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World Leader Pretend (S6:Ep2)

von | 2021 | 3. Oktober | Die Serie, Staffel 6 - Peace or Love

„Blah,
blah,
blah.“

(Greta Thunberg. 2021)

So.
Das heute ist tatsächlich
der, sage und schreibe,
einhundertste Text
(in Ziffern: 100)
von #DieDoppeltenZwanziger.
Cheers!

Hier auf meinem eisernen Thron,
an meinem Schreibtisch
aus puren Elfenbeinen
sitze ich und kraule meine
nicht vorhandene
Perserkatze,
rauche zwei Havannas gleichzeitig,
lasse den Champagner schal werden
und arbeite weiter stumm
am Weltepos:
Größenwahnsinn undercover.
Meine milliarden Leser*innen
schreiben mir ohne Unterlass,
wie klug und witzig ich bin
und dass ich immer mit allem richtig liege.
Demnächst werde ich zum Kanzler
der Schwarmintelligenz gewählt,
mit 98% Prozent der Stimmen.
Mein Name sei Volker Bruch!

Aber während bei dem
in der letzten Woche
wieder mal #allesaufdentisch kam,
ist auf meinem Schreibtisch
nur wieder bloß alles durcheinander,
unvollständig und noch Jahre davon entfernt,
irgendwie fertig zu sein.
Zu allem Übel ist auch noch mein Router kaputt,
weswegen Euch diese Jubiläumsepisode
auch von den Straßen der Stadt erreicht
(solidarische Internetgemeinschaft sei Dank).
Genau, ganz genau so
wie bei der Deutschen Einheit;
ich hoffe, Ihr hattet alle
einen schönen Nationalfeiertag.
Denn heute wurden in Halle
die alljährlichen Feierlichkeiten
zum Eierwurf auf Helmut Kohl ausgerichtet,
oder soetwas in der Art.
Kanzlerin und Bundespräsident
wurden deswegen auch stilecht begrüßt:
Mit einem Warnstreik im Öffentlichen Nahverkehr.
Anders gesagt:
In Halle war heute noch weniger los,
als an jedem anderen Sonntag.
Alltag im ehemaligen „Osten“.
mdr-Kultur bringt zu diesem Anlass
ein Interview mit einer Regisseurin,
die logischerweise
überhaupt kein Problem damit hat,
sich selbst als Ossi zu bezeichnen.
Is-(halt)-so.
Und ganz ähnlich wie ihr,
geht es auch mir heute noch:
„Ich merke einfach einfach,
ob Menschen aus dem Westen
oder dem Osten kommen.
Ossis sagen einfach ungezwungener
was Fakt ist.“
Ein doch auch passendes Wort zum Sonntag.
An der Quedlinburger Polizeiwache
hängt die Deutschlandfahne schlaff am Mast.
Das soll es dann aber schon gewesen sein
mit der Mythologisierung für heute;
die Zukunft ist wie immer jetzt.

Und was die Gegenwart angeht,
da sieht es gerade exakt genauso aus,
wie auf dem Tisch vor mir:
Noch lange nix konkretes.
Eine Woche nach der Wahl
sind wir, wie erwartet,
noch kein Stück weiter.
Aber es wird sondiert,
was das Nobel-Catering hergibt.
Nur ein paar Erkenntnisse
gelten inzwischen als gesichert:
Unser Landesvater behauptet,
der Osten habe die Wahl entschieden.
Hat er auch.
Denn nirgendwo sonst
hat die Bundes-CDU so drastisch verloren.
Und zwar in fast alle Richtungen.
Sachsen und Thüringen an die Rechten,
den Rest, bis auf ein paar Ausnahmen,
an die SPD oder Die Grünen,
während der Westen
faktisch die Groko wiedergewählt hat.
Dicke Brillenträger haben
dort eben mehr Tradition.
Während hier der Beschiss
wenigstens noch markiert wird.
Nur im Harzkreis bleibt die CDU stabil,
für die Rettung der Linken
standen hier nur die wenigsten bereit.
Das mussten Leipzig und Berlin übernehmen,
denn ohne die dortigen Direktmandate
wäre die Linke wieder eine Kleinstpartei.
Nicht so wie, beispielsweise im österreichischen Graz,
das nach der Kommunalwahl am letzten Wochenende
nur noch „Lenin-Graz“ genannt wird,
da die KPÖ (das K steht wirklich für Kommunismus)
dort allen Ernstes stärkste Kraft geworden ist,
und das ab sofort eine wirklich rote Bürgermeisterin hat.
Oder wie in Russland,
wo die Kommunisten
104 Jahre nach der Oktoberrevolution
und 32 Jahre nach deren Ende,
schon wieder bei 19% sind.
Das ist genauso viel,
wie die CDU bundesweit (ohne CSU) hat.
Sogar das Volksbegehren in Berlin,
nach dem es eine große Enteignung zu geben hat,
verfügt über eine deutliche Mehrheit.
Auch wenn die künftige Bürgermeisterin
jetzt noch auf die Bremse tritt:
Der Kapitalismus sucht bereits
die Notfall-Hotline Nummer raus.

