„2020 ist echt ein sche*ß Jahr.“
Wenn man so etwas von Jugendlichen (also unter 20) hört,
und sicher sein kann, dass es kein Empörungsgedöns ist,
sondern dass sie das ganz ernst meinen,
dann bleibt einem nichts weiter
als zuzustimmen.
Und es ist ja nicht so,
dass die letzten Jahre ganz toll gewesen wären.
Dass zum ersten Mal in unserer Lebenszeit
die Roßtrappe brennt,
obwohl der Sommer gerade erst anfängt,
dürfte keinen mehr groß überraschen,
angesichts des Klimawandels,
der bereits die letzten zwei Jahre die Krise stellt.
Zu Beginn dieses jetzt schon,
nach fünf Monaten,
historischen Jahrzehnts
hat sich die Krisenlage derart multipliziert,
dass nicht mal die wenigen guten Geschehnisse
noch irgendwie optimistisch stimmen
und schnell schal werden.
Und so rauscht es weiter düster im Blätterwald,
weil alle einsehen,
dass wirklich zu vieles schei*ße ist.
Und zwar wirklich noch mehr als früher.
Es seie denn,
man blickt genau hundert Jahre zurück.
Der 1. Weltkrieg war ein gutes Jahr vorbei,
die Spanische Grippe hörte langsam auf zu wüten,
und alle sehnten sich nach
Zukunft und Zuversicht.
In diesen Zeiten war nichts gewiss
und alles möglich.
Die Zeitungen wurden
den Händlern aus den Händen gerissen,
weil alle wissen wollten,
was als nächstes kommt,
wie‘s weitergeht,
wann‘s endlich besser wird.
Und auch damals
konnte man in Zeitungen den größten Mist,
die widerlichsten Behauptungen,
die absurdesten Geschichten nachlesen.
Wer schrieb denn nun die Wahrheit?
Was war plumpe Propaganda,
was gewiefte Demagogie,
was irre Theorie
und was die Wirklichkeit?
Und vor allem:
Wer war Schuld an der ganzen Misere?
Die Parallelen zu heute
sind schmerzhaft aufdringlich.
Wie viele Menschen fangen gerade Feuer
und entwickeln eine Weltsicht,
die nur noch Zerstörung und Feindschaft
als Antwort kennt?
Was man nicht kontrollieren kann,
kann man wenigstens noch anzünden.
Ich stelle mir einen jungen Mann vor,
der täglich nichts besseres mit sich anzufangen weiß,
als zu lesen.
Die Nachrichten, die Geschichtsbücher,
alles was er sich leisten kann
(was heute nur einen Internetzugang voraussetzt).
Der arbeitslos ist und,
sagen wir mal,
von einer Schule abgelehnt wurde,
einer Kunsthochschule, zum Beispiel.
Vom Leben und sich selbst enttäuscht,
aber nicht willens und/oder in der Lage
sich das einzugestehen,
beginnt er in den Meldungen
ein Muster zu erkennen.
Namen wiederholen sich,
Ereignisse ähneln sich,
Zusammenhänge werden klar.
Zeitungen, in denen genau
diese Erkenntnisse bestätigt werden,
lesen sich inzwischen wie Medizin.
Gegen die Aussichtslosigkeit,
die Angst und die Enttäuschung.
Dieser junge Mann,
vollgepumpt mit Urteilen über die anderen,
eigentlich ja alle anderen,
erkennt, dass er nur wirklich etwas ändern kann,
wenn er das System verändert;
also Teil des Systems wird.
Er tritt zum Beispiel in eine Partei ein.
Oder wird Journalist.
Oder Youtube-Koch mit Message.
Es befriedigt ihn, wenn ihm die Menschen zuhören,
er merkt, dass Hetze immer gut klappt,
denn vielen geht es wie ihm,
und sie grölen mit,
wenn endlich klar ist,
was getan werden muss.
Der Funke ist übergesprungen.
Zum Glück kommt diese Geschichte
noch zu vielen zu bekannt vor.
Aber zum Unglück sind die Bedingungen,
wie gesagt, erschreckend gut vergleichbar.
Falls man die Welt noch nicht als
in Flammen stehend betrachtet,
wird der Verdacht immer größer,
dass es zumindest schon gewaltig qualmt,
und das an allen Ecken und Enden.
Und dass nicht nur veraltete Faschisten
gerade mächtig heiße Luft in die Glut blasen.
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