Der Herbst hat begonnen,
in Connewitz
war‘s auch an den Abenden
noch angenehm warm,
dort weiß man sich zu helfen.
Blöd nur, dass die Almänchens
jetzt wieder Öl für ihr Feuer bekommen,
mit dessen Glut
sie weiter am Hufeisen schmieden können.
„Na aber am Reichstag wurden wenichstens
keene Polizisten anjegriffen!
Das war ein friedlicher Sturm!“
Eben!
Hufeisentheorie klappt hier nicht.
In Connewitz gab es keinen Sturm,
also Angriff,
das war/ist
eine Verteidigung.
In der verbogenen Welt
der „öffentlichen Debatte“
sind das aber momentan die Bilder
die gegeneinander stehen:
20 Minuten Reichskriegsflaggen
auf den Treppen des Parlaments
gegen
3 Abende Flammen, Steine und Flaschen
an einem Verkehrsknotenpunkt
einer (bestimmt bald) Millionenstadt.
In Sachsen.
Bedrohlicher wirkt,
in schwarz-weiß gedacht,
natürlich erst mal das letztere.
In Farbe allerdings nicht.
Ein Hufeisen
hat zwei Enden,
ein Regenbogen
bekanntlicherweise
nicht.
Soviel zum ersten Paradox für heute.
Die anderen beiden sind noch relativ neu
für Almans und Bildungsbürgerchen.
Poppers „Toleranzparadox“
ist inzwischen Schulstoff
(Intolerante (z.B. Nazis, Egoisten, Faschisten)
können nicht toleriert werden,
da es sonst bald keine Toleranten mehr gibt).
Aber über das „Präventionsparadox“
lernen wir alle gerade etwas:
Denn jetzt zu sagen,
es sei doch gar nicht so schlimm gewesen
mit der Pandemie,
die Einschränkungen wären
so gar nicht nötig gewesen;
das ist in etwa genau so logisch,
als wenn jemand behaupten würde,
er hätte noch nie Karies gehabt,
das regelmäßige Zähneputzen
sei also total überflüssig gewesen.
Und wir haben ja alle in der Schule gelernt,
wovon die Zähne erst braun werden
und dann wehtun.
Apropos braun:
Es gibt ein Sprichwort,
wonach man das Vieh blöken lassen soll,
zu mehr wäre es doch eh nicht in der Lage.
Übersetzt im Hinblick auf
Querdenker und deren Sympathisanten,
würde das heißen,
man würde sie einfach machen lassen.
Fahnen schwingen, klatschend spazieren gehen,
heimlich Videos bei whatsapp weiterschicken.
Die meisten sind eh zu peinlich,
um auch nur versuchen zu wollen,
sie ernst zu nehmen.
Nur das mit den Nazis…
Hier also doppeln sich
das Präventionsparadox und
das Toleranzparadox:
Denn vielleicht sind die
ja nur deshalb so lächerlich,
und somit objektiv gesehen harmlos,
weil seit Jahren
ganze Heerscharen dafür sorgen,
dass sie als die Witzfiguren dastehen,
die sie sind:
Reaktionäre, geistige Underachiever,
für die das Morgen
wie das Gestern sein soll,
auch wenn klar sein sollte,
dass das paradox ist.
Und das nennen sie dann auch noch
„selber denken“.
Aber: Dieser Bestätigungsfehler
hat schon ein mal
ins Verderben geführt,
vor 100 Jahren.
Tucholsky, Brecht, Kästner,
sie alle haben ihr bestes gegeben,
die Nazis nach Strich und Faden
durch den Kakao zu ziehen.
Nur waren sie zu wenige.
Und gelesen haben die Leute
auch nicht mehr
als heute.
Aber: 100 Jahre später sind es mehr.
Und sie haben heftige Reichweite:
Böhmermann, Kebekus, von Wagner,
Welke, Prayon, etc.
und deren Teams.
Hunderttausende social media warriors
überall im Internet.
Vielleicht bleibt die AfD
nächstes Jahr ja deshalb unter 10%,
weil die Debatte so komplex
(und lustig) geführt wird.
Und weil die Antifa eben mehr kann,
als Flaggenschwenken
oder Müllcontainer abfackeln.
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