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Wake me up when September ends (S5:Ep5)

von | 2021 | 16. Mai | Die Serie, Staffel 5 - How does it feel?

Morpheus?
Neo?
Trinity?
Liest irgendjemand von euch mit?
Ich wollte nämlich fragen,
ob noch irgendwer eine
von diesen blauen Pillen hat?
Falls ja:
Ich wäre dann soweit.
Reicht mal wieder hin
mit der Wirklichkeit.

Da meckern sich hier alle
relativ erfolgreich durch die Pandemie,
man gibt wenigstens Lippenbekenntnisse zur Energiewende ab,
stuft Höckes AfD endlich als rechtsextrem ein,
und steht vor einem drastischen Politikwechsel.
Und nichts ist gut genug.
Nichts geht schnell genug,
in nichts sind wir die besten,
Effizienz ist die Tugend anderer geworden,
und überhaupt sind genau die
sowieso immer an allem schuld.
Also wird gestritten,
wo es nur geht,
an irgendeiner Front
muss doch noch was zu holen sein.
Und wenn es nur um den Tod
der deutschen Sprache
wegen dem (sic!) Gendersternchen geht.
Da wird man gerne zum Fahnenflüchtigen
und zieht sich die Decke noch mal über den Kopf.

Dabei hält die Normalität doch schon wieder Einzug.
Die Läden öffnen nach und nach,
die Gastronomen stellen wieder ein,
die Ticketverkäufe für den Sommer sind angelaufen,
die Reisebüros vergeben Termine,
und das Schuljahr kriegen wir jetzt
auch noch irgendwie rum.
Aber solange man nicht
aus dem Vollen schöpfen kann,
bleibt Unzufriedenheit
die Lieblingsstimmung der heimischen Kartoffeln.
Zu nass, zu trocken,
zu warm, zu kalt.
Irgendwas ist immer.
So ist sie, die Wirklichkeit.
So war sie, so bleibt sie.
Genauso unbefriedigend
wie ausgelutschte Plattitüden.

Wären das hier nicht #DieDoppeltenZwanziger,
hätte ich mal wieder auf vieles mehr Lust,
als darauf, diesen ganzen Irrsinn
auch noch festzuhalten.
Noch gibt es aber wenig Abwechslung,
und außerdem war das schon wieder eine Woche,
in der jede Entwicklung
noch vor zwei Jahren
für einen ganzen Monat Nachrichten gereicht hätte.
(Und da gab es Trump schon etwas länger…)
Also los!
Von einem Albtraum in den nächsten:
Alles irgendwie schon mal dagewesen,
diesmal aber irgendwie alles auf einmal.

Fangen wir
mit den gewöhnlichen Sachen an:
In Kasan ereignet sich
das erste Schoolshooting in Russland,
soweit ich mich erinnern kann.
Ablauf und Motiv
gleichen den Vorbildern
aus dem Internet.
Putin reagiert sofort:
Eine Verschärfung des Waffenrechts wird angekündigt.
Jetzt, wo Navalny aus dem Hungerstreik zurück ist,
und auch Amnesty International
wieder ein Auge auf ihn hat,
gilt es, zum bösen Spiel gute Miene zu machen.
Die Ukraine darf nicht aus dem Blick geraten.
Solange die EU strauchelt
und mit sich selbst beschäftigt ist,
kann der Zar die Träume vieler Ost-Ukrainer
weiter wach halten.

Weiter westlich rumort es weiter gewaltig:
In Österreich hat der Kanzler
gerade eine Spezialbehandlung nach Böhmermann
hinter sich, und sieht sich
ernstzunehmenden Ermittlungen
gegen sich selbst gegenüber.
Noch weiter westlich
wird das Geraune um einen Bürgerkrieg lauter:
Doch, in Frankreich.
Ein Jahr vor dem Griff nach der Macht
freut sich Marine LePen
über angebliche Stimmen aus dem Militär,
die genau diesen Bürgerkrieg herbeisehnen.
Das sind ziemlich neue Töne,
selbst für französische Nazis.
Und noch viel weiter im Westen,
in Washington,
hat der Civil War im Kongress
bereits begonnen.
Die erzrepublikanische Liz Cheney
wird von ihrer eigenen Partei gecancelt,
weil sie bei der Wahllüge nicht mitmacht.
In den ehrwürdigen Hallen des Kapitols
kommt es dann zum ersten Showdown
der zukünftigen Wortführerinnen:
Marjorie
„jüdische Spacelaser haben mein Hirn geschrumpft“
Taylor Greene (MTG)
versucht,
Alexandria
„du kannst mir gar nichts, ich war Bartender in Brooklyn“
Ocasio-Cortez (AOC)
vor der versammelten Presse niederzuschreien,
von wegen Antifa, und überhaupt.
Letztere bleibt cool,
bis sie Volksverräterin genannt wird,
und lässt dann nur mal kurz das Mikro fallen.

