer wunderschönen Ode an Claus Weselsky
streiken die Lokführer
mit inzwischen selbstverständlich gewordener Sicherheit,
20 Stunden lang,
Urabstimmung und weitere Streiks kommen.
Und hier in Sachsen-Anhalt
schafft es sogar der Warnstreik
von verdi und GEW in die Schlagzeilen.
Und auch die Letzte Generation
hat noch nicht aufgegeben.
Nachdem die UN
eine „Supernova der Klimaanstrengungen“
gefordert hat,
kündigt das Bündnis neue Protestformen an.
Notwendig,
zumal Greta Thunberg gerade dabei ist,
sich weiter unbeliebt zu machen,
sogar Fridays for Future Deutschland distanziert sich
wegen ihres angeblichen Antisemitismus.
Woher nur kommt mir dieser Streit bekannt vor?
Ach ja, linke Kulturgrabenkriege;
wo wären wir wohl ohne sie?
Na gut.
Zurück zu den Kriegen.
Der Tagesschau Header
hat sich der nächsten Metamorphose unterzogen:
Wo vorgestern noch „Israel“ stand,
steht jetzt „Nahost“,
sicher aber keine Distanzierung.
Das Schicksal des Al-Shifa-Krankenhauses
erinnert zunehmend an die Schlacht um Mariupol,
nur mit noch mehr Kriegs- und Menschenrechtsverletzungen,
und wieder ist nicht so ganz klar,
ob nicht vielleicht auf beiden Seiten
Faschos zu finden sind.
Seit letztem Sonntag
funktioniert da nichts mehr,
und die WHO erklärt es heute zur „Todeszone“.
Aber der Reihe nach:
In den USA hält John Oliver
sechs Wochen nach Kriegsbeginn
endlich seine Ansprache.
Und ja,
Israel kommt dabei gar nicht mal so gut weg.
Immerhin werden Feuerpausen
langsam zur Regel.
Das hindert die USA aber nicht daran,
weiter Angriffe auf Syrien zu fliegen.
Geklagt wird aber erstmal
gegen Israel:
Verschiedene Menschenrechtsorganisationen
(Al-Haq, Al Mezan, The Palestinian Centre for Human Rights)
ziehen vor den Internationalen Strafgerichtshof:
Verbrechen gegen die Menschlichkeit,
Kriegsverbrechen,
Genozid.
Das sehen auf der National Mall in Washington, D.C.
300.000 Menschen aber noch anders.
Das Al-Shifa ist seit Beginn der Woche
aber nicht mehr Ziel möglicher Bombardierungen,
dafür führt der IDF „gezielte Operationen“ durch,
bei denen bis jetzt
einige Waffen,
keine Geiseln
und kaum Terroristen gefunden werden.
Nicht wenige verurteilen auch das,
z.B. die WHO und Norwegen.
Und der deutsche Regierungssprecher ist froh,
dass er niemandem zerbombte Krebspatienten erklären muss.
Der UN-Sicherheitsrat legt dann einen Zehn-Punkte-Plan vor,
so wie eine Resolution zur Waffenruhe,
bei der sich drei Länder enthalten
(Großbritannien, die USA und Russland,
welch seltsame Einigkeit).
Die ersten ernstzunehmenden Prognosen
machen die Runde:
Israel beendet den Hamas-Krieg
jetzt wenigstens auch wirklich,
kehrt dann aber in irgendwelche Grenzen zurück,
räumt mit auf
und wird von Stund an in Ruhe gelassen.
Dann wäre das
eine der erfolgreichsten Machtdemonstrationen ever
und „Benni“ der neue König der Juden
(und der Palästinenser);
Zwei Staaten Lösung?
Nope!
Oder:
Der sich jetzt bald anschließende
Krieg um die Westbank
wird nur noch schwieriger,
weil zu viele Fronten.
Oder:
Es gibt zumindest erstmal einen „Weihnachtsfrieden“,
das aber nur,
wenn Israel die Verwaltung des Gaza-Streifens
bis dahin übernommen hat,
was jedoch sehr unwahrscheinlich ist.
Inzwischen hat der IDF
auch den Hafen von Gaza-Stadt
unter Kontrolle,
doch der Gegenwind
kommt weiter aus allen Richtungen:
Der israelische Oppositionsführer Lapid
fordert den Rücktritt Netanyahus,
die Welt habe das Vertrauen in Israel verloren.
