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Bubbles (S2:Ep12)

von | 2020 | 13. Juli | Die Serie, Staffel 2 - We didn't start the fire

„Well how‘s your view of things today?“

Der Versuch, über Bubbles zu schreiben
birgt mindestens die Gefahr,
dass diese jederzeit platzen können,
und man dann einfach nur
für den Papierkorb geschrieben hat:
Plopp.
Aber Autorenweisheiten beiseite gelassen,
mal eine Frage:
Gibt es denn wirklich
kein richtiges Leben
im falschen? (Vgl. Adorno/Grebe)
Was ist das denn dann,
was wir hier
und erst recht in der wirklichen Welt machen?
Außer vielleicht von einer Blase
zur anderen springen.
Von der „Ich lieg noch im Bett“ Bubble zur
„alles, was man vor dem Frühstück so macht“ Bubble zur
„Familie“ Bubble zur
„Arbeitsplatz“ Bubble zur
„Freundeskreis“ Bubble zur
„Freizeit“ Bubble zur
„Social Media“ Bubble zur
„Hobbys“ Bubble zur
„Abends“ Bubble zur
„Wochenende“ Bubble zur
„Die Nachrichten“ Bubble zur …
… ich denke, ihr habt die Idee.

Wer übrigens genervt ist
von oberschlauen Zitaten,
der kann diese gerne überspringen,
die sind nur Beiwerk
(und in den meisten Fällen auch eine Verneigung).
Im folgenden Fall nicht wirklich,
aber sei‘s drum:

„Die Menschen müssen die Wette halten,
dass es ihnen gelingt,
angesichts des Leichentuches,
das sich über alles Äußere breitet,
ihre Beziehungen zueinander
in einem künstlich zu schaffenden Innenraum
so ernst zu nehmen,
als existierten keine äußeren Tatsachen.
Die Paare,
die Kommunen,
die Chöre, die Teams,
die Völker und Kirchen,
sie versuchen sich ohne Ausnahme
in fragilen Raumschöpfungen
gegen den Vorrang der weißen Hölle.
Nur in solchen
sich selbst erzeugenden Gefäßen
wird wirklich,
was das verwelkte Wort
Solidarität
in seiner radikalsten Sinnschicht meint:
Die Lebenskünste der Moderne zielen darauf,
Nicht-Gleichgültiges im Gleichgültigen zu errichten.“

(Peter Sloterdijk: Im Weltinnenraum des Kapitals. 2006.)

 

Das Wort Bubble war 2006
einfach nur das englische Wort für Blase,
besonders Seifenblasen werden allgemein so bezeichnet,
aber der Lieblingsfernsehphilosoph von FDP-Wählern
hätte es damals schon
für das von ihm beschriebene Phänomen
benutzen können und heute
würde ihn jeder sofort verstehen.

Es gibt also doch
ein richtiges Leben im falschen?
Und schon wird‘s noch philosophischer:
Was ist denn das „richtige“ Leben?
Und was ist es nicht?
Kommt auf die Bubble an,
aus der man gerade auf das Leben schaut.
Es ist schon ein Unterschied,
ob man die Nachrichten
in der „Kreuzfahrt“ Bubble
oder in der
„Gesundheitsministerium“ Bubble
oder in der
„Göttinger Neubau“ Bubble
oder in der
„Ostseestrand“ Bubble
oder in der
„Zentralkrankenhaus Houston, TX“ Bubble
oder in der
„in der Küche am Laptop sitzen“ Bubble
verfolgt,
oder?

Aber um Sloterdijk dann doch Recht zu geben:
Was wäre, wenn alle Bubbles geplatzt wären?
Keine Paare,
keine Kommunen,
keine Chöre, keine Teams,
keine Kirchen,
keine Kollegen,
kein Freundeskreis,
keine Gleichgesinnten,
keine Familie…
Dann lieber doch kein richtiges,
aber ein wirkliches Leben im falschen.
(Habe ich jetzt dem Kapitalismus das Wort geredet?
Der werfe den ersten Stein, der …)

Und was für eine Ironie es ist,
dass das Bubble Event,
auf das ich mich wirklich freue
(NBA Championship 2020),
ausgerechnet in dem US-Bundesstaat stattfinden soll,
der heute den Landesrekord
für Neuinfektionen aufgestellt hat:
Florida.
Also nicht wundern,
wenn sich hier bald Basketballanalysen
einschleichen. 😉

P.S.
Im Verlauf dieser Folge
haben #DieDoppeltenZwanziger
übrigens die 10.000 Wörter geknackt.
Hoch die Tassen!

Leserkommentar: Ich, als großer Footballfan, bin etwas traurig, dass die Washington Red…. nicht erwähnt sind. Man versucht ja schon ein wenig, die neue Episode zu erahnen. Ich empfinde das als Meilenstein. Die Diskussion ist 15 Jahre alt. Dass diese Tradition, der Name des Teams der Hauptstadt, vor den Augen des Frisurensohns heute endet, finde ich sehr bedeutend.

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