Na, immer noch wach?
Wir sind noch lange nicht
bei den Big News angekommen!
Zu viele Entwicklungen
wollen nicht verschlafen werden:
Das Land des Whiskys und der Schafe,
der rauen Ritterlichkeit
und der besten modernen (Rock-)Musik des Kontinents,
genau: Schottland
läuft sich für das nächste
Unabhängigkeitsreferendum warm.
Frisch gewählt, kündigt Nicola Sturgeon
dieses für die kommende Zeit an,
also „nach Corona“,
also irgendwann in den nächsten zwei Jahren,
also wenn die Karten
noch besser verteilt sind.
Dass das eine gute Idee ist,
zeigen, zum Beispiel die Ereignisse in Glasgow:
Nach stundenlangen Straßenblockaden
durch die Bewohner eines Stadtviertels,
rücken die Behörden davon ab,
die zwei Inder, die schon ewig da wohnen,
eiskalt abzuschieben.
Sowas wären doch nette,
europäische Nachbarn.

Genauso nett und vor allem fair,
wie sich Die Grünen gerade zeigen.
Das Feld der Zukunftsträume ist endgültig bestellt,
auch die letzten Parteien
haben ihr Wahlprogramm fertig,
die Demokratie will erstritten sein.
Geht es nach Anna-Lena Bearbock,
wird dieser Jahrhundertwahlkampf
vor allem eins: Fair.
Sachsen-Anhalts very own Sebastian Striegel
sekundiert sympathisch:
„If they go low, we go high!“
Na dann mal viel Erfolg,
die CDU geht nämlich ziemlich low,
aber dazu gleich.
Diesen fairen Wahlkampf eröffnet ACAB wie folgt,
nämlich in dem andere sprechen.
Ich hatte mich schon darauf gefreut,
dass ihr erstes Opfer
in der eigenen Partei fällt:
Boris Palmer,
der im Wochentakt
um seinen Rausschmiss bettelt,
wird aber erst mal vom Mann
hinter der Schattenkanzlerin
zurechtgewiesen.
Schade, fast die ganze Republik
hätte genauso gejohlt,
wie fast die gesamte NBA damals,
als Lebron James
Jason Terry auf die Bretter geschickt hat.
Anna-Lena ist aber Teamplayerin,
weswegen den ersten Frontalangriff
auch Shooting-Star Luisa Neubauer übernimmt.
Wo sonst, wenn nicht bei Anne Will,
wirft sie dem Gegenkandidaten der CDU
gleich einen ganzen Jutebeutel mit Vorwürfen
vor die blank polierten, viel zu großen Schuhe.
Was allerdings nichts daran ändert,
dass diese Vorwürfe mehr als berechtigt sind.
Sollte Laschet die Rechtspopulisten Maaßen und Merz
tatsächlich weiterhin dulden,
droht der CDU das gleiche Schicksal
wie den US-Republikanern:
Entweder die Spaltung
oder die Radikalisierung.
Und das würde allen,
vor allem aber den Grünen ganz gut passen.

Die anderen beiden
mit Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung
lassen es im Vergleich noch ruhig angehen.
Olaf Scholz verweist auf das Parteiprogramm
und kommt erst Ende der Woche
mit etwas eigenem:
Der Soli soll bleiben,
zur Refinanzierung der Coronakosten.
So sehr man diesem Vorschlag auch zustimmt,
typischer hätte er nicht sein können;
wenigstens darauf ist Verlass.
Und Christian Lindner?
Sagt Christian Linder-Sachen.
Mitregieren gerne,
am liebsten alleine mit der CDU, und irgendwas mit Neustart…

Ich glaube, mir sind gerade die Finger eingeschlafen.