Erdogan darf in Berlin
weiter gegen Benni poltern
(bereits einige Tage zuvor in der Türkei:
„Israel ist Faschismus“;
der muss es ja wissen).
Bin Ladens „Letters to America“
von vor über 20 Jahren
gehen bei Tik Tok viral
und „öffnen Augen“ auf der ganzen Welt.
Die Taliban sprechen
in einer deutschen Ditib-Moschee
über die Juden.
Und in Jerusalem
ist der Marsch aus Tel-Aviv angekommen,
dem sich unterwegs tausende angeschlossen haben.
Gefordert werden:
Verhandlungen statt Krieg.
Auch von den Angehörigen der Hamas-Geiseln.
Überall im Land
flattern gelbe Bänder,
die das selbe fordern.
Stattdessen, auch heute noch:
Die WHO selbst will jetzt Menschen
aus dem Al-Shifa holen,
und die Welt fragt sich,
ob sie von IDF-Soldaten daran gehindert werden wird;
von wem Zivilisten zu was benutzt werden,
ist nämlich inzwischen auch eigentlich egal.
Aber nicht nur in Deutschland
ist man sich seiner historischen Verantwortung
weiterhin bewusst:
Im UK ist James Cameron ist wieder da,
weil jetzt ex-Außenminister Cleverly jetzt Innenminister ist,
weil seine Vorgängerin Bravermann entlassen wurde,
und zwar wegen deren Haltung
zur zu laschen Polizei
auf Pro-Palästina-Demos,
die sich wohl geweigert hat,
auf 300.000 Menschen einuzuprügeln.
Also,
weiter im Text:
Kriegsprotokoll. Schreibtisch. Deutsche Heimatfront. Letzte Reihe. Woche 89.
Schaut überhaupt noch irgendwer zu? Montag: Russische Medien berichten über einen Rückzug aus Cherson, ziehen die Meldung aber nur wenige Minuten später wieder zurück. Dann wird die Stadt wieder massiv beschossen. Die EU diskutiert und beschließt weitere Hilfen. Dienstag: Awdijiwka wird final evakuiert. Rheinmetall hat 25 Leopard-1 fertig repariert. Ab nächstes Jahr zahlt Deutschland 8.000.000.000 Euro Militärhilfe, doppelt so viel wie geplant. Donezk wird noch stärker umkämpft. Mittwoch: Die Angriffe auf Donezk werden fortgesetzt. Steinmeier in Leipzig: „Wir werden uns an Russlands rechtswidrigen und menschenverachtenden Angriffskrieg nicht gewöhnen.“ In Saporischija sterben Zivilisten bei russischem Raketenbeschuss. Musterungsämter in St. Petersburg, im Kaukasus und auf der Krim werden mit Brandanschlägen bedacht. Immer wieder Luftalarm über großen Teilen der Ukraine. Donnerstag: Der neue britische Außenminister reist nach Kiew (Waffenproduktion). Selenskyj ist stolz auf die erste Marinedrohnenflotte der Welt, die im Kampf ums Schwarze Meer die Initiative übernommen hat. Freitag: Selenskyj bedauert den Rückgang von Munitionslieferungen. Russland verschifft kostenlos Getreide nach Afrika. Am Dnipro wird unerbittlich gekämpft. Samstag: In der Nacht richten Drohnenschwärme große Schäden an der Energieinfrastruktur an, an der Südfront schlagen Raketen ein. Sonntag: Auch über Moskau tauchen wieder Drohnen auf. Ebenso über Kiew. Biden ergeht sich in altbekanntem: „Die Welt blickt auf uns, um die Probleme unserer Zeit zu lösen. Das ist die Aufgabe der Führung, und Amerika wird sie übernehmen.“ Victoria von Schweden spendet Trost am Volkstrauertag in Deutschland: „Der Krieg erinnert an die dunkelsten Kapitel der europäischen Geschichte. Es ist jedoch eine Quelle der Hoffnung, dass Regierungen und Völker im demokratischen Europa in einer schweren Zeit zusammenhalten. Die deutsche Erfahrung zeigt, dass es möglich ist, selbst die dunkelste Vergangenheit zu überwinden.“ Seufz.
Und nein, nein, nein,
#DieDoppeltenZwanziger
sind auch mit dieser Woche
noch lange nicht fertig;
denn im Schatten
unter den zerfallenden Brücken der Humanität
spielen sich weiterhin
auch bereits die Dramen der Zukunft ab.
