„Y’all need to have s story. For instance, old Auntie Dips**t just left me a whole bundle and she dropped dead and Yadda Yadda Yadda.“
(Ruth Langmore)
Das nächste First meiner Reise:
Es ist Freitag morgen
and I’m doing laundry.
Hoffentlich kann ich die Sachen danach noch anziehen.
Mein Bettzeug hat es aber nötig gehabt,
so verschwitzt habe ich nur einmal in meinem Leben geschlafen,
auf Sizilien, vor 20 Jahren.
Aber da Wäschemachen
jetzt vielleicht nicht so die spannendste Sache ist,
über die ich hier schreiben kann,
nutze ich die Zeit des Wartens vorm Trockner,
um von den letzten beiden Tagen zu berichten.
Und zwar ohne mir dabei was auszudenken.
Denn klar, ich könnte Euch
und den Leuten hier
ja eigentlich sonstwas erzählen.
Dass ich nur die krassesten Abenteuer erlebe,
ständig in Lebensgefahr schwebe
und immer wieder heldenhaft daraus entkomme.
Dass ich, z.B. ein german „Narco“ (DEA) bin,
der einfach mal Urlaub machen will.
Oder dass ich auf meinem Weg durch das Land
ständig die interessantesten Leute treffe/mitnehme.
Dass ich aber doch eigentlich
der neue Heinrich Heine bin.
Überhaupt der Neue,
der Stranger,
oder gleich der neue „Mathias“;
das spricht man hier nämlich
dem englischen „Messias“
sehr ähnlich aus…
Aber nix da Erlöserkomplex,
ich bleibe stur beim Trotzkopfsyndrom
und erzähle nur,
was wirklich geschieht.
Wie zum Beispiel vom Wäschemachen.
Oder vom Wandern.
„Is this all your world tonight?
Have to tell a lie
to avoid a brutal fight.
I’ve been waiting.
Systems failing.
Walking on a wire on the ground.“
(The Get Up Kids: Walking on a wire. 2002)
Kurz nach meiner Ankunft
auf dem Campingplatz in Linn Creek,
habe ich mich das erste Mal
durch ein Stück Wald geschlagen,
für den auf der Karte
kein Weg eingezeichnet ist.
Nicht etwa weil ich besonders abenteuerlustig bin
(ich konnte den Highway die ganze Zeit über hören),
sondern weil mein „Navi“
mir einen Weg zum See vorgeschlagen hat,
der ca. acht Meilen länger ist,
warum auch immer.
In der Dichte jedes Waldes
gibt es einen Weg,
dem man immer folgen kann,
und der früher oder später irgendwo
hinausführt:
Einen Flusslauf.
US-amerikanisch: (River) Run.
Gegen 5 pm, 98°F,
schlage ich mich also
in die Büsche hinter dem Campingplatz
und folge dem Wolverine Way,
keinem Weg,
sondern einem Bachlauf (us: Creek),
der ausgetrocknet ist.
Gut, kriege ich schon mal keine nassen Füße.
Nach einer guten halben Stunde
wende ich mich nach Westen,
wo ich den See vermute
und folge den Stromkabeln durch den Wald
bis ins Dorf (Linn Creek).
Rehe springen vor mir in die Büsche,
schwarze Adler räumen ihre Posten,
Frösche meckern wie (sehr) kleine Ziegen.
Dann trete ich ins Freie,
mein Kompass sagt wieder links.
Ich laufe an zwei jungen Männern vorbei,
die an einem kleinen Straßendamm angeln,
aus einer Box dröhnt leise „Smells like teen spirit“
(again: very funny because it’s true),
wir grüßen uns knapp.
Unten im Dorf ist niemand auf den Straßen,
auch vor den Häusern sitzt niemand.
Das Dorf ist entweder verlassen,
oder alle sitzen drin unter der Klimaanlage.
Fußwege gibt es sowieso nicht.
Dafür zwei Parks.
Die sich als relativ trostlose
Spiel- und Fitnessplätze herausstellen,
an denen es dafür aber freies Wi-Fi gibt.
Da ich im Rückblick keine Lust verspüre,
mich den Wolverine Way wieder hochzuquälen,
versuche ich es zurück
mit dem Highway.
Damit auch hier nicht der Eindruck entsteht,
das wäre irgendwie lebensgefährlich,
muss erwähnt werden,
dass der Abstand
zwischen der rechten und linken Highwayhälfte
natürlich meistens nicht nur
durch eine gelbe Linie markiert wird,
sondern häufig durch einen
viele Meter breiten
Grünstreifen,
auf dem es sich bestens laufen lässt,
und wo die Grashüpferscharen
in Wellen vor die Schuhe springen
und es aussieht
als wate man durch trockenes Wasser.