Mehr Rabbatz ist natürlich vor Ort,
die Landtagswahlen sind in drei Wochen,
die Briefwahlen bereits angelaufen.
Weiter an der vordersten Front:
Der CDU-Harzkreizverband.
Und wo wird der Kampf geführt?
In der Volkstimme?
Da auch, aber es lohnt sich,
auch mal die Bild durchzublättern.
Am Mittwoch auf Seite 9:
„Im Harz brennt die Luft“
Und wie!
Der Landrat, selber Urharzer,
beschwert sich über die unkonstruktive Zusammenarbeit
mit dem grünen Umweltministerium.
Worum es dabei aber genau geht,
erwähnt die Bild natürlich nicht.
Wichtig sind, wie immer,
nur die Bilder:
Rechts neben dem inhaltslosen Text
ein Bild der hiesigen Umweltministerin Prof. Dalbert,
das sie wahrscheinlich als das pure Böse darstellen soll.
Links dann der Landrat
als warnender Macher im heimischen Wald.
Das ist so plumpe Wahlwerbung,
dass es gar nicht weiter auffällt,
und außerdem: Seite 9,
eine Seite vorm vierseitigen Sportteil
(an einem Mittwoch!).
Die Bild hat diese Woche
aber auch noch aus einem anderen Grund
verachtende Aufmerksamkeit verdient,
wie wir später noch sehen müssen.

Es sind also keine zwanzig Wochen mehr,
die der Wahlkampf toben wird.
Zwanzig Wochen träumen,
bis Ende September,
davon, dass vielleicht nicht so viel besser,
aber wenigstens einiges mal wirklich anders wird.

So, genug geträumt,
genug mit Nichtigkeiten aufgehalten
und versucht, dem Thema aus dem Weg zu gehen:
#DieDoppeltenZwanziger haben jetzt
also ihr erstes eigenes Kapitel im ewigen Nahostkonflikt.
Ich könnte mich jetzt drücken,
um bloß nichts falsches zu schreiben,
oder weil noch eine ausufernde Pseudo-Experten-Meinung
auch bloß keinem hilft.
Wäre aber schlicht inkonsequent,
und dieser Text dürfte
fortan keinen Anspruch mehr
auf Relevanz behaupten.
Denn, sagen wir mal so:
Verhärteter können
die Fronten nicht mehr sein.
Und man darf die Frage stellen,
wieso eigentlich noch niemand
das Wort Krieg benutzt hat.
Denn innerhalb dieser Woche
eskalierten die Situationen völlig:

Einige nennen den Ausgang,
also die Proteste gegen die Vertreibung
der palästinensischen Bevölkerung aus Ost-Jerusalem,
eine bewusste Provokation durch die Hamas.
Mag sein.
Was aber daraus geworden ist,
ist wichtiger, als die Frage danach,
wer angefangen hat.
Als Reaktion auf das brutale Vorgehen
der israelischen Sicherheitskräfte (Polizei, Militär)
auf dem Tempelberg,
zündet die Hamas
von Gaza aus
nicht gerade wenige
der berüchtigten „Feuerwerksraketen“.
Auch wenn die dazu bestimmt sind,
entweder abseits von Zivilisten einzuschlagen,
oder von von der „Eisenkuppel“ Israels
abgefangen zu werden:
Nicht gerade deeskalierend.
Wir befinden uns also bereits
in der Phase der Vergeltung,
die mit dem eigentlichen Konflikt
nur noch wenig zu tun hat,
und der auch nur politisch zu lösen ist.
An dieser Stelle kommt Benjamin Netanyahu ins Spiel.
Seine nächste Antwort:
Die Bombardierung des Gazastreifens,
mit vielen zivilen Opfern.
Gleichzeitig beginnt der gewohnte Propagandakrieg
und das globale Netz steigt mit ein.
Blutende Kinder werden vor Handykameras gehalten.
Dann schlagen doch die ersten Raketen in Tel-Aviv ein,
und man fragt sich, wie so viele Raketen
aus einem so kleinen Flecken Erde kommen können.
Weitere Gräuelvideos zeigen
einen nationalistischen Mob,
der einen einzelnen Palästinenser
fast zu Tode lyncht.
Die internationale Gemeinschaft reagiert
im Auto-Pilot:
Unbedingte Solidarität mit Israel
oder
Einforderung der Menschenrechte für Palästina
oder
blanker Judenhass
oder
oberschlaues lieber-gar-keine-Haltung-haben,
und sich am Diskurs selbst abreagieren.