Nach dem nun auch offiziellen Ende
der Linken-Fraktion im Bundestag
am Dienstag (Selbstauflösung),
folgt zwar am Freitag ein Parteitag,
auf dem die Röte der Partei
neu definiert wird,
aber schon vorher
erobert der Neoliberalismus
die frisch frei gewordenen Räume,
seien sie auch noch so bedeutungslos geworden:
Inzwischen gehen von jedem Euro Steuergeld
18 Cent für „Verteidigung“,
sprich Rüstung,
drauf.
Genauso schlimm:
Die Union gewinnt
vor dem Bundesverfassungsgericht:
Die großzügigen „Coronafonds“
dürfen nicht für die Umsetzung
von Klimazielen ausgegeben werden,
der aktuelle Bundeshaushalt
ist also hinfällig,
denn es fehlen plötzlich
60.000.000.000 Euro.
Also: Haushaltssperre,
Rotstifte raus.
Ohne großen Widerspruch
wird über alle möglichen Kürzungen gesprochen,
vor allem natürlich im sozialen Sektor,
die Ampel leuchtet inzwischen Neon-Gelb,
und die FDP weiß,
dass daran zuallererst mal
alle anderen Schuld sind.
Die Energiepreisbremse
aber wird noch bis März verlängert,
was die Union direkt veranlasst,
eine neue Verfassungsklage dagegen zu prüfen,
denn das scheint ja gut zu klappen.
Wer so eine Opposition hat,
der fragt sich,
ob vom Sozialstaat überhaupt noch
irgendwas
übrig geblieben ist.
Aber apropos Ende,
kommen wir doch wieder
zu den schönen Seiten davon:
The End Tour 2023 (Hidden Story)
„Ein Winternachtstraum,
der auf der Stelle tritt.
Eine leise Berührung,
ein flüchtiger Blick,
geh’n zusammen ein Stück.
Ein heimliches Lächeln in den Mundwinkeln,
ein paar nette Worte
und einen Toast.
Ein großes Hallo
und ein süßes Goodbye.
Und ein kleiner Tanz zwischendrin.“
(Herbert Grönemeyer: Kaltes Berlin. 2023)
Der Berliner Winterwind strich dem Brillenträger als Zugluft sanft von hinten um den Nacken, der sich darüber freute, stand er doch im von hunderten Menschenkörpern hochgeheizten Astra Kulturhaus an der Revaler in Friedrichshain. Trotzdem der Saal ausverkauft wirkte, berührten sich die Menschen nur unabsichtlich und sehr selten. Die Luft in den wenigen Zentimetern dazwischen vibrierte vom Klang der Gitarrenwände, über die Köpfe waberte orangener Bühnennebel, und in den gut neunzig Minuten des Konzertes entlud sich die Energie nur in wippenden Köpfen und Oberkörpern, und in unkontrolliertem Zwischenapplaus, der mit jedem Mal frenetischer wurde, bis er sich am Ende in einem ganz eigenen Klatsch- und Pfeifkonzert verlor.
Der Brillenträger hatte sich und seine Herbstdepression an diesem Dienstag Abend ein letztes Mal für dieses Jahr in die Hauptstadt geschleppt, die er vor Müdigkeit fast nicht erreicht hatte. Zu mehr als Currywurst und Pommes am Bahnhof Warschauer Straße war ihm nicht zumute, die Tristesse war allgegenwärtig. Erst nachdem er den Konzertsaal betreten hatte, hellte sich seine Stimmung im gedimmten Licht wieder auf. Das Publikum bestand ausschließlich aus Millenials, kaum jemand unter dreißig, noch weniger über 40. Dafür alle umwerfend normal: Nerd*innen und deren Freund*innen, nicht wenige wahrscheinlich selbst irgendeine Art Musiker*in. Wahrscheinlich auch deswegen war es während der besonders ruhigen Stellen des Sets von Explosions in the Sky tatsächlich so leise, das jede*r seine*n eigenen Herzschlag hören konnte. Das immer schneller nahende Ende und die Kälte draußen hatten alle vergessen. Unsere Musik kann das.
Gut.
Die vorletzte Episode des Jahres
geht dann mal auf ihr Ende zu,
und das heißt:
Noch schnell die letzten News
aus Westen.
