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Im Auge des Sturms (S3:Ep14)

von | 2020 | 11. Oktober | Die Serie, Staffel 3 - Cope

Für Mitte Oktober
war gestern auf dem Hexentanzplatz
echt die Hölle los.
Normalerweise verirren sich
bei diesem Wetter
nur wenige da hoch.
Da zieht es einfach mal
wie Hechtsuppe
im Herbst.
Trotzdem alles rammelvoll.
Sachsen-Anhalt mausert sich zusehens
zum Sehnsuchtsort für „Corona“-Flüchtlinge.
Es zieht sogar immer noch Menschen her,
die noch noch hier waren,
selbst aber in Braunschweig wohnen.
Und die wundern sich dann,
„wie schön“ es hier doch ist.
In Quedlinburg das gleiche Bild:
Die Gastronomen haben lange aufgeholt,
was sie eingebüßt hatten.
Die Menschen stehen in
Schlange vor den Gaststätten;
und das alles
ohne die sonst auch nicht wenigen
Touristen von weiter her.
Nur auf den Ämtern ist schon wieder April.
Da geht alles nur noch per Mail,
wegen „Corona“.
Die deutsche Vereinigung des Schimmels
setzt vermehrt auf ihr bestes Pferd;
die sind nun mal bei der Arbeit
und nicht auf der Flucht.
Die Gesundheitsämter sind da schon geflissentlicher,
aber Wochenende ist auch da.
Damit wir alle
mal kurz durchschnaufen können,
wenn die Zahlen mal nicht
weiter gestiegen sind.

Alles aber eine Frage der Relation:
Vor drei Wochen hatte die Zahl
am Sonntag noch eine Stelle weniger…
Deswegen jetzt also Beherbergungsverbot.
Und auch wenn die Almans jetzt wieder
die „Meinungen“ und Memes
aus dem März rauskramen,
zumindest ein bisschen Verständnis bleibt.

Geplante Familienurlaube beispielsweise,
bei denen sich verschiedene Teile,
z.B. an der Ostsee treffen wollen,
fallen aus, wenn ein Teil davon
aus einer der Großstädte anreisen will,
die jetzt eine nach der anderen
zu Risikogebieten erklärt werden
(Stand heute: ganz Berlin, Köln, Stuttgart…
München und Hamburg werden
nicht lange auf sich warten lassen.).
Ja, Schei*e alles.
Die meisten sind aber vernünftig genug,
deswegen nicht gleich ihr Whatsapp
gegen Telegramm zu tauschen.
Dieser Wendler (wer auch immer das ist)
ist da ja jetzt auch,
wegen Attila und Xavier,
und wegen der Wahrheit natürlich.
Aber über irgendwas muss man sich ja aufregen,
wenn man mit dem neuen Jeep
nirgendwo mehr hinfahren kann!
Bei Telegramm gibt es dann auch sicherlich
die wahre Wahrheit zur Liebig 34.
Von wegen, die haben sich da alle
friedlich raustragen lassen!
1500 Polizisten mussten die Räumung absichern!
Drei Tage Krieg in Friedrichshain!!
Und in den „Propagandamedien“
wird wieder nur über
neue Einschränkungen berichtet,
alles nur Ablenkung!!1!

Ganz andere Probleme haben übrigens
immer noch wir alle.
Neben den Meldungen
über die weiterhin anhaltenden
Brände an der US-Westküste,
schaffte es eine Klimastudie,
mal länger als einen Newscycle zu überleben:
Der Amazonas wird auf Grund
der massiven Rodungen
in absehbarer Zeit zur Savanne.
Der Amazonas!
Regenwald?
Auch so ein Ding aus dem letzten Jahrhundert.
Genauso wie „Konflikte“ und „Nobelpreise“.
Bergkarabach ist auch wieder
ganz schnell auf Seite 5 gerutscht,
imperiale Machtspiele
zwischen der Türkei und Russland?
Jetzt ist erst mal Waffenruhe.
Natürlich eine brüchige,
aber immerhin kein neuer Krieg.
Es ist also nur folgerichtig,
dass mit der Welthungerhilfe
eine zivile Organisation
den Friedensnobelpreis bekommen hat.
Die Zeiten, in denen Konflikte und Kriege
beendet wurden, sind vorbei,
mehr als Schadensbegrenzung
versucht gar keiner mehr.
Nur der Vollständigkeit halber
sei noch der Literaturnobelpreis erwähnt,
der dieses Jahr mal wieder an eine Lyrikerin ging.
Wichtig ist aber auch nicht ihr Werk,
sondern nur noch die Diskussion darüber,
warum sie ihn bekommen hat.
Mein Tipp: Weil sie ihn,
wie viele andere eben verdient hat.

Sowas dürfte ruhig öfter passieren,
also dass Menschen bekommen,
was sie verdienen.
Beim Frisurensohn sieht es im Moment
mal wieder ganz gut aus,
was das angeht.
Er schmiert in allen Umfragen beeindruckend ab,
ein peinlicher und selbst für Hardliner durchschaubarer
Propagandastunt jagt den nächsten,
und Nancy Pelosi droht mal wieder zu recht
mit dem 25. Zusatzartikel der Verfassung.
Noch 24 Tage Home-Oval Office,
gemütlich mit Fastfood, Fox News
und nem braunen Streifen in der Buchse
den Zusammenbruch des eigenen Lebens
auf Twitter kommentieren.
Mitten im Shitstorm
fühlt sich der Beelzebub am wohlsten.

„Hell is empty
and all the devils are here.“

(William Shakespeare: The Tempest. 1611.)

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