Mitte der Woche
hatte, wenig überraschend,
Shahak Shapira wieder mal den klügsten Kommentar,
und musste sich dafür nicht mal
in eine Talkshow einladen lassen:
„Es gibt einen Unterschied
zwischen Notwehr und Vergeltung.“
Die Verantwortung für den Friedensprozess,
Provokation hin oder her,
liegt bei Israel,
einfach weil sie zigmal mächtiger sind,
und na ja, weil es eben Israel ist.
Es ist ja nicht so,
dass der Gazastreifen oder die West Bank
eigenständige Staaten wären,
in die man einmarschieren kann.
Trotzdem schickt das israelische Militär
als nächstes Bodentruppen und Panzer
an die Grenze nach Gaza.
In Ägypten willigen Vertreter der Hamas
bereits in eine einjährige Waffenruhe ein,
als Gaza-Stadt am helllichten Tage beschossen wird.
Jetzt beziehen auch
die großen Menschenrechtsorganisationen Stellung:
pro Pälästina.
Der Raketenbeschuss geht trotzdem weiter,
die Rüstungsindustrie macht schon mal
Platz in den Auftragsbüchern.
Auch die Hamas zieht Truppen an der Grenze zusammen.
Im unterirdischen Tunnelsystem sammeln sich hunderte.
Anscheinend das perfekte Ziel für die israelischen Panzer,
die ganz genau wissen,
wohin sie zielen müssen.
Als dann die Meldung auftaucht,
dass Israel ein Flüchtlingscamp bombardiert hat,
wobei mindestens 10 dort Untergekommene
ums Leben kamen,
melden sich sogar die US-Amerikanischen Demokraten,
in Person von Bernie Sanders und Rashida Tlaib.
Auch hier: Pro Palästina.
Ändert aber nichts.
Der Schlagabtausch geht unvermindert weiter,
wieder schlagen Raketen in Tel-Aviv ein.
Also wird endlich ein US-Diplomat geschickt.
Denn die israelische „Eisenkuppel“,
die bis jetzt 90% der Hamas-Raketen abgewehrt hat,
kann gegen eine neue Idee der Hamas wenig ausrichten:
Aus Gaza werden Angriffe
mit „Suiziddrohnen“ auf Chemiefabriken
im Süden Israels geflogen.
Dass zum selben Zeitpunkt
tausende jüdische und arabische Israelis
gemeinsam für den Frieden
auf die Straßen gehen,
das steht wieder nur in der Jungen Welt.
Die Kriegsmaschine ist jetzt in vollem Gang:
Ende der Woche
stürzt ein Gebäude in Gaza-Stadt zusammen,
nachdem es von israelischen Bomben getroffen wurde.
Ein großes Bürogebäude,
in dem die Redaktionen
nationaler und internationaler Nachrichtenagenturen
untergebracht waren;
immerhin gab es eine Vorwarnung.
Jetzt telefoniert sogar Joe Biden
mit Abbas und Netanyahu.
Bringt auch nichts,
die Raketen fliegen weiter,
von beiden Seiten aus.

Gestern dann, am Jahrestag
der israelischen Staatsgründung
(für die Palästinenser Nakba,
die „Katastrophe“, 15. Mai 1948)
liefern sich Demonstranten
in Berlin Straßenschlachten mit der Polizei,
um gegen die Gewalt
im Nahen Osten zu demonstrieren (findet den Fehler).