Der US-Supreme Court
hat jetzt einen Ethik-Codex.
Krass.
Krasser ist nur noch
der Racheplan
des Trumpismus.
Zwischen seinen vielen Auftritten vor Gericht
findet der Frisurensohn Zeit genug,
die Welt auf seine Rückkehr einzustimmen:
Flüchtlingscamps an der Mauer,
Massendeportationen,
„Aufrüstung des Justizsystems“,
Demoverbote,
Begnadigung der Capitolerstürmer,
die Vertreibung der Globalisten,
Kommunisten und Marxisten,
also der wahren Faschisten,
die er noch dazu als „Vermin“ bezeichnet,
was nichts anderes bedeutet als
Ungeziefer,
Parasiten,
Abschaum,
Untermenschen;
die Sprache des Faschismus
bleibt der völlig normale Umgangston
eines Möchtegern-US-Präsidenten.
Derweil hat sich der richtige Präsident
wenigstens mal mit Xi getroffen,
und man wöllte auch wieder mehr sprechen,
vielleicht ja sogar miteinander.
Und auch die Popwelt tut was sie kann:
Pink (immer noch ziemlich populäre Sängerin)
verschenkt auf ihrem Konzert in Florida
Bücher,
und zwar verbotene;
wir erinnern uns:
Florida,
wo Republikaner
im Kulturkampf schon etwas länger
in der Offensive sind.
Eins der verbotenen und jetzt verschenkten Bücher:
„The Hill we climb“
von Amanda Gorman,
was wirklich alles sagt,
über Florida.
Und wie so oft an dieser Stelle,
komme ich auch noch schnell zur NBA
und meinen subjektiven Highlights
der laufenden Saison:
Der „Battle of the Unicorns“,
(Wembanyama (2,27 m) vs. Holmgren (2,25 m),
ist im ersten direkten Duell
direkt 0:0 ausgegangen,
die Riesen haben sich gegenseitig neutralisiert.
Auffällig wenig neutral hingegen:
Austin Reaves,
der sich offen mit den Schiedsrichtern anlegt:
Technische Fouls für Stare Downs?
Warum eigentlich?
Ein bisschen Spice
kann das Spiel ruhig gebrauchen;
recht hat er.
Und nicht nur das Spiel
kann und soll gut schmecken,
auch das Essen soll damit besser bekommen.
Kurz bevor im Januar
die Mehrwertsteuer in der deutschen Gastronomie
wieder auf 19% steigt
rüsten sich also auch die Weihnachtsmärkte
für das Ende.
Und Quedlinburger*innen denken
wieder über Einladungen zum Essen
als Weihnachtsgeschenk nach.
Besonders bietet sich dabei jetzt
ein Restaurant gleich hier um die Ecke an,
wo ein echter Sternekoch seit kurzem
Neun Gänge Menus für um die 107€ anbietet;
und ab Januar dann eben für ab 119€,
Gas für den Herd
wird ja auch nicht wieder billiger.
Womit ich auch endlich wieder
bei meiner Therme angekommen bin,
die immer noch nicht funktioniert.
Aber nächste Woche soll es endlich soweit sein,
und ich kann wieder heizen.
Und mich in der warmen Wanne
vor Atemwegsinfekten schützen.
Denn die gehen momentan
natürlich wieder durch
jede noch so doppelte Decke.
So ist das also,
im Winter der Doppel20er,
eine Woche vor dem diesjährigen Ende
dieser Chronik.
Nach dem heutigen Volkstrauertag
wird am nächsten Sonntag
gleich nochmal der Toten gedacht,
und dann ist endlich Schluss
mit Weltuntergangsstimmung.
Die Zeit für wohltuende Oberflächlichkeit
bricht wieder an,
die Zeit, in der die Hoffnung
zumindest in Gestalt
von allzu vertrauten Geschichten
wieder die Oberhand gewinnt.
Passend dazu dann
die letzte Geschichte für heute:
Die Jahre der Ungewissheit sind vorbei!,
zumindest zwischen Neinstedt und Weddersleben.
Die „Friedensbrücke“
wird also doch noch nicht abgerissen,
sondern ab nächstes Jahr grundsaniert.
Der darunter fließende Fluss
weiß hoffentlich,
was er mit dieser Symbolik
anzufangen hat.
Vielleicht ja eine Zukunft,
und sei es erst
nach dem Ende.

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