Vor dem Camper, im Schatten,
sind am späten Abend immer noch 88°F.
Zuhause stehen alle bald schon wieder auf,
ich bin immer noch nicht müde genug.
Was die meisten Leute hier den ganzen Abend gemacht haben?
Nicht viel.
Gesessen und geschwitzt.
Nicht mal untereinander wird sich viel unterhalten,
die Hitze unterdrückt fast alle Arten der Betätigung,
die Hirne nähern sich dem Siedepunkt.
Im Leitungswasser ist weniger Chlor als bisher,
außer Trinken geht nicht viel.
Und ich sitze im Camper
unter der laut brummenden Klimaanlage
und versuche das richtige Synonym
für mein Heimweh/Vermissen zu finden.
Das in Schüben kommt,
deren Auslöser ich noch nicht erkannt habe.
Das größer wird
und größer werden wird.
Das jeden Tag ein bisschen stärker wird,
um mich am Ende
sicher nach Hause zu bringen.
Ich finde das Wort dafür,
in der Musik.
Noch 34 ½ Nächte.
„I want to be that comfortable place
where you write and read,
watch TV, or deeply breathe.
I miss the way things used to be.
I miss the way things used to be.
It’s okay, no one’s around.
I’m off-season
vacation town.
I wanna see everything,
lay it all out for me.
Feel the breeze
with all the windows open
in a one-star hotel room.
But I could only express my love
when I’m fucked up or far, far away.
Physically, another continent.
Emotionally, another headspace.
Mentally, I’m not even here.“
(The Front Bottoms: Vacation Town. 2018)
Die zweite Wanderung in den Ozarks
unternehme ich deutlich professioneller.
Zum Trailhead (Start- und Zielpunkt)
fahre ich einige Meilen
und finde erst den falschen Parkplatz.
Der Honey Run Trail
folgt ebenfalls einem Flusslauf,
eben dem des Honey Runs,
der weiter unten in den See mündet.
Ich entscheide mich
für den North Loop,
der gute drei Stunden im Schatten der Bäume verspricht.
Egal, wohin ich meinen Blick wende,
es ist satt grün,
nur der Honey Run
ist großflächig ausgetrocknet.
An den See ist vom einzigen Weg aus
kein Rankommen,
die Hänge sind zu steil
und zu dicht bewachsen.
Ich konzentriere mich aufs Laufen,
die Schritte werden selbstverständlicher,
der Sauerstoff durchflutet jede Zelle.
Da taucht plötzlich,
direkt vor mir auf dem Weg
ein Panzer auf.
Die Schildkröte unterbricht ihren Gang
und zieht sich kurz zurück.
Ich lasse mich auf dem Weg nieder
und begrüße sie,
frage, ob sie eine Morla kennen würde.
Sie schaut mich nur müde an.
Die zweite Hälfte des Trails nimmt große und kleine Kurven,
kurz wünsche ich mir ein Mountainbike.
Stattdessen sehe ich Schmetterlinge
und verscheuche Mücken;
um halb 11 am:
annährend 90°F,
der Himmel zieht sich kurz zu.
Das Postkartenmotiv des Tages für Zuhause
sind dann drei Gürteltiere,
die wie selbstverständlich vor mir den Trail überqueren
und sich fotografieren lassen,
als wäre das ganz normal für sie.
Ich schwimme zurück durch den Wald,
es gibt nur eine Bahn,
nur die Gedanken schweifen ab,
ich bade tatsächlich im Wald.
Trotzdem schaffe ich den Trail in zwei Stunden.
Mein Wandertempo ist noch ziemlich deutsch.
Am Nachmittag sind es 103°F (40°C, im Schatten),
der Camper wird zur Sauna,
ich lerne wie sich Fliegen
aus der Stube jagen lassen.
Ich kann nur Siesta halten,
sortiere träge Fotos und schreibe
Gute Nacht Wünsche nach Hause.
Dann lese (und schreibe) ich in diesem Text.
Aber nie außerhalb dieser Staffel,
wie ich es sonst so oft tue.
Ich folge der Spur der Chronik
nur bis zurück nach Washington,
nehme sie erneut wieder auf
und plane die nächsten Schritte.
Die Zeit hat sich geteilt.
Um kurz vor Mitternacht
rufe ich mein Schwesterherz an,
die gerade ausgeschlafen
und heute Geburtstag hat.
Dann schwitze ich das Laken voll,
morgen wird es gewaschen.