Wäre es nicht der Nahostkonflikt,
sondern nur Myanmar oder Peru,
dann könnte man auch hierzulande
bedenkenlos auf Menschenrechte pochen,
und einfach, wie immer,
jegliche Gewalt verurteilen.
Wenn eine Folge dieses Konflikts aber ist,
dass auch in Deutschland
Synagogen angegriffen werden,
von wem auch immer,
und auf offener Straße Israel-Flaggen verbrennen,
dann, ja dann brauchen wir
nicht mehr darüber nachzudenken,
wen es besonders zu schützen gilt.
Nie wieder ist immer noch
die einzige Antwort auf jeden Antisemitismus.
Denn solange irgendjemand
die „Vernichtung“ Israels fordert
(was große Teile der Hamas
und ihre Verbündeten (Iran, etc.) tun),
stellt sich die Frage nicht,
auf welcher Seite man steht.
Schwierig nur, wenn auch international
die Stimmen lauter werden,
die von „ethnischer Säuberung“
oder gar „Genozid“
(an den Palästinensern) sprechen.
Denn zumindest zu diesem Zeitpunkt
macht das Vorgehen der israelischen Armee
genau diesen Eindruck.

Klar, geschichtsbewusste Haltung und Analyse
lösen den Konflikt auch bloß nicht;
vielleicht weil er einfach nicht zu lösen ist,
sondern nur noch zu beenden.
Eine Zwei-Staaten-Lösung
würde den Konflikt bloß ins Unendliche verlängern.
Weswegen es nur
ein föderalistisches Modell sein kann:
Ein Land, viele Flaggen.
Klappt hier doch auch,
in jedem Schrebergarten weht ne andere.
Und dann muss auch
keiner mehr vertrieben werden,
damit jemand anderes
sein Existenzrecht wahrnehmen kann.
Wessen Name vorne steht,
das müsste ausgewürfelt werden,
sonst geht der Zoff sofort wieder von vorne los,
oder man einigt sich auf einen neuen.
Ich wäre allerdings für
Palästina-Israel,
frei übertragen:
Die Küste, über die Gott herrscht.
Klingt irgendwie endgültiger.
Müssten sich Moslems und Juden
nur noch darauf einigen,
dass Allah und Jahwe
letztendlich ein und das selbe ist.
Es könnte alles so einfach sein…
Ist es aber nicht.
Sollte sich die Lage wieder beruhigen,
können wir auf die nächste Eskalation warten,
und alles beginnt wieder
und wieder von vorn:
Der Hass, die Gewalt, der Krieg.
Und Krieg,
Krieg ist immer gleich.

In Österreich allerdings kann man
auch noch ganz anders Haltung zeigen.
Und ich wünschte,
ich hätte das nur geträumt:
In Mauthausen
wurde am Gedenktag der Befreiung des KZ
von einer Bühne aus,
die mit einer Israelflagge dekoriert war,
eine Hitler-Rede von einem Smartphone abgespielt,
und per Lautsprecher gen Lager geworfen.
Daraufhin warf eine vermeintliche Palästinenserin
„den Juden“ von der selben Bühne aus Landesraub vor.
Wo ist diese Cancel-Culture,
wenn man sie wirklich mal braucht?

Und wer jetzt denkt,
widerlicher geht es echt nicht mehr,
der hatte wirklich schon lange
keine Bild mehr in der Hand.
Denn die zeigt da noch
ganz andere Zusammenhänge
und Fronten.
Am besten greift Ihr schon mal
zu einem Schlummertrunk Eurer Wahl.
Was jetzt kommt,
das ist wirklich nur
im Halbschlaf zu ertragen,
so was kann nur
völlig skrupellosen Redakteuren einfallen,
die damals, im Seminar zur journalistischen Verantwortung,
mit Sicherheit ihren Koksrausch ausgeschlafen haben.
Die Titelseite allein würde schon reichen,
um vor jede Auslage zu spucken,
in der dieses Instant-Altpapier noch liegt:
Den Header („Terror-Krieg gegen Israel“)
soll man wahrscheinlich übersehen,
denn direkt darunter wirbt
die AIDA gemeinsam mit der Bild
für eine riesige Kreuzfahrtlotterie.
Mehr als die Hälfte der Titelseite ist damit bedeckt,
mit Bildern eines glücklichen
Best-Ager-Paares auf hoher See.
Doch doch, es ist immer noch 2021.