International fallen die Reaktionen
ebenfalls erfreulich aus:
Die transatlantischen und transwasanderes Medien
sehen weiter einen halblinken Rutsch des Weltgefüges.
Nach den USA
jetzt also auch das mächtigste Land Europas!
Das Sozial in Demokratie wird wieder erkennbarer.
Vor Schreck verliert die NPD
gleich einen Großteil ihrer Parteienfinanzierung.
Was für Nazis aber nicht schlimm ist,
die faulig braunen Kartoffeln haben ja längst
ihren x-ten Neuanstrich erhalten.
Es gibt jetzt auch noch eine kleine „Basis“
(die mit gut 600.000 Euro steuerfinanziert ist),
und Mittelblau scheint vorerst
noch ganz gut zu decken.

Die CDU will es zwar noch nicht ganz zugeben,
und der ehemalige Kanzlerkandidat schon gar nicht,
aber: Das war‘s wohl erst mal mit Regieren.
Zumindest die JU will sofort alles umbauen!
Da kommt es dem Nachwuchs
wahrscheinlich mehr als recht,
dass Jungstar Friedrich Merz
ganz offen den Fraktionsvorsitz
in der künftigen Opposition anstrebt.
Was das für den Konservatismus
in den nächsten Jahren bedeutet,
darüber schreiben Björn Höcke und Götz Kubitschek
wahrscheinlich gerade ihre nächsten Bücher.

Und die Grünen?
Ganz schnell
ist ganz viel
an Verheißung
verpufft.
Noch vor irgendwelchen Koalitionsverhandlungen
ist die erste Rochade schon vollzogen:
ACAB for Innenministerin? Denkste!
Welt- und Frauenversteher Robert Habeck
führt ganz selbstverständlich die Sondierungen
und fühlt sich bereits als Vizekanzler.
Für die FDP gibt es auch schon die ersten Geschenke:
Tempolimit?
Ach, es wird auch so gehen.
Fortschritt durch Technik, oder so.
Und nicht nur deswegen
heißt der erklärte Feind,
nicht nur für diesen Blog,
sondern überall,
wo noch Blut durch Adern fließt,
ab sofort: FDP.
Und das ist keine Bitte!
Denn der Markt wird gar nichts regeln.
Außer seinen eigenen Interessen,
und überhaupt,
diese ganzen,
verfluchten, …

Brrrrrrring.

Brrrrrrring.
… oh, nein. …
Brrrrrrring. …
Hello? …
London? … don‘t you say! …
Come again? … heute auf Deutsch? …
Wegen mir … gerne! …
Was geht so? …
Scheißfrage? … Wieso? …
Ja, hab ich schon gelesen. …
„Lorry Crisis“ ist übrigens ein tolles neues Wort. …
Ja, ja, aber Sprit wäre ja … eh nicht da …
für die ganzen Lastwagenfahrer,
die nicht mehr fahren können. …
Was? … Wer? … Nigel Farage? …
Der Vote Leave-Spinner? …
Der musste sieben Tankstellen abfahren,
um noch Sprit zu kriegen? …
Und angefahren wurde er dabei auch noch? …
Sicher, dass das kein PR-Stunt war? …
Warum? …
Na, um von Johnsons Power Grab abzulenken! …
Doch, doch! …
Nee, ich meine nicht seine Gesetzesschwurbeleien. …
Oder hat er etwa nicht das Militär in Bereitschaft versetzt? …
Siehste London! … Ich hab‘s ja gesagt. …
Hallo? … Noch da? … Hallo? …

Na, erfahrungsgemäß ruft London bald wieder an.
Spätestens zu Weihnachten,
oder wenn das Bier dann wirklich mal alle ist.
Wo war ich?
Egal.
Es ist ja sowieso ständig Krieg.
Medienkrieg jedenfalls.
Seit dieser Woche dann auch endlich:
Weltmedienkrieg.
Der offizielle Kriegseintritt von Russland
wird durch eine Drohung gegen Youtube besiegelt.
Jetzt stehen die Fronten fest:
Die westlichen Medien gegen
alle anderen.
Auslöser war die Sperrung
des russischen Propagandaportals RT DE.
Was bei hiesigen Querspendern
natürlich für geistlose Empörung sorgt,
wird vom russischen Staat ernst genommen,
und, wahrscheinlich schon bald,
wird man zwischen Kaliningrad und Wladiwostok
keine westlichen Katzen-,
Reaction- oder Werbevideos mehr sehen können.