Nachdem ich also am heutigen Tag
dann gelernt habe,
wie man in den USA Wäsche wäscht
(sehr viel einfacher und schneller als Zuhause),
und dass diese Temperaturen
hier schon ganz normal sind,
und nur die „Humidity“
seit einigen Jahren massiv zugenommen hat,
was mir die Lady an der Rezeption ausführlich erklärt hat,
schaue ich jetzt kurz noch einer Familie aus Kansas City
beim Warten auf das Lunch zu:
Es wird wenig gesprochen.
Die beiden Töchter sind am Handy
oder trinken Cola.
Dad steht am Grill und schwitzt.
Gegessen wird dann im Camper.
Dann mache mich mich noch mal kurz
über die beiden größten Städte
am Lake of the Ozarks schlau,
in denen ich dann am Nachmittag
nicht versuchen werde, mein Geld zu waschen.
Für die Wäsche von Bekleidung
braucht man hier übrigens Quarters,
viertel Dollar Münzen.
Dann halte ich ein kurzes Nickerchen,
trinke dann Kaffee
und schaue mir dann
den mutmaßlich belebten Teil
der 1.800 Kilometer langen Küste
des „Missouri Dragon“ an.
Dann …
Eine Lady auf einem Golfcart verteilt Zettel:
Das Fire Department
hat alle offenen Feuer verboten,
until further notice.
Über uns kreisen Helikopter.
Waldbrandendstufe.
Also?
Ab an den Strand!
In Lake Ozark und Osage Beach,
also im Zentrum des gesamten Systems „Ozarks“,
ist vergleichsweise endlich mal was los.
Abends dürfte hier noch einiges mehr los sein,
zumindest wenn man nach der Anzahl der Bars geht,
die zwar noch geschlossen sind,
aber ganz so aussehen,
als könnte es hier Spaß geben.
Im Herzen des Ozarks
lässt sich an einem praktischen Beispiel
auch das Phänomen der „größeren Entfernungen“
ganz gut zeigen.
Hier gibt es nämlich einen Shot Bus,
der in regelmäßigen Abständen, ab abends,
die Bars in den drei verschiedenen Ortsteilen von Osage Beach
mit Nachschub versorgt.
Zwischen den drei Mini Saufmeilen (5-10 Bars) mit Seeblick
liegen jeweils gute 5 bis 10 Autominuten.
Nichtmal auf dem See ist viel los,
aber immerhin fahren sich einige schon
für’s Wochenende warm.
Eines fällt dabei
schon nach wenigen Sekunden auf:
Es ist nicht ein Segel zu sehen.
Alle Boote sind motorisiert.
Und trotz der Wüstenluft
weht Wind.
Sonst wäre an den Ozarks
niemals die höchste Waldbrandstufe ausgerufen worden.
So groß
und dunkelblau
ruht der See.
Zurück im Schatten der Eichen auf dem Campingplatz
das vetraute Bild,
nur vielleicht auch etwas lebhafter.
Freitag Abend.
Die Wochenendgäste kommen.
Die Motoren knattern.
Es wird höchstprofessionell eingeparkt.
An dieser Stelle ein kurzes Wort
zu US-amerikanischen Autofahrern (so far):
Mal abgesehen von dem Mittelfinger in DC,
macht es ungeheuer viel Freude
hier zu fahren.
Und das hat einen einfachen Grund:
Hier hat es niemand eilig.
Auf Los Angeles bin ich gespannter denn je.
Morgen früh aber
geht es rein ins nächste Heartland.
Dieses Mal in das
mit den vielen schlecht verheilten Narben
aus vergangenen Zeiten.
Dazu dann mehr.
Es gibt noch so viel zu schreiben.
Und Meilen über Meilen
geradeaus zu fahren.
Über Warsaw
nach Kansas City,
dann nach Topeka
und Ozawkie.
Und dann, irgendwann,
bis irgendwo
in Iowa.
Mittendrin im amerikanischen Sommer.
„ … but in the very silence and craft of it’s rhyming days summer in a small town can invert one’s emotions with the speed of insanity.“
(Don DeLillo: Americana.)
June, meet July
a summer’s midnight poem
June’s Heat
High June feels wasted
His every movement
And every breath he takes
Is liquid humidity
Burning elsewhere
June’s Solitude
Low June gets anxious
But every one around
And each last tree standing
Sings sounds of silence
Too
June’s End
And in the late light he saw
Ten thousand lightning bugs ashore
Singing fire
In a glimpse of an eye:
Call us July.

… querfeldein durch den bush – wie ein alter OLer ?
Ich bin begeistert.
… nur von den besten abgeguckt! 🙂