Auf Seite 2 dann aber der absolute Killer:
Eingerahmt von aktuellen Kriegsbildern
aus den israelischen Orten Aschkelon und Aschdod,
sehen die Leser
eine kritisch dreinblickende Greta Thunberg,
die angeblich für Empörung gesorgt hätte.
Die völlig geisteskranke Überschrift dazu lautet:
„So viel Israel-Hass steckt in Fridays for Future“,
und in der Infobox gibt es dann noch die Antwort,
auf die einzige Frage,
die sich alle Eltern gerade stellen:
„Wie erkläre ich meinem Kind,
dass Greta falsch liegt?“,
wenn sie sich gegen
Kriegsverbrechen ausspricht.
Mein Tipp:
Solange man die Antworten darauf
in der Bild findet,
am besten gar nicht.
Dann lieber doch Schnaps saufen,
wenn man Durst hat.

Zum Schluss aber wieder zurück
zu den wichtigen Dingen.
Richtig, da war doch noch was.
Olympia nämlich!
Aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben,
und wenn Europa eine Fußball-EM austragen kann,
dann wird das ja wohl auch noch zu machen sein.
Noch zwei Monate,
genug Zeit, alle Athleten zu impfen.
60% der Japaner wollen aber gar kein Olympia?
Immer mehr Gastgeberstädte sagen ab?
Die Gesundheitsnotstände werden
notwendigerweise immer weiter verlängert?
Die Träume von Medaillen und Podiumsplätzen,
von millliardenschweren Übertragungsrechten
und der Anblick ausschließlich kerngesunder Supermenschen
sind doch aber schließlich auch was wert.
Ruhig mal den zweiten Schritt
vor dem ersten machen.

So wie im UK:
Da ist ab morgen
das Umarmen (von Menschen!)
wieder erlaubt,
also für Menschen der Kategorie G
(Geimpft und/oder Genesen).
Sogar die Kinos und Kneipen öffnen wieder.
Ach Kino,
ja, das wäre mal wieder ein Träumchen.
Aber auch hier wird zusehends und aktiv vergessen,
weswegen das alles mal „verboten“ war,
die Vorfreude kann sich kaum noch zurückhalten.
Da nützt es nicht viel,
wenn ebenfalls im UK
immer stärker vor der indischen,
inzwischen sogar schon „Triple-Mutante“
gewarnt wird.
Fans in Stadien,
volle Pubs bis in die Nacht.
Wenn das nicht auch ansteckend sein sollte!
Die US-Amerikanische Gesundheitsbehörde
gibt sogar Indoor-Privatpartys ohne Limit
für G-Menschen frei.
Der Traum von der Normalität
ist einfach zu verlockend.

Morpheus,
ich weiß schon wieder gar nicht mehr,
was der Unterschied
zwischen der roten und der blauen Pille
eigentlich gewesen sein soll…

Denn während nicht nur hierzulande
immer noch Abertausende
auf den Intensivstationen liegen
und um Luft kämpfen,
wöchentlich fast genauso viele sterben,
und in Afrika bereits der Impfstoff alle ist,
spült derweil
in Indien
der Ganges
ungezählte Leichen
aus dem Hinterland
in Richtung Meer.
An den Ufern
vor den großen Städten
werden sie an Land gezogen,
zum Verbrennen
fehlt das Holz.

Morpheus?
Gibt es nicht vielleicht
noch eine andere Realität?
Können wir nicht einfach
noch mal aufwachen?
Am besten so am Ende der 90er,
oder dann, wenn das alles endlich vorbei ist?
Und dann noch mal und noch mal,
so lange, wie alles gut ist?

Ein letzter, unbedeutender Traum vorm Ende:
Die NBA-Playoffs beginnen nächste Woche,
in halbvollen Stadien.
Im perfekten Szenario
gewinnen am Ende
die Los Angeles Lakers gegen die Boston Celtics
und entscheiden das Rennen
um die meisten Titel
vorerst für sich,
und zwar genau in dem Jahr,
in dem Kobe Bryant
höchstoffiziell zur Legende wird
und jetzt neben vielen,
noch lebenden Legenden, in der Hall of Fame,
nicht mehr nur von der Unsterblichkeit
zu träumen braucht.
Good Night, sweet prince.

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