Und auch keine Aufklärung mehr;
so verwirrend und verängstigend
sie manchmal auch daher kommen mag.
Dann kann sich auch die Pandemie
noch besser schön gesoffen werden.
Hier nur schnell
die aktuellen Zahlen zur Party:
Inzwischen über 5.000.000 Tote weltweit.
In den USA: 700.000 Tote,
was jetzt auch mehr als bei der Spanischen Grippe sind.
15.000 Menschen sterben dort pro Woche,
die allermeisten davon ungeimpft.
Kein Wunder, dass also auch dort
die nächste Impfpflichtstufe dran ist:
Für Schulkinder in Kalifornien gilt sie,
sobald die Impfstoffe zugelassen sind,
was sehr bald sein wird.
Noch mehr Tote?
Kein Problem:
In Deutschland: 500 pro Woche.
Im UK: 1.000 pro Woche.
In Russland: 6.000 pro Woche.
Weltweit: 50.000 pro Woche.
Wären die alle geimpft gewesen,
ich würde mir den gesamten Backkatalog
vom Wendler und Xavier Naidoo zulegen,
doppelt.
Auch Ozeanien struggelt weiter,
und im anderen ehemaligen Vorzeigeland, Israel,
verfällt demnächst der Grüne Pass,
wenn man nicht nur eine,
oder zwei, sondern drei Impfungen
nicht nachweisen kann.
Hier aber ist man schon froh,
wenn 75% eine erste haben,
und diskutiert darüber,
wie schlecht man damit
über den Winter kommen wird.
Nur in China ist soweit alles tutti:
1 Toter in den letzten 28 Tagen.
Bevor wir aber zu denen zurückkommen,
hier noch der letzte Coronaklatsch aus der Provinz:
Eine nicht ganz unbekannte Persönlichkeit des Stadtlebens
soll angeblich einige Zeit
in einer Lungenklinik verbracht haben.
Offiziell zwitschern die Spatzen
etwas von Tuberkulose.
Es wären aber keine Kleinstadtspatzen,
wenn unter ihnen nicht auch diejenigen wären,
die dahinter nur eine verleugnete Covid-19-Erkrankung vermuten.
Aus dem Nichts würde dieses Gerücht
immerhin nicht kommen.
Aber: Sollte sich hier jemand angesprochen fühlen:
Mir egal.
Gute Besserung!
Von ganzem Herzen;
kein Sarkasmus.

Zurück zur Weltmacht China,
denn da geht die Sonne
momentan nicht gerade nur auf:
Es herrscht Stromknappheit. In China!
Wer ist Schuld?
Die, die nach der Pandemie
wieder mehr Strom brauchen;
also alle.
Strom aus mehrheitlich Kohlekraftwerken,
die aber zunehmend geschlossen werden (Klimaschutz).
Obwohl dort aber erst 2060 die CO2-Bilanz neutral sein soll,
gehen die Strompreise jetzt schon durch die Decke.
Das ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf das,
was den Rest der Welt demnächst erwartet.
Liebe FDP, dafür sind sicher schon
krisensichere Konzepte fertig geschrieben, ja?
Konzepte voller verbaler Verheißungen,
für die Greta Thunberg
in dieser Woche nur noch
folgende Worte finden konnte,
und die ganz einfach sagen,
was Fakt ist, wenn Machthabende
eben auch noch das letzte Wort haben:
„Words that lead to no action!“

Darüber können selbst die letzten guten Nachrichten
über die allerallerletzten Machtfuzzies
nicht hinwegtrösten:
Der ehemalige Korruptionskönig von Frankreich (Sarkozy)
geht endlich in den wohlverdienten, einjährigen Hausarrest,
und der Schlächter der Philippinen (Duterte)
kündigt endlich seinen Rücktritt an.
Ändern wird aber auch das
nichts wirklich.

„The glass is not half full,
it‘s not half empty.
Instead it lays half fucked up
on the floor.
Reason has gone,
purpose has gone.
All that‘s guaranteed
the fucking state we‘re in.“

(Biffy Clyro: A hunger in your haunt. 